Lungenkrebs Moderne Lungenkrebsbehandlung: Von den Zytostatika bis zur Immuntherapie
Die Chemotherapie ist ein wichtiger Bestandteil in der Therapie des Lungenkarzinoms. Die Onkologen verfolgen dabei unterschiedliche Ziele. „Wir setzen die Chemotherapie oftmals vor einer Operation ein, fachsprachlich neoadjuvant, um so den Tumor operabler zu machen. Aber auch nach der OP, um eventuell verbliebene Krebszellen zu zerstören“, erklärt Privatdozent Dr. Heiko Golpon. Der Lungenkrebsexperte leitet die Pneumologische Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Chemotherapie – zwei Drittel der Behandlungen im fortgeschrittenen Stadium
Tumorzellen teilen sich in der Regel besonders schnell. Die bei einer Chemotherapie eingesetzten Medikamente, sogenannte Zytostatika, zerstören Zellen, die sich besonders schnell teilen. Somit werden das Wachstum und die Ausbreitung der Tumorzellen verhindert.
Da eine Chemotherapie im ganzen Körper, also systemisch wirkt, kann sie auch Absiedlungen (Metastasen) zerstören. „Aus diesem Grund ist die Chemotherapie ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung des metastasierten Lungenkarzinoms“, erläutert Dr. Golpon.
„Die Behandlung erfolgt heute sehr individuell"
Heutzutage stimmen Ärzte die Therapie individuell auf die Beschaffenheit des Tumors ab. Vor Festlegung der Therapiestrategie untersucht ein Pathologe das Tumorgewebe molekulargenetisch: Finden sich bestimmte genetische Veränderungen, kommen neuere Therapieformen infrage: So kann bei etwa 15 Prozent der Patienten im metastasierten Stadium eine zielgerichtete Therapie eingesetzt werden. 20 Prozent der Patienten sind primär für eine Immuntherapie geeignet.
„Auch wenn die Chemotherapie im fortgeschrittenen Tumorstadium noch bei rund zwei Drittel der Patienten eingesetzt wird, so wurde sie doch in den letzten Jahren zunehmend durch diese Therapieformen ersetzt“, erklärt Dr. Golpon.
Die Operation – Therapie bei frühen Stadien
Die Operation galt bisher als einzige kurative Behandlungsmethode. Denn nur wenn das Tumorgewebe vollständig entfernt werden kann, ist eine Heilung möglich. Das gilt jedoch nur für Tumoren in frühen Stadien, wenn der Mutterherd noch nicht gestreut hat.
„Bei ungefähr einem Viertel der Diagnosen ist dies der Fall. Bei einer großen Mehrheit also liegen zum Zeitpunkt der Diagnose spätere Stadien vor. „Ferner finden wir auch ‚kleinzellige Typen‘, die unabhängig vom Tumorstadium eine Systemtherapie benötigen“, stellt Dr. Golpon fest. „Mittlerweile können wir Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium zunehmend besser behandeln – mit modernen systemischen Therapien.“
Systemische Therapien
Zu den systemischen Therapien zählen die Chemotherapie, die molekularbiologische oder zielgerichtete Therapie und die Immuntherapie. Mithilfe einer Chemotherapie versuchen die Onkologen beispielsweise einen großen Tumor zu verkleinern, sodass er nachfolgend operiert werden kann.
Liegen bereits zentrale Lymphknotenmetastasen vor, kombinieren die Experten eine Chemo- und Strahlentherapie. Sie sprechen dann von einem multimodalen Ansatz, zu dem dann auch eine nachfolgende Operation gehören kann. Mit dieser Methode kann ebenfalls eine Heilung erreicht werden.
Zielgerichtete Bekämpfung
Die neuen Verfahren sind genauer auf die Biologie des Tumors zugeschnitten. Die medizinische Forschung lernt rasch dazu. Mit speziellen Medikamenten, sogenannten Tyrosinkinasehemmern, wird der Tumor zielgerichtet bekämpft. „Im Gegensatz zu Zytostatika wirken diese Medikamente spezifisch an den Tumorzellen. Das ist ein bedeutender Unterschied“, betont Dr. Golpon und führt aus: „So verhindern sie beispielsweise die Zellteilung des Tumors, ohne dass hierbei gesunde, sich schnell teilende Zellen davon betroffen sind. Der Tumor kann dann nicht weiter wachsen und stirbt ab.“
Einsatz der Immuntherapie
Unser Immunsystem bekämpft permanent mutierte, beziehungsweise entartete Zellen im Körper. In seltenen Ausnahmen versagt es jedoch. Ein Tumor entsteht. Er kann ungehindert weiterwachsen. „Mit speziellen Medikamenten können wir das Immunsystem wieder fit machen. Es erkennt den Tumor, greift ihn an und zerstört ihn“, beschreibt Dr. Golpon die Wirkungsweise einer Immuntherapie.
Bei den Medikamenten handelt es sich um Antikörper, die in der Lage sind, das Immunsystem zur Krebsbekämpfung zu aktivieren. Das gelingt insbesondere bei Patienten, bei denen sich ein bestimmter Immunmarker, mit der Bezeichnung PD-L1, auf den Krebszellen nachweisen lässt.
Besonders geeignet für fortgeschrittene Stadien
Diese neuen Systemtherapien verbessern die Prognose von Lungenkrebspatienten in einem fortgeschrittenen Stadium deutlich. „So hat seit gut zwei Jahren die Immuntherapie die Chemotherapie als Erstlinientherapie abgelöst, wenn die Mehrzahl der Krebszellen den Immunmarker PD-L1 auf ihrer Zelloberfläche aufweisen. Das ist ein Quantensprung in der Behandlung des Lungenkrebses“, stellt Dr. Golpon fest.
Unter einer Immuntherapie können die Experten bei etwa 20 Prozent dieser Patienten langfristig eine stabile Krankheitssituation herbeiführen. Das ermöglicht eine gute Lebensqualität. Noch vor wenigen Jahren standen für eine dauerhafte Stabilisierung der Tumorerkrankung keine adäquaten Therapien zur Verfügung. Hat eine Chemotherapie in der Erstlinientherapie nicht angeschlagen, kommen nun ebenfalls Immuntherapien zum Einsatz.
Kombination aus Chemo-, Strahlen- und Immuntherapie
Und es geht immer weiter: Onkologen testen die Kombinationen von Immuntherapien mit anderen Behandlungsformen. Beispielsweise scheint eine Immuntherapie in Verbindung mit einer Strahlentherapie gute Erfolge aufzuweisen. Denkbar sind unterschiedlichste Kombinationen. So werden in den nächsten Jahren Kombinationstherapien aus Chemo- und Immuntherapien Einzug in die Behandlung des fortgeschrittenen Lungenkarzinoms halten.