Von der Chemo- bis zur Immuntherapie Viele Therapieoptionen beim Lungenkrebs
Perspektive LEBEN sprach mit dem Experten Professor Dr. Martin Reck über den aktuellen Stand der Lungenkrebstherapie. Er ist der Chefarzt der Onkologie der LungenClinic Grosshansdorf. In einer globalen Studie wurde kürzlich unter Leitung von Prof. Reck ein wichtiger Schritt zu einer neuen Therapieform erreicht.
Wie nach den meisten Krebsdiagnosen muss auch beim Lungenkarzinom zuerst einmal die Therapiestrategie festgelegt werden. Bei diesem sogenannten Staging tragen die beteiligten Ärzte, allen voran Pneumologen, also Lungenfachärzte, Chirurgen, Pathologen, Onkologen und Radiologen, relevante Informationen rund um die Erkrankung zusammen. „So erhalten wir eine umfangreiche Entscheidungsgrundlage und können für jeden Patienten entsprechend der Krankheitsausdehnung und seiner persönlichen Symptomatik die nächsten Behandlungsschritte festlegen“, stellt Prof. Reck fest.
Immer mehr Behandlungsmöglichkeiten
Heilen konnte man den Lungenkrebs bisher allein durch die Operation beziehungsweise durch die vollständige Entfernung des Tumorgewebes. Begleitet wird diese Behandlung oft durch eine Bestrahlung und Chemotherapie. „Voraussetzung für den Erfolg sind allerdings das Tumorstadium und der Tumortyp. Nur bei einem nicht kleinzelligen Tumor in einem frühen Stadium ist eine Operation vielversprechend“, erklärt Prof. Reck einschränkend. Aktuell findet diese Therapie bei etwa einem Viertel der Erkrankten statt.
Wo sich Erkrankte am besten behandeln lassen
Lungenkrebszentren bieten eine optimale Versorgung. Solche Zentren werden durch die Deutsche Krebsgesellschaft zertifiziert. Sie müssen strenge Vorgaben erfüllen, wie eine Mindestanzahl von qualifizierten Fachärzten.
Zudem müssen pro Jahr wenigstens 200 Patienten mit Lungenkrebs dort behandelt und mindestens 75 Patienten an Lungenkrebs operiert werden. Die Behandlung im Lungenkrebszentrum erfolgt interdisziplinär durch Lungenfachärzte, Thoraxchirurgen, Strahlentherapeuten, Onkologen, Pathologen und Radiologen. Sie nehmen regelmäßig an einer wöchentlich stattfindenden Tumorkonferenz teil, in der jeder Patient individuell betrachtet wird.
Bei der großen Mehrheit der Patienten werden spätere Stadien sowie teilweise auch kleinzellige Tumoren diagnostiziert. In diesen Fällen kommen andere Behandlungsoptionen zum Einsatz. „Bei nicht operablen Lungentumoren nutzen wir systemische Therapien. Hierzu zählen die Chemotherapie, zielgerichtete Therapieansätze und immer mehr die Immuntherapie“, sagt Prof. Reck. Bei systemischen Therapien dringen spezielle Wirkstoffe in die Blutbahn ein und zerstören oder bekämpfen den Tumor. Auch kann ein nicht operabler Tumor mithilfe einer Chemotherapie so verkleinert werden, dass er anschließend noch operiert werden kann. Die Onkologen sprechen hier von einer neoadjuvanten Therapie.
Bei Vorliegen von ausgedehnten Lymphknotenmetastasen kommt eine sogenannte multimodale Behandlung zum Einsatz – eine Behandlung mit mehreren Methoden also, nämlich die Kombination aus einer Chemo- und einer Strahlentherapie. Mit dieser Methode kann eine Stabilisierung und in Einzelfällen eine Heilung erreicht werden.
Zielgerichtete Präparate
Die medizinische Forschung schreitet voran. Gerade in den letzten Jahren entwickelten sich die Systemtherapien weiter. Die Prognosen verbessern sich stetig. Die neuen Verfahren sind genau auf bestimmte Tumorarten zugeschnitten. Durch spezielle Medikamente, die zielgerichtet auf bestimmte genetische Veränderungen des Tumors wirken, gelingen immer individuellere Therapieansätze.
Ein Beispiel sind sogenannte Tyrosinkinasehemmer bei Patienten mit speziellen genetischen Veränderungen am Tumor – wie zum Beispiel der Mutation des Wachstumsrezeptors, auch EGFR-Rezeptor genannt. Sie unterbrechen die Aktivierung des Tumors, er kann nicht weiter wachsen und stirbt ab. Die Zahl der Patienten, für die eine solche Behandlung infrage kommt, steigt stetig. „Eine Sonderstellung nimmt mittlerweile die Immuntherapie ein. Wir rechnen hier zukünftig mit großen Erfolgen“, so Prof. Reck.
Immuntherapie – Krebstherapie der Zukunft?
Das körpereigene Immunsystem bekämpft fremde Zellen – auch Tumorzellen. Manchmal jedoch versagt es dabei. Nämlich dann, wenn die Tumorzellen gelernt haben, sich gegen das Immunsystem zu schützen. Ein Tumor entsteht. Genau hier setzt die Immuntherapie an: Spezielle Medikamente beziehungsweise Antikörper regen das körpereigene Immunsystem so an, dass es den Tumor erkennt. Es greift an und zerstört ihn.
Eine spezielle Gruppe von Patienten mit Lungenkrebs lässt sich mit einer Immuntherapie besonders gut behandeln. So lautet das Ergebnis einer Studie zur Immuntherapie aus dem November 2016 von Prof. Reck und seinem Team. Die Studie ist weltweit eine der ersten auf diesem Gebiet. Sie zeigt, dass bei ausgewählten, nicht vorbehandelten Patienten die Immuntherapie der Chemotherapie in Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen ist.
In dieser Studie wurde eine Gruppe von Patienten definiert, die deutlich erkennbar von dieser Behandlung profitierten, nämlich Patienten, auf deren Tumoren ein wichtiger Biomarker für die Immuntherapie besonders konzentriert war. Das Sterberisiko wird dabei um 40 Prozent reduziert, das Risiko, dass die Tumorerkrankung voranschreitet, wurde um 50 Prozent gesenkt.
Weniger Nebenwirkungen, mehr Therapieerfolge?
Gleichzeitig war die Rate an schweren behandlungsabhängigen Nebenwirkungen deutlich niedriger, verbunden mit einer erheblich besseren Kontrolle der tumorbedingten Beschwerden. „Solche großen Fortschritte gab es bisher bei Lungenkrebs nicht. Die aktuelle Studie bezieht sich dabei auf das metastasierte, nicht kleinzellige Lungenkarzinom“, erklärt Prof. Reck.
Insgesamt verbessern die neuen Therapien die Prognosen von Lungenkrebspatienten in einem fortgeschrittenen Stadium deutlich. Immer mehr Patienten profitieren. Auch testen die Onkologen Kombinationen der möglichen Behandlungsformen. Beispielsweise zeigen erste Ergebnisse, dass eine Immuntherapie in Verbindung mit einer gezielten Strahlentherapie gute Erfolge aufweist.