Darmkrebs Ein Arzt als Krebspatient: Heftige Reaktionen – ein gutes Zeichen!

Autor: Dietmar Kupisch

Allgemeinarzt Frank M. : „Ich war eigentlich immer gut in Form und gesund.“ © iStock/Leonsbox

Frank S. praktiziert als Allgemeinmediziner in seiner Praxis im Großraum Bremen. Vor drei Jahren diagnostizierte man bei ihm Darmkrebs in einem fortgeschrittenen Stadium. In Perspektive LEBEN erzählt er von seinen Empfindungen in dieser Zeit.

Auf diese Diagnose war ich nun wirklich nicht gefasst: Mein Leben lang war ich eigentlich gesund, selten krank. Hier und da mal eine Erkältung, nicht der Rede wert. Ich trieb regelmäßig Sport, rauchte nicht und versuchte, mir stets genügend Freizeit zu verschaffen. Seit ich einen Partner in meiner Praxis hatte, gelang das immer besser – meine Work-Life-Balance stimmte.

Ich nahm es mit der Vorsorge nicht so genau

Die gute Physis war rückblickend sicherlich ein Grund dafür, dass ich es mit Vorsorgeuntersuchungen nicht so genau nahm. Natürlich checkte ich meine Blut- und Urinwerte regelmäßig, legte mich ans EKG und kontrollierte meine Lunge – eben alles, was ich praktischerweise in meiner eigenen Praxis erledigen konnte.

Im Alter von 59 Jahren fasste ich dann den längst überfälligen Entschluss, mich endlich einmal zur Darmkrebsvorsorge anzumelden. Daran gedacht hatte ich schon viele Jahre zuvor, doch es ging mir so wie vielen meiner Patienten: ständig verschob ich den Termin. So erfolgte die Umsetzung meines Entschlusses dann auch erst drei Monate nach meinem sechzigsten Geburtstag.

Ich hatte mich bei einem Gastroenterologen in Bremen angemeldet. Persönlich bekannt war er mir nicht, er hatte aber einen guten Ruf. Am Vortag der Darmspiegelung musste ich fasten und meinen Darm vollständig entleeren. Das machte mir nichts aus. Gut gelaunt führte ich das Vorgespräch mit dem Kollegen, der es sich nicht nehmen ließ, mich auf die Überfälligkeit der Untersuchung hinzuweisen.

Das erste Mal nervös

Kleinlaut musste ich ihm zustimmen. Anschließend wurde ich narkotisiert. Als ich wieder aufwachte, war ich das erste Mal nervös. Was wäre, wenn er etwas entdeckt hätte?! Die wenigen Minuten bis zur Besprechung kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Ich lenkte mich ab mit Gedanken an das geplante Abendessen mit meiner Frau bei unserem Lieblingsitaliener.

Nach dem Fasten freute ich mich ganz besonders darauf. Dennoch blieb ich nervös. Dann rief man mich in das Besprechungszimmer. Mein erster Blick galt der Mimik des Gastroenterologen. Sie war ernst. Mein Magen verkrampfte sich.

Metastasen nicht ausgeschlossen

Er kam ohne Umschweife zur Sache. Ich hatte Darmkrebs. Der Tumor war relativ groß, sodass eine Metastasierung nicht ausgeschlossen werden konnte. Dies müsse aber eine genaue Diagnose in einer onkologischen Fachklinik zeigen. Ich war platt. Das war zu viel. Nicht nur, dass ich Darmkrebs hatte, er war sogar fortgeschritten. Als Allgemeinmediziner wusste ich, dass Krebs in einem frühen Stadium gut heilbar ist. Wie behandelbar würde meiner sein? Musste ich nun sterben?

Verschwieg den Ernst der Lage

Meine Frau holte mich ab. Nach der Narkose durfte ich nicht Auto fahren. Sie sah sofort, dass mit mir etwas nicht stimmte und stieg aus dem Auto. Ich umarmte sie und erzählte ihr von der Diagnose. Wie ernst es war, verschwieg ich ihr. Stattdessen behauptete ich, es handele sich um einen gut behandelbaren Tumor. Ich wollte sie nicht beunruhigen, wollte die Untersuchungen im Krankenhaus abwarten. Es kostete mich eine ungeheure Kraft, diese zuversichtliche Haltung zu bewahren.

Zukunftsangst

Die Untersuchungen im Krankenhaus waren nervenaufreibend. Es gab keine Zwischeninfos. Fragte ich nach Befunden, verwies jeder auf die Abschlussbesprechung und hielt sich bedeckt. In der Nacht davor konnte ich nicht schlafen. Meine Gedanken kreisten um die Zukunft: Werde ich wieder gesund? Wie geht es weiter mit meiner Praxis während der Therapie? Ich hatte viel zu Darmkrebs gelesen, wusste, dass neue Therapiemöglichkeiten die Prognosen verbessert haben. Beruhigt hatte mich das jedoch nur wenig.

Dämmerzustand und Erleichterung

Die Stunden vor der Abschlussbesprechung waren wieder einmal nervenaufreibend. Und überhaupt: Seit der Diagnose befand ichmich in einer Art Dämmerzustand, den ich nur kurz für die Dialoge mit meiner Frau unterbrechen konnte – hier wollte ich stark sein. Wach wurde ich auch, als man mich nach einer endlosen Wartezeit schließlich zur Abschlussbesprechung rief. Wieder achtete ich auf die Mimik des Onkologen. Seine freundliche Art machte mir Mut. Zu Recht, wie sich herausstellte: Der Tumor war zwar schlecht zu operieren, Metastasen wurden jedoch nicht gefunden. Mir fiel ein erster Stein vom Herzen. Aufgrund der Lage des Tumors müsse auch kein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Der nächste Stein fiel, denn diese Befürchtung stand auch seit den Untersuchungen im Raum.

Mit dem Tumor leben

Der Therapieplan sah eine vorgeschaltete Chemotherapie vor. Sie sollte den Tumor verkleinern, um ihn leichter operieren zu können. Ich musste also noch einige Wochen mit dem Tumor in meinem Körper leben. Diese Vorstellung war schwer zu ertragen, wenn auch die Begründung dafür schlüssig erschien. Nach der OP sollte dann, als Vorsichtsmaßnahme, eine weitere Chemo folgen. Die Frage nach meiner Prognose beantwortete der behandelnde Arzt leider nur ausweichend: Erst müsse man sehen, wie die vorgeschaltete Chemo wirke. Davon hänge vieles ab. Reagiere der Tumor so wie erwartet, sehe er gute Chancen auf eine vollständige Heilung.

Tränen der Freude

Bis zum Start der Therapie hielt mein Dämmerzustand an. Als es losging, zeigte mein Körper heftige Reaktionen auf die Chemo. Ich wusste, dass dies ein gutes Zeichen war, die Medikamente wirkten! Die Kontrollen bestätigten die Verkleinerung des Tumors. Nach der OP kam der Lebensmut zurück. Erst zu diesem Zeitpunkt gestand ich meiner Frau die genaue Diagnose, die mir seinerzeit gestellt wurde – und meine diesbezüglichen Ängste. Wir lagen uns anschließend weinend in den Armen. Es waren Tränen der Freude. Die weiteren Therapieschritte machten mir nichts aus. In der nachfolgenden Reha erholte ich mich schnell, kam wieder zu Kräften. Sämtliche Nachsorgeuntersuchungen verliefen positiv. Heute fühle ich mich gesund.


"Nach der Operation kehrte mein Mut zurück." © Robert Kneschke – stock.adobe.com