Darmkrebs Das familiäre Risiko abklären: Vorsicht ist immer besser als Nachsicht

Autor: MPL-Redaktion

Es ist nun wichtig zu klären: Wie groß ist das Risiko für die Angehörigen? © iStock/monkeybusinessimages

36.000 Männer und 29.000 Frauen erkranken jedes Jahr an Darmkrebs. Bei etwa jeder vierten Diagnose findet sich eine familiäre Häufung. Seit 2002 organisiert die Felix Burda Stiftung Aufklärungskampagnen zum „Darmkrebsmonat März“ – denn gerade dieser Krebs lässt sich bei rechtzeitiger Diagnose sehr gut behandeln. Perspek­tive LEBEN sprach dazu mit der Expertin Dr. Susanne Morlot. Sie ist Fachärztin für Humangenetik und Oberärztin am Institut für Humangenetik an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Eine familiäre Häufung ist bei etwa einem Viertel der Darmkrebspatienten nachzuweisen. Bei etwa jedem 20. Erkrankten ist eine Mutation in einem bestimmten Gen verantwortlich. Immerhin eine von 500 Personen ist Anlageträger für solch eine Genveränderung und damit von einem Tumordispositionssyndrom wie z.B. dem „Lynch-Syndrom“ betroffen, so Dr. Morlot. Bei einem Tumordispositionssyndrom wie dem Lynch-Syndrom treten infolge von erblichen Genveränderungen gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt deutlich häufiger bestimmte Krebserkrankungen auf.

Informationen und Aktionen zum Darmkrebsmonat März

Jährlich sterben allein in Deutschland über 25.000 Menschen an einer Darmkrebserkrankung. Dabei kann man kaum einer Krebsart so leicht vorbeugen. Durch Früherkennung könnten nahezu alle Fälle verhindert oder geheilt werden. Seit 2002 organisiert die Felix Burda Stiftung jährlich den Darmkrebsmonat März. In Zusammenarbeit mit der Stiftung LebensBlicke engagieren sich in diesem Monat Gesundheitsorganisationen, Unternehmen, Städte, Kliniken und Privatpersonen für die Darmkrebsvorsorge. www.felix-burda-stiftung.de

Darmkrebs: Folge einer erblichen Veranlagung

Es ist wichtig, dass Betroffene erkennen, ob in der Familie eine Veranlagung für den Darmkrebs besteht. „Die Familienvorgeschichte und die Vorgeschichte des Betroffenen geben dazu wichtige Hinweise“, sagt Dr. Morlot und ergänzt: „Sechs Fragen rund um die Krankengeschichte können einen Hinweis auf eine erbliche Veranlagung in der Familie geben.“

Die Fragen lauten:

  1. Wurde bei einem Verwandten ersten Grades des an Darmkrebs Erkrankten (Eltern, Geschwistern oder Kinder) ebenfalls Darmkrebs festgestellt?
  2. Wurde bei dem Erkrankten oder bei einem Verwandten vor dem 50. Lebensjahr Darmkrebs festgestellt?
  3. Wurden bei dem Erkrankten oder bei einem Verwandten gleichzeitig oder nacheinander zwei Krebserkrankungen in einem der Organe – Dickdarm, Dünndarm, Magen, Gebärmutter, Eierstöcke, Bauchspeicheldrüse, Gallenwege, ableitende Harnwege, Gehirn oder Talgdrüsen – festgestellt?
  4. Ist in der Familie bei einer Person Darmkrebs aufgetreten und zusätzlich bei mindestens einem erstgradigen Verwandten unter 50 Jahren ein Tumor in einem der in Frage 3 genannten Organe aufgetreten?
  5. Ist in der Familie eine Person an Darmkrebs erkrankt und sind noch mindestens zwei weitere Verwandte an einer Krebserkrankung eines der in Frage 3 genannten Organe erkrankt?
  6. Wurden in der Familie zahlreiche Polypen im Dickdarm festgestellt?

„Lauten alle Antworten ,Nein‘, besteht wahrscheinlich kein erhöhtes Darmkrebsrisiko in der Familie. Familienmitglieder sollten dennoch Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen“, erläutert Dr. Morlot. „Wurde nur die Frage 1 mit ,Ja‘ beantwortet, besteht ein erhöhtes Risiko für (erneuten) Darmkrebs in der Familie. Betroffene sollten engmaschigere Vorsorgeuntersuchungen durchführen und ihren Arzt darauf ansprechen.“ Wird jedoch mindestens eine der Fragen 2 bis 6 mit „Ja“ beantwortet, ist es sehr gut möglich, dass in der Familie eine erbliche Krebserkrankung vorliegt. „In diesen Fällen empfehlen wir dringend eine tumorgenetische Beratung zur weiteren Abklärung“, betont Dr. Morlot.

Sicherheit durch die tumorgenetische Beratung

Eine genetische Beratung bezüglich erblicher Krebserkrankungen steht allen Erkrankten und deren gesunden Verwandten offen. „Befürchten Sie, dass die in Ihrer Familie aufgetretene Krebserkrankung erblich bedingt ist, sollten Sie sich unbedingt genetisch beraten lassen“, lautet der Rat von Dr. Morlot.

Die tumorgenetische Beratung dauert in der Regel mindestens eine Stunde. Ein Facharzt für Humangenetik oder ein Arzt mit spezieller Schulung für genetisch bedingte Krebserkrankungen führt das Gespräch. Er erstellt dabei einen Stammbaum über mindestens drei Generationen und erläutert die genetischen Hintergründe erblicher Krebserkrankungen. Schließlich wertet er sämtliche Informationen aus. Erkennt er ein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung, wird eine genetische Untersuchung angeboten, jedoch entscheidet immer der – dann gut informierte – Patient, ob er diese genetische Untersuchung wünscht.

Genetische Untersuchungen: Aufschluss über das Krebsrisiko

Durch solche genetischen Untersuchungen kann der Verdacht einer erblich bedingten Krebserkrankung bestätigt werden. Dem Betroffenen wird ein Risikoprofil erstellt, das heißt, er erfährt, mit welcher Wahrscheinlichkeit er erneut an Darmkrebs oder anderen Krebserkrankungen erkranken kann. „Auf diesen Daten basierend, entwickeln wir für den Patienten dann ein individuelles Vorsorge- bzw. Früherkennungsprogramm. Wir empfehlen dann beispielsweise, in welchen Abständen er zukünftig zur Darmspiegelung gehen sollte“, erklärt Dr. Morlot.

Die Geschwister und Nachkommen von Trägern einer Genveränderung in einem Tumordispositionssyndrom tragen diese erbliche Genveränderung in der Hälfte der Fälle ebenfalls. Ist in der Familie eine genetische Veranlagung für Darmkrebs nachgewiesen worden, sollten sich daher alle Geschwister und Kinder zu einer genetischen Beratung vorstellen, in deren Rahmen dann ein Gentest durchgeführt werden kann. So klären die Humangenetiker, ob der jeweilige Verwandte eine Genveränderung in sich trägt oder nicht.

„Wenn der Verwandte die familiäre Mutation nicht geerbt hat, trägt er kein erhöhtes Risiko für die Krebserkrankungen und kann so entlastet werden. Hat der Verwandte die Veranlagung geerbt, besteht jedoch ein vergleichsweise hohes Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs und weiteren Krebserkrankungen wie Gebärmutterkörperkrebs“, berichtet Dr. Morlot. Die gute Nachricht lautet dann: „Durch geeignete Früherkennungsuntersuchungen bei diesen Risikopersonen entdecken wir jedoch heutzutage Tumoren und deren Vorstufen so rechtzeitig, dass sie frühzeitig und gut behandelt und meist geheilt werden können.“


Dr. Susanne Morlot, Fachärztin für Humangenetik und Oberärztin am Institut für Humangenetik an der Medizinischen Hochschule Hannover © privat