Darmkrebs Die Therapie wird zielgerichteter
Darmkrebs tritt meist in der Dickdarmschleimhaut auf und geht häufig aus Darmpolypen hervor. Je früher er erkannt und beseitigt wird, desto größer sind die Heilungschancen.
Das wichtigste Verfahren zur Behandlung von Darmkrebs ist die Operation. „Ziel ist es, den Tumor mit den angrenzenden Lymphknoten und möglichst sämtlichen Tochtergeschwülsten komplett zu entfernen. Gelingt dies, ist der Patient geheilt“, sagt Professor Dr. Jochen Wedemeyer. Der Darmkrebsexperte ist Leiter der Klinik für Innere Medizin im Klinikum Robert Koch im niedersächsischen Gehrden.
Wichtig: Absiedlungen des Tumors bekämpfen
Abhängig vomStadium folgt auf eine Operation eine adjuvante Therapie in Form einer Chemotherapie. „Diese Behandlung soll winzig kleine, nicht sichtbare Absiedlungen vernichten, die gegebenenfalls trotz einer gründlichen Operation im Körper verblieben sind“, erklärt Prof. Wedemeyer und ergänzt: „Die Erfahrung zeigt, dass wir so für den Patienten das Risiko vermindern, dass in den Folgejahren Tochtergeschwülste, Metastasen genannt, in anderen Organen auftreten.“ In besonderen Fällen, wie etwa beim Darmkrebs im Enddarm, setzen die Experten eine Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie vor einer Operation ein. Diese als neoadjuvante Therapie bezeichnete Behandlung soll lokale Lymphknotenabsiedlungen bekämpfen oder einen zu großen Tumor so weit verkleinern, dass man ihn wieder operieren und beispielsweise auch die Kontinenz erhalten kann.
Forschung hilft
Dank der Grundlagenforschung konnte die Chemotherapie optimiert werden. Medikamente wurden entwickelt, die zielgerichtete Therapieansätze möglich machen. Im Unterschied zu den Wirkstoffen der konventionellen Chemotherapie, die sämtliche im Körper befindlichen sich schnell teilenden Körperzellen bekämpfen, zielen diese neuen Wirkstoffe auf molekulare Prozesse in den Krebszellen und dem Krebswachstum ab. „Ein weiterer Vorteil dieser Behandlungen besteht darin, dass Patienten mit deutlich weniger Nebenwirkungen rechnen dürfen“, so Prof. Wedemeyer. Zielgerichtete Medikamente hemmen entweder die Neubildung der Blutgefäße, die den Tumor versorgen, oder sie blockieren das unkontrollierte Wachstum von Tumorzellen.
Die Blutversorgung des Tumors stören
Die Ärzte verstehen immer mehr die Biologie des Tumors: Wächst ein Tumor, braucht er Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut. Um die Versorgung damit sicherzustellen, verbindet er sich mit angrenzenden Blutbahnen. Dabei sendet er chemische Signale aus, die eigene Blutgefäße wachsen lassen. Diese Gefäßneubildung bezeichnet man fachsprachlich als Angiogenese. „Oberstes Ziel der Forscher war es somit, die Bildung von Blutgefäßen des Tumors zu hemmen und die wichtige Blutversorgung zu stoppen“, erklärt Prof. Wedemeyer und ergänzt: „Sie entwickelten in Folge spezielle Wirkstoffe, sogenannte Angiogenese-Hemmer, die genau dies bewirken.“
Die Bildung des Eiweißes VEGF spielt hierbei eine zentrale Rolle. Der Tumor schüttet das Eiweiß aus und es dockt an eine Bindungsstelle, dem VEGF-Rezeptor, auf der Oberfläche der Gefäßzellen an. Das führt zu dem Blutgefäßwachstum. Verhindert man das Andocken an den Rezeptor auf den Blutgefäßzellen, kann kein Wachstumssignal erfolgen und die Gefäßneubildung wird gehemmt – das Tumorwachstum unterbunden. Mittlerweile sind verschiedene Angiogenese-Hemmer im Einsatz. In der Regel werden sie kombiniert mit einer Chemotherapie eingesetzt.
Das Ziel: Zellwachstum stoppen
Andere zielgerichtete Medikamente unterdrücken das Wachstum von Tumorzellen. Gesunde Körperzellen teilen sich kontrolliert, Krebszellen hingegen unkontrolliert. Eine Zelle wächst, indem sich Botenstoffe beziehungsweise Wachstumsfaktoren an spezielle Bindungsstellen, den Rezeptoren, auf der Zelloberfläche anlagern. Aktiviert der Botenstoff den Rezeptor, wird ein Prozess in der Zelle gestartet, der zur Zellteilung, also zum Wachstum führt. Forscher schafften es, mit Medikamenten die Rezeptoren für Wachstumsbotenstoffe auf Krebszellen zu blockieren. Das Wachstum des Tumors wird gestoppt.
Onkologen nutzen bestimmte Eiweißstoffe, genauer gesagt monoklonale Antikörper, als Rezeptorblocker. Sie werden zur Behandlung bei fortgeschrittenem Darmkrebs eingesetzt. Die Antikörper richten sich gegen den Rezeptor des sogenannten EGF-Wachstumsfaktors auf Darmkrebszellen. Die Anwendung findet auch hier meist in Kombination mit einer Chemotherapie statt. „Diese zielgerichteten Therapien sind wichtige Optionen bei der Behandlung des Darmkrebses. Da sie leider noch nicht bei allen Patienten einsetzbar sind, lautet die große Herausforderung der kommenden Jahre, weiter zu forschen, damit immer mehr Betroffene von diesen Medikamenten profitieren können“, betont Prof. Wedemeyer.