Multiples Myelom Angriff auf die Plasmazellen – Eine einzige Zelle genügt

Autor: MPL-Redaktion

Beim Multiplen Myelom geraten die Plasmazellen aus den Fugen. © iStock/Shidlovski

Es handelt sich um eine bösartige Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark. Wie bei allen Krebserkrankungen entsteht dieser Knochenmarkkrebs meist durch die Entartung nur einer einzigen Zelle. In Deutschland erkranken etwa 6.000 Patienten pro Jahr an einem Multiplen Myelom. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bei etwa 70 Jahren.

Die Diagnose des Multiplen Myeloms ist relativ schwierig. Das liegt daran, dass die Krankheit eher selten auftritt und die Symptome meist unspezifisch sind. Viele Patienten klagen vor der Diagnose über Rückenschmerzen, ein Volksleiden also, bei der zunächst nicht an ein Multiples Myelom gedacht wird. Zudem gehört Blutarmut oft zu den ersten Anzeichen. Diese ist ebenfalls nicht ungewöhnlich und wird leicht auf andere Ursachen zurückgeführt. So vergehen oft viele Monate vom Ausbruch der Krankheit bis zur Diagnosestellung.

Perspektive LEBEN sprach mit dem Experten Professor Dr. Hartmut Goldschmidt über die Therapiemöglichkeiten. Er ist Leiter der Sektion Multiples Myelom der Medizinischen Klinik V und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg.

Mit Symptomen – oder ohne?

Nach der Diagnose lassen sich die Patienten in zwei Kategorien aufteilen: Die eine Kategorie ist die der asymptomatischen Patienten. Diese haben lediglich Eiweißveränderungen im Blut oder im Urin. Die andere beschreibt die der symptomatischen Patienten. Hier kann das Myelom bereits den Knochen angegriffen, die Nierenfunktion verschlechtert, die Blutbildung beeinträchtigt oder eine Kalziumerhöhung im Blut induziert haben. „In der Regel muss schnell gehandelt werden. Der Patient benötigt umgehend entsprechende Medikamente und Flüssigkeitszufuhr“, sagt Prof. Goldschmidt.

Die Therapie – abhängig vom körperlichen Zustand

Grundsätzlich wird die Therapie des symptomatischen Multiplen Myeloms mit den Patienten genau besprochen und geplant. Die Behandlung ist unter anderem abhängig vom gesundheitlichen Allgemeinzustand und vom Alter des Patienten. Die Faustregel lautet dabei: Je jünger und stabiler ein Patient ist, desto intensiver kann er behandelt werden.

Bei symptomatischen Patienten unter siebzig Jahren beginnt die Therapie in der Regel mit Medikamenten, die das Multiple Myelom möglichst schnell und weit zurückdrängen sollen. Diese Therapie dauert ungefähr vier Monate. „Danach sammeln wir Blutstammzellen und führen eine hochdosierte Therapie mit dem Medikament Melphalan durch, gefolgt von einer anschließenden Blutstammzelltransplantation“, erklärt Prof. Goldschmidt und ergänzt: „Bei bis zu 85 Prozent der Patienten kommt es so zu einer deutlichen Abschwächung der Symptome, auch Remission genannt. Diese kann über Jahre anhalten.“

Tritt die Erkrankung danach wieder auf, kann mit einer zweiten hochdosierten Therapie mit nachfolgender Blutstammzelltransplantation behandelt werden. Bei den meisten Patienten wird jedoch bei dem Wiederauftreten von Symptomen des Multiplen Myeloms eine Therapie mit neuen Medikamenten erfolgen.

Mit modernen Medikamenten auf Erfolgskurs

Ziel der modernen Therapien ist, möglichst alle im Körper verbliebenen Tumorzellen zu zerstören. Für junge Patienten ist die Hochdosistherapie weiterhin die beste Wahl der Behandlung. Allerdings schädigt die intensive Behandlung nicht nur die Krebszellen, sondern zerstört auch das blutbildende System im Knochenmark.

Deshalb werden vor Beginn Stammzellen aus dem Blut gesammelt und nach Abschluss der Behandlung wieder zurückgegeben. So kann sich das blutbildende System schnell erholen.

Die heutzutage angewendeten Medikamente zählen nicht mehr zu den klassischen Chemotherapeutika. Sie wirken deutlich spezifischer und somit wirkungsvoller. So stimulieren sie beispielsweise das Immunsystem zur Bekämpfung der Tumorzellen oder verhindern gezielt deren Wachstum.

Die Krankheit zurückdrängen

„Bei symptomatischen Patienten über siebzig wird die Blutstammzelltransplantation nur in Ausnahmefällen durchgeführt, da sie den Körper zu sehr belastet. Diese Patienten werden mit einer Kombination aus zwei oder drei Medikamenten behandelt“, so Prof. Goldschmidt. Die Therapie dauert sechs bis neun Monate. Das Multiple Myelom soll damit sehr weit zurückgedrängt werden.

„Watch and Wait“ – auch das ist eine hilfreiche Strategie „Asymptomatische Patienten behandeln wir in der Regel nicht. Hier nutzen wir die sogenannte Watch-and-Wait-Strategie. Wir warten also ab und schauen, wie die Krankheit sich entwickelt, oder behandeln in Studien mit neuen Medikamenten“, erläutert Prof. Goldschmidt.

Seit 2014 gibt es neue Kriterien für den Therapiebeginn. Neben den bisherigen Kriterien wurden Biomarker festgelegt, die einen früheren Therapiebeginn bedingen. Wenn beispielsweise mehr als 60 Prozent bösartige Plasmazellen im Knochenmark vorliegen, eine bestimmte Konzentration von Eiweißprodukten im Blut überschritten wird, oder wenn mehr als ein Erkrankungsherd in der Kernspintomographie vorliegt, dann spricht man von einem biomarkerpositiven Myelom. Dieses sollte dann auch behandelt werden. „Wir empfehlen allerdings bei diesen „biomarkerpositiven“ Patienten die Therapie in Studien“, so der Experte.

Welche Symptome hat die Krankheit?

Das Ausmaß der Bösartigkeit kann sehr unterschiedlich sein und reicht von Krebsvorstufen über nur langsam voranschreitende Krankheitsverläufe bis zu hochmalignen, ohne behandlung schnell zum Tod führenden Erkrankungen. Typische Krankheitssymptome entstehen durch das bösartige Wachstum der Plasmazellen oder durch die Eigenschaften der gebildeten Antikörper bzw. Antikörperbruchstücke. Das Wachstum der Plasmazellen führt zu Knochenschmerzen und Auflösung der Knochen, bis zu spontanen Knochenbrüchen, Anstieg des aus dem Knochen gelösten Kalziums im Blut und Abnahme der im Knochenmark gebildeten roten Blutkörperchen.

Eine vollständige Heilung ist in manchen Fällen möglich

Ob die eingeschlagene Therapie erfolgreich ist, kann beim Multiplen Myelom relativ leicht festgestellt werden. Es gibt Eiweißprodukte von den Tumorzellen, die sich im Blut oder Urin nachweisen lassen. Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich lässt sich somit der Behandlungserfolg kontrollieren.

„Zusätzlich überprüfen wir die Nierenfunktion, den Hämoglobingehalt im Blut und die Kalziumkonzentration im Blut. Auch mit diesen Ergebnissen lassen sich die Therapieerfolge messen.“

Das Multilpe Myelom galt lange Zeit als unheilbar. Das ist heute nicht mehr so. Prof. Goldschmidt ist davon überzeugt, dass ein Teil der Patienten vollständig geheilt werden kann: “Um das zu beweisen, brauchen wir eine lange Zeit der Nachbeobachtung. Oder wir brauchen Mechanismen, um zu sehen, dass die Tumorzellen nicht mehr nachweisbar sind. Wir arbeiten daran, Begleitmethoden zu entwickeln, um frühzeitig sagen zu können, dass nicht nur eine vollständige Remission, sondern auch eine Heilung erzielt wurden.“


Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt; Leiter der Sektion Multiples Myelom der Medizinischen Klinik V und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg © privat