Darmkrebs „Ich bin jetzt glücklicher als vor dem Krebs“
Mein Stuhlgang war damals irgendwie ungewohnt unregelmäßig. Ich nahm das lediglich zu Kenntnis. Beunruhigt war ich nicht. Das änderte sich, als ich eines Tages Blut in meinem Stuhl feststellte. Ich suchte umgehend einen Gastroenterologen auf. Er befragte und untersuchte mich eingehend, jedoch vorerst ohne Befund. Hämorrhoiden konnte er jedoch ausschließen. Genau darauf hatte ich allerdings gehofft.
Denn Hämorrhoiden sind harmlos, bluten aber hin und wieder. Das machte mir zu schaffen. Eigentlich erhoffte ich mir von dem Arztbesuch eine eindeutige Diagnose. Eine, die mich ruhig schlafen lassen würde. Mit Ungewissheit konnte ich noch nie gut umgehen.
Ich drängte auf eine Darmspiegelung
Auf mein Drängen hin wurde bereits zwei Tage später eine Darmspiegelung durchgeführt. Nur sie konnte eine genaue Diagnose liefern. Als ich aus der Narkose erwachte, fragte ich die Arzthelferin nach dem Ergebnis. Sie verwies auf das anschließende Arztgespräch. Ich merkte sofort, dass ihr meine Frage unangenehm erschien.
Die Minuten bis zum Gespräch waren für mich kaum zu ertragen. Ich hatte unglaubliche Angst. Als ich dann endlich hineingerufen wurde, bestätigte sich meine Vermutung. Ich war an einem bösartigen Darmtumor erkrankt. Das haute mich um.
In den darauffolgenden Tagen ließ ich in einer Darmkrebsklinik weitere Untersuchungen über mich ergehen. Ziel war es, das genaue Tumorstadium zu bestimmen. Es ist entscheidend für die Therapiestrategie.
Meine Fragen waren geradezu naiv – und das als Arzt!
Mich interessierten dagegen nur meine persönlichen Heilungschancen. Naiver Weise erwartete ich damals von den Kollegen eine exakte Quote. Ich hätte als Mediziner beziehungsweise aufgrund meiner Berufserfahrung wissen müssen, dass mir niemand zu einem solch frühen Zeitpunkt dazu etwas hätte sagen können. Und so kam es auch.
Positiv war, dass es keine Anzeichen für eine Metastasierung des Tumors gab. Und aufgrund seiner Lage musste ich auch nicht mit einem künstlichen Darmausgang rechnen. Rückblickend waren das sehr beruhigende Informationen. Zum damaligen Zeitpunkt halfen sie mir jedoch nur wenig. Ich wollte unbedingt Gewissheit erlangen. Gewissheit über die Krankheit in meinem Körper und wie sie zu bekämpfen war. Und natürlich wann ich geheilt sein würde. Das fraß mich auf.
Ich hoffte auf eine schnelle Operation – vergebens
Ich konzentrierte mich nun auf die anstehende Operation. Sie würde mich meiner Krankheit auf einen Schlag entledigen – dachte ich. Der nächste Rückschlag für meine angeschlagene Psyche kam unmittelbar nachdem ich diese aufbauenden Gedanken fasste: Die Tumorkonferenz hatte entschieden, dass vor der Operation eine sogenannte neoadjuvante Therapie erfolgen sollte. Mit einer speziellen Chemo- und Strahlenbehandlung wollte man den Tumor verkleinern, um ihn anschließend besser operieren zu können.
Warum ich? Wieso konnte ich nicht einen normalen Darmtumor haben? So lauteten meine verzweifelten Gedanken. Dabei handelte es sich seinerzeit um eine moderne Therapiestrategie. Es gab sichere Erkenntnisse, dass eine solche vorgeschaltete Behandlung die Heilungschancen erhöht. Diese Informationen beruhigten mich ein wenig – konnte ich doch das erste Mal mit besseren Chancen, mit Tendenzen rechnen, auch wenn mir noch die konkreten Zahlen fehlten.
Die Chemotherapie schlägt an
Die neoadjuvante Therapie dauerte sechs Wochen. Im Vergleich zu anderen Mitpatienten verkraftete ich das Ganze recht gut. Dumm war nur, dass danach erstmal eine Erholungsphase anstand. Die ersehnte Operation kam dann erst vier Wochen später. Also wieder eine Zeit der Ungewissheit! Wurde der Tumor tatsächlich verkleinert? Würde er sich besser operieren lassen? Erneut mussten die Antworten auf sich warten lassen. Die Erholungsphase tat mir aber körperlich sehr gut. Das verbesserte zugleich meine psychische Verfassung.
Am Vortag der Operation wurde dann eine Computertomographie durchgeführt. Sie sollte zeigen, ob sich der Tumor verkleinert hatte. Die diesbezügliche Besprechung mit dem behandelnden Arzt war für mich wie eine Erlösung! Der Tumor war deutlich geschrumpft. Einer erfolgreichen Operation stand nichts mehr im Wege. Endlich konnte der entscheidende Schritt erfolgen – raus mit dem Tumor, raus mit der Krankheit. Und so kam es tatsächlich. Alles verlief sehr gut. Und zum ersten Mal sprach der Onkologe über gute Heilungschancen. Das gab mir eine unglaubliche Kraft – einen totalen Schub! Die nachfolgende Chemotherapie dauerte nochmal vier Monate. Ich hatte damit wieder keine Probleme, denn ich war mir zu diesem Zeitpunkt einfach sicher, es zu schaffen. Die Ungewissheit war verflogen.
Ich habe neu gelernt, auf mich zu achten
Seit dieser intensiven Zeit lebe ich viel bewusster und somit automatisch intensiver. Ich schaue mehr nach rechts und links. Kann mich auch an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Meine Prioritäten sind verändert: Es geht mehr um mich und meine Familie. Ich arbeite jetzt, um zu leben – und nicht umgekehrt. Meinen Lebensstil habe ich kaum verändert. Ich ernähre mich besser, achte auf mein Gewicht und treibe regelmäßiger Sport als vor der Erkrankung. Es klingt komisch, aber einmal abgesehen von diesem schwierigen Jahr 2004, hat der Darmkrebs mich zu einem glücklicheren Menschen gemacht.