Abwarten als Strategie Non-Hodgkin-Lymphom: Krebs im lymphatischen System
Rund 17.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Non-Hodgkin-Lymphomen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei circa 65 Jahren. Das Non-Hodgkin-Lymphom ist eine sehr heterogene Krankheit, weil sie in unterschiedlichen Ausprägungen auftritt. So existieren etwa 40 Unterarten. Diese lassen sich grundsätzlich in aggressive und weniger aggressive Lymphome unterteilen, fachsprachlich hoch- und niedrigmaligne Lymphome.
Ohne Beschwerden keine Therapie
Bei niedrigmalignen Lymphomen ist teilweise kein Krankheitsbild vorhanden. Der Patient hat keine Beschwerden. „In diesen Fällen ist vorerst keine Therapie notwendig. Er wird nur regelmäßig untersucht und beobachtet“, sagt Prof. Borchmann. Die Experten bezeichnen das als eine Watchful-Waiting-Strategie. In solchen Fällen, bei denen nur kleine Lymphome vorliegen und der Patient beschwerdefrei ist, ist das Fortschreiten der Erkrankung unwahrscheinlich.
Das lymphatische System
Das lymphatische System ist ein Netzwerk aus verschiedenen Organen, die allesamt der Immunabwehr dienen. Das lymphatische System ist damit Teil des Immunsystems. Die Organe sind entweder über den Blutkreislauf oder über die Lymphgefäße miteinander verbunden und reagieren auf fremde Bakterien oder Viren mit einer Immunantwort. Zu den lymphatischen Organen gehören zum Beispiel die Milz, die Mandeln, Lymphgefäße, Lymphknoten und das Knochenmark.
Lediglich die genaue Ausbreitung des Lymphoms muss anfangs festgestellt werden – fachsprachlich wird das Staging genannt. Danach wird der Patient in bestimmten Zeitabständen nachbeobachtet – zu Beginn etwa alle drei und später alle sechs Monate. Zwischenzeitlich bestimmen die behandelnden Ärzte die Ausbreitung der Erkrankung neu. Ist sie unverändert, ist keine Therapie erforderlich.
In welchen Fällen der Arzt handeln muss
„Ist der Patient jedoch krank oder wurde ein hochmalignes Lymphom festgestellt, müssen wir handeln. Eine Therapie ist unumgänglich“, erklärt Prof. Borchmann und ergänzt: „Vorab stellen wir mit einem umfassenden Staging die Ausbreitung des Lymphoms fest, um anschließend die Therapiestrategie festlegen zu können.“ So untersuchen die Experten den Betroffenen mittels einer Computertomographie. Sie zeigt, welche Teile des Körpers betroffen sind. Auch führen sie eine Knochenmarkbiopsie durch, um zu schauen, ob das Knochenmark befallen ist.
Häufig: B-Zell-Lymphome
Bei hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen wird unabhängig von den Ergebnissen der Ausbreitungsdiagnostik stets eine standardisierte Therapie durchgeführt. Bei diesen Lymphomen handelt es sich in Europa in über 90 Prozent der Fälle um sogenannte B-Zell-Lymphome, die von B-Lymphozyten ausgehen. „Wir behandeln solche Lymphome stets systemisch. Das heißt, wir kombinieren eine Chemotherapie mit einer Immuntherapie, die auch als Antikörpertherapie bezeichnet wird“, sagt Prof. Borchmann. Ein Antikörper ist ein Molekül, das bestimmte Strukturen auf der Oberfläche von Tumoren erkennen kann, die auf keinen anderen lebenswichtigen Zellen vorkommen. So zerstört der Antikörper zielgerichtet den Tumor und schont gesunde Körperzellen.
Gute Prognosen
Den Erfolg der eingeschlagenen Therapieform erkennen die Experten nach ihrer Beendigung: Sie führen erneut ein Staging durch und überprüfen so die Stellen, an denen der Tumor lag. „Bereits während der Therapie schauen wir auf die zu Beginn vergrößerten Lymphknoten. Sind sie nach einer gewissen Zeit kleiner geworden, sind wir mit unserer Therapieentscheidung auf dem richtigen Weg“, erläutert Prof. Borchmann. Die gute Nachricht zu allen Non-Hodgkin-Lymphomen lautet: Die Chancen einer vollständigen Heilung sind relativ gut – dies gilt selbst noch für die aggressiven Varianten.
Gute Versorgung
Die Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen sollten Patienten von Spezialisten durchführen lassen. Etwa von niedergelassenen Fachärzten für Hämatologie und internistische Onkologie. Die Primärtherapie ist dabei standardisiert und kann in der Regel ambulant durchgeführt werden. „Bei einem Rückfall sollten Betroffene hingegen Hämatoonkologen an Unikliniken aufsuchen. Solche sogenannten Rezidive erfordern eine sehr spezielle Diagnostik und Behandlung“, stellt Prof. Borchmann fest und fügt abschließend hinzu: „Da eine Chemotherapie im Rezidiv häufig nur eine sehr begrenzte Wirksamkeit hat, kann es für die Patienten ein Vorteil sein, sich in einem Zentrum für Lymphome im Rahmen von Studien behandeln zu lassen.“