Wirkstoffgruppen Angiogenesehemmer: Den Tumor am Wachstum hindern

Autor: MPL-Redaktion

Die Angiogenesehemmer sorgen dafür, dass der Tumor nicht weiter wächst. © iStock/nicolas

Krebszellen sind auf eine Sauerstoff- und Nährstoffversorgung über das Blut angewiesen, genau wie andere Körperzellen auch. Ist der Tumor größer als zwei Millimeter, kann er seine Blutversorgung nur noch durch ein eigenes Gefäßsystem sicherstellen. Daher bildet er Stoffe, die eine verstärkte Blutgefäßversorgung bewirken. Dieser Prozess wird als Angiogenese bezeichnet.

Angiogenesehemmer gehören zu einer Gruppe von Arzneistoffen mit unterschiedlichem Wirkmechanismus. Ihre Gemeinsamkeit ist es, wie der Name schon andeutet, die Bildung neuer Blutgefäße zu unterdrücken und dadurch das Tumorwachstum zu hemmen. Perspektive LEBEN sprach mit Professor Dr. Tom Lüdde über die Einsatzmöglichkeiten am Beispiel eines Darmtumors.

Der Experte gehört zum Leitungsteam der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselkrankheiten und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen. Angiogenesehemmer blockieren Signalstoffe, die das Wachstum der Blutgefäße eines Tumors veranlassen, so der Experte. Das Wachstum des Tumors wird unterbunden.

Bei solchen Medikamenten handelt es sich in der Regel um Antikörper. „Weil ihre Wirkung spezifisch auf den Tumor gerichtet ist, sprechen wir hier auch von einer zielgerichteten Therapie. Im Gegensatz zu einer Chemo- oder Strahlentherapie schont sie nämlich weitestgehend das normale Gewebe“, sagt Prof. Lüdde.

1. Der Standard

Onkologen setzen Angiogenesehemmer zum Beispiel in der Therapie des Darm- und Magenkrebs ein. „Beim metastasierten Darmkrebs ist diese Therapieform bereits seit vielen Jahren etabliert. Hat der Darmtumor bereits Absiedlungen gebildet, zum Beispiel in der Leber, setzen wir neben anderen zielgerichteten Therapien und in Kombination mit klassischen Chemotherapeutika Angiogenesehemmer ein“, erklärt Prof. Lüdde. Sprechen Patienten gut auf die Therapie an, kann die Ausbreitung der Erkrankung gebremst werden.

2. In Kombination

Klinische Studien zeigen zudem weitere vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten von Angiogenesehemmern auf: Darmkrebspatienten mit Lebermetastasen, die initial nicht als operabel galten, wurden beispielsweise in einer klinischen Studie über mehr als zehn Jahre beobachtet. Die Patienten bekamen eine Kombinationstherapie aus einer Chemotherapie und Angiogenesehemmern. Zusätzlich wurden die Lebertumoren mit Radiofrequenzablation, einer Methode zur lokalen Zerstörung von Gewebe, schonend therapiert und in manchen Fällen auch operiert.

Die Studie zeigte, dass ein deutlicher Anteil der anfänglich inoperablen Patienten mit dieser Kombinationstherapie deutlich länger lebte. Die Kombination aus Chemotherapie, Angiogenesehemmern, Radiofrequenzablation und gegebenenfalls Operation könnte deshalb als Therapiekonzept neben anderen erfolgreichen Therapieansätzen neue Perspektiven für Patienten eröffnen. „Solche Ergebnisse unterstreichen einmal mehr, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen für bessere Prognosen wichtig ist“, so Prof. Lüdde.

3. So lange wie nötig

Die Behandlungsdauer mit Angiogenesehemmern ist unterschiedlich. „Zum Beispiel werden sie beim Darmkrebs in der Regel so lange eingesetzt, bis ihre Wirkung nachlässt. Das ist dann der Fall, wenn der Tumor wächst, obwohl das Medikament verabreicht wird“, erklärt Prof. Lüdde. Oft handelt es sich um längerfristige Therapien, die das Tumorwachstum unterbinden sollen. Mehrere Monate, unter Umständen sogar Jahre sind keine Seltenheit.

4. Unter Kontrolle

Eine weitere Stärke dieser zielgerichteten Therapie sind die vorhandenen, aber meistens relativ gut beherrschbaren Nebenwirkungen. Sie sind in der Regel für die Patienten im Vergleich zu anderen klassischen Chemotherapien meistens gut verträglich. Einige Betroffene entwickeln für die Behandlungsdauer einen Bluthochdruck oder Nierenprobleme. Seltenere Nebenwirkungen sind Thrombosen oder Blutungen. Grundsätzlich empfehlen Experten eine regelmäßige ärztliche Kontrolle während der Therapie.


Prof. Dr. Tom Lüdde, Leitender Oberarzt an der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselkrankheiten und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen © privat