Darmkrebs Den Tumor im Visier
Die Operation ist nach wie vor das wichtigste Verfahren zur Behandlung von Darmkrebs. Das Ziel ist es, den Tumor mit den angrenzenden Lymphknoten und möglichst sämtlichen Tochtergeschwülsten komplett zu entfernen. Gelingt dies, ist der Patient geheilt. Je nach Tumorart und -lage kann beim Darmkrebs nach zunächst erfolgreicher Operation das Risiko bestehen, dass in den Folgejahren Tochtergeschwülste, Metastasen genannt, in anderen Organen auftreten. Daher kommt oftmals eine nachfolgende Chemotherapie zum Einsatz. Sie soll diese winzig kleinen, nicht sichtbaren Absiedlungen vernichten. Die Ärzte sprechen dann von einer adjuvanten Therapie. In besonderen Fällen, wie bei Darmkrebs im Enddarm, setzen die Experten eine Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie vor einer Operation ein. Diese neo-adjuvante Therapie soll lokale Lymphknotenabsiedlungen bekämpfen oder einen zu großen Tumor so weit verkleinern, dass er wieder operabel ist.
Forschung für neue Therapien
In den letzten zehn Jahren hat sich bei der Darmkrebstherapie einiges getan. „Die Chemotherapie konnte immer weiter optimiert werden. Und Dank der Grundlagenforschung etablierten sich zielgerichtete Therapieansätze“, sagt Professor Dr. Jochen Wedemeyer. Der Darmkrebsexperte ist Chefarzt der Medizinischen Klinik I im Klinikum Robert Koch Gehrden. „Im Unterschied zu den Medikamenten der Chemotherapie, die alle im Körper befindlichen, sich schnell teilenden Körperzellen bekämpfen, zielen diese neuen Medikamente auf molekulare Prozesse in den Krebszellen und das Krebswachstum ab.“ Ein Vorteil: Starke Nebenwirkungen werden so weitestgehend vermieden. Zu den zielgerichteten Medikamenten zählen vor allem solche, die eine Neubildung der Blutgefäße hemmen, die den Tumor versorgen und solche, die das unkontrollierte Wachstum von Tumorzellen blockieren. „Die Grundlagenforscher entdeckten einen Botenstoff beziehungsweise ein Eiweiß, das eine Neubildung von Blutgefäßen des Tumors bewirkt. Dieses Eiweiß wird als vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor bezeichnet, auf Englisch Vascular Endothelial Growth Factor, kurz VEGF“, erklärt Prof. Wedemeyer. Diese Entdeckung war ein Durchbruch.
Blutgefäßwachstum hemmen
Wächst ein Tumor, braucht er Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut. Um die Versorgung damit sicherzustellen, verbindet er sich mit angrenzenden Blutbahnen. Dabei sendet er chemische Signale aus, die eigene Blutgefäße wachsen lassen. Diese Gefäßneubildung bezeichnet man fachsprachlich als Angiogenese. „Konsequenterweise war es daher ein Ziel der Forscher, die Bildung von Blutgefäßen des Tumors zu hemmen und so die wichtige Blutversorgung zu stoppen“, sagt Prof. Wedemeyer und ergänzt: „Man hat in Folge spezielle Wirkstoffe entwickelt, sogenannte Angiogenesehemmer, die genau dafür sorgen.“ Die Bildung des Eiweißes VEGF spielt hierbei eine zentrale Rolle. Der Tumor schüttet das Eiweiß aus und es dockt an eine Bindungsstelle, dem VEGF-Rezeptor, auf der Oberfläche der Gefäßzellen an. Das führt zu dem Blutgefäßwachstum. Verhindert man das Andocken an den Rezeptor auf den Blutgefäßzellen, kann kein Wachstumssignal erfolgen und die Gefäßneubildung wird gehemmt – das Tumorwachstum unterbunden. Mittlerweile sind verschiedene Angiogenesehemmer im Einsatz. In der Regel werden sie kombiniert mit einer Chemotherapie eingesetzt.
Zellwachstum stoppen
Eine andere Gruppe von zielgerichteten Medikamenten unterdrückt das Wachstum von Tumorzellen. Bei gesunden Körperzellen läuft die Zellteilung kontrolliert ab, bei Krebszellen hingegen unkontrolliert. Eine Zelle wächst, indem sich Botenstoffe beziehungsweise Wachstumsfaktoren an spezielle Bindungsstellen, den Rezeptoren, auf der Zelloberfläche anlagern. Aktiviert der Botenstoff den Rezeptor, wird ein Prozess in der Zelle gestartet, der zur Zellteilung, also zum Wachstum führt. Forscher haben es geschafft, mit Medikamenten die Rezeptoren für Wachstumsbotenstoffe auf Krebszellen zu blockieren. Der Tumor kann nicht weiterwachsen. „Als Rezeptorblocker werden bestimmte Eiweißstoffe, sogenannte monoklonale Antikörper, genutzt. Sie werden zur Behandlung bei fortgeschrittenem Darmkrebs eingesetzt“, erläutert Prof. Wedemeyer. Die Antikörper richten sich gegen den Rezeptor des sogenannten EGF-Wachstumsfaktors auf Darmkrebszellen. Die Anwendung findet auch hier meist in Kombination mit einer Chemotherapie statt. „Zielgerichtete Therapien stellen mittlerweile wichtige Optionen bei der Behandlung des Darmkrebses dar. Allerdings wirken nicht alle Therapien bei jedem Patienten erfolgreich beziehungsweise gleich“, betont Prof. Wedemeyer. Es gilt also, weiter zu forschen, mit dem Ziel immer mehr Betroffenen helfen zu können. Die Erfolge der letzten Jahre machen da große Hoffnung.