Leberkrebs Neue chirurgische Möglichkeiten beim Leberkarzinom

Autor: Dietmar Kupisch

Leberkrebs ist eine schwere Erkrankung – doch es gibt zunehmend Hoffnung. © Adiano – stock.adobe.com

Hierzulande erkranken rund 1200 Patienten jährlich an Leberkrebs. Die Patienten sind dann durchschnittlich zwischen 50 und 60 Jahre alt. Leberzirrhose gilt als Hauptrisikofaktor für die Entstehung.

Leberkrebs gilt als relativ schwere Krebserkrankung. Mit zahlreichen Therapieoptionen und neuen Behandlungsmöglichkeiten halten die Ärzte dagegen. Eine Methode der Heilung beim Leberkrebs ist die Chirurgie. Hierbei gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: die Leberteilentfernung, auch als Resektion bezeichnet, und die Lebertransplantation mit kompletter Entfernung des Tumors und dem Ersatz der häufig zusätzlich erkrankten Leber.

Perspektive LEBEN sprach mit dem Leberkrebsexperten Professor Dr. Ernst Klar. Er ist Direktor der Abteilung für Allgemeine-, Thorax-, Gefäß- und Transplantationschir­urgie an der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Rostock.

Teilentfernung der Leber

Welche chirurgische Möglichkeit infrage kommt, hängt vom Tumorstadium ab. Zu allererst prüfen die Ärzte, ob sie eine Leberteilentfernung durchführen können. Dabei wird lediglich der Teil der Leber he­rausgeschnitten, der vom Tumor befallen ist. Die Leber regeneriert anschließend schnell und wächst nach. „Abhängig ist ein solcher Eingriff allerdings von der Größe und Lage des Tumors. Liegt der Tumor ungünstig oder ist er zu groß, kann keine Resektion erfolgen“, so Prof. Klar.

Auch muss eine eventuelle Schädigung der Leber durch eine oftmals vorliegende Grunderkrankung berücksichtigt werden. Die Faustformel hierbei lautet: Ist die Leber gesund, müssen mindestens 20 Prozent verbleiben. Bei einer erkrankten Leber hingegen sind es mindestens 40 bis 50 Prozent. Ist ein solcher Restverbleib der Leber nicht möglich, ist die Transplantation die verbleibende Behandlungsmethode.

Lebertransplantation als Option

Bei einer Transplantation entfernen die Chirurgen die erkrankte Leber vollständig und ersetzen sie durch eine gesunde Spenderleber. „Der Tumor wird so zweifelsfrei entfernt. Damit ist der Patient geheilt – sowohl von seiner Vorerkrankung als auch von der Krebserkrankung“, so die Erfahrung von Prof. Klar. Nachfolgend muss dann eine sogenannte Immunsuppression durchgeführt werden: Das körpereigene Immunsystem wird künstlich geschwächt, damit es die neue Leber nicht abstößt – allerdings ist das Immunsystem zuständig für die körpereigene Krebskontrolle.

„Wir dürfen die Körperabwehr aber nur schwächen, wenn wir sicher sind, dass der entnommene Tumor keine Metastasen gebildet hat“, betont Prof. Klar und ergänzt: „Laut den sogenannten Mailand-Kriterien kann man nur transplantieren, wenn der Lebertumor nicht größer als fünf Zentimeter ist. Nur dann profitieren Patienten von einer Transplantation.“ Bei größeren Tumoren wäre die Wahrscheinlichkeit einer unentdeckten Metastasierung zu groß. Das Gleiche gilt, wenn mehr als drei Tumoren vorliegen.

Überbrückung der Wartezeit

Die durchschnittliche Wartezeit für eine Spenderleber beträgt zurzeit etwa ein Jahr. „Das bedeutet, trotz der Notwendigkeit für eine sofortige Transplantation müssen wir noch ein Jahr warten. Der Tumor würde in dieser Zeit weiterwachsen und gegebenenfalls so groß werden, dass er außerhalb der Mailand-Kriterien fiele“, erläutert Prof. Klar. Die Experten greifen dann zu Therapiemethoden, die das Wachstum des Tumors begrenzen und so die Wartezeit überbrücken: Damit der Tumor nicht weiter wächst, bringen Radiologen über die arteriellen Gefäße der Leber einen Katheter ein, der genau am Tumor platziert wird. Auf diesem Wege spritzen sie ein spezielles Chemotherapeutikum, das die Blutversorgung des Tumors blockiert und zusätzlich seine Zellen zerstört.

Tumorlast reduzieren

Sogenannte lokal-ablative Verfahren stellen eine weitere Option zur Behandlung des Leberkrebses dar. „Wir setzten die Radio-Frequenz-Ablation, kurz RFA, intraoperativ dann ein, wenn mehrere Tumoren über die Leber verteilt sind. Die Haupttumorlast wird durch Resektion beseitigt, kleinere zusätzliche Tumorherde können durch RFA unter Schonung des gesunden Lebergewebes zerstört werden“, erläutert Prof. Klar. Bei kleineren Lebertumoren bis zu 2 cm werden allein durch die RFA ohne Operation auch sehr gute Ergebnisse erzielt.

Für Patienten, die sich in einem höheren Tumorstadium befinden und für die eine Lebertransplantation nicht in Betracht gezogen werden kann, wurde in den letzten Jahren ein anderes lokal-ablatives Verfahren entwickelt. „Hier wird die Selektive Interne Radiotherapie, kurz SIRT, genutzt. Gesunde Zellen werden geschont und das erkrankte Gewebe sowohl von der Durchblutung ausgeschlossen wie auch von innen heraus gezielt bestrahlt. Die Behandlung erfolgt über einen Leistenkatheter“, beschreibt Prof. Klar das Verfahren.

Bei SIRT bringen die Radiologen mit einem Katheter Millionen winziger radioaktiver Mikrokügelchen in die Leberarterie ein, die für die Blutversorgung des Tumors verantwortlich ist. Diese wandern so direkt zum tumorösen Gewebe und zerstören es. Studien haben gezeigt, dass mit dieser relativ neuen Methode Tumoren in der Leber stark verkleinert werden können. Einige schrumpfen so weit, dass es möglich ist, diese später operativ zu entfernen. In Einzelfällen wird das bösartige Gewebe sogar komplett zerstört.

ALPPS – neues OP-Verfahren

Neuerdings nutzen Ärzte die Fähigkeit der Leber, schnell nachzuwachsen: Mit einem Operationsverfahren, das neues Lebergewebe noch schneller wachsen lässt, kann Krebspatienten geholfen werden, für die es bisher keine Therapie mehr gab – insbesondere bei Lebermetastasen.

Dieses neue Operationsverfahren wird als ALPPS (Associating Liver Partition and Portal Vein Ligation for Staged Hepatectomy) bezeichnet und erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird die Pfortader auf der tumortragenden Seite der Leber unterbunden und die Leber durchtrennt. Gleichzeitig werden mögliche zusätzliche Metastasen im linken Leberlappen entfernt. Dadurch wächst der linke Leberlappen außergewöhnlich schnell und erreicht die Fähigkeit, alleine die Organfunktion zu übernehmen. In einer zweiten Operation, die meist schon nach etwa zwei Wochen erfolgen kann, wird dann der rechte Leberlappen mit der Haupttumorlast entfernt.

Die Behandlung des Leberkrebses ist komplex. Sie beruht auf zahlreichen Entscheidungen und erfordert den Einsatz unterschiedlicher Experten – vor allem der Leberchirurgen, Onkologen, Hepatologen und Radiologen. „Diese notwendige Expertise finden Patienten nur in großen onkologischen Zentren“, lautet der Rat von Prof. Klar.


Prof. Dr. Ernst Klar, Direktor der Abteilung für Allgemeine-, Thorax-, Gefäß- und Transplantationschirurgie, Chirurgische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock © Privat