AML Akute Myeloische Leukämie: Fortschritte dank der Molekularbiologie
Bei der AML handelt es sich um eine Erkrankung der Blutstammzellen im Knochenmark, die zu einer Überproduktion von unreifen weißen Blutkörperchen führt. „Das ist gefährlich, weil es die normale Blutbildung verdrängen und damit zu lebensbedrohlichen Infektionen und Blutungen führen kann. Außerdem kann es bei dieser enormen Zellvermehrung zu Durchblutungsstörungen und Organversagen kommen“, erklärt Professor Dr. Uwe Martens.
Der Leukämie-Experte ist Direktor der Klinik für Innere Medizin III der SLK-Kliniken Heilbronn GmbH. Der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie, Gastroenterologie und Palliativmedizin erklärt, wie es nach der Diagnose AML weitergeht.
Zuerst die Unterform bestimmen
Es gibt verschiedene Unterformen der AML, die durch Genuntersuchungen bestimmt werden können. Dazu untersuchen Experten Blut- und Knochenmark des Patienten. Im Rahmen der Diagnostik müssen sie dann schnell entscheiden, ob unmittelbarer Handlungsbedarf besteht.
Einfluss hierauf haben die konkrete Unterform der AML und die vorliegende Wachstumsgeschwindigkeit. „Die Unterformen teilen wir nach unterschiedlichen Risikoprofilen ein. Um diese zu erkennen, wird der genetische Fingerabdruck der Erkrankung bestimmt. Erst danach erstellen wir die Therapiestrategie“, so Prof. Martens.
In einem nächsten Schritt untersuchen die Ärzte den Allgemeinzustand des Patienten, denn sie wissen: Je fitter der Patient, desto besser verträgt er die kraftraubende Therapie. Als Basisbehandlung dient meist eine intensive Chemotherapie. „Je nach Form der AML kann diese durch neue molekulare Therapieansätze ergänzt werden“, sagt Prof. Martens und erläutert: „Das sind sogenannte zielgerichtete Therapien. Zielgerichtet deshalb, weil die eingesetzten Medikamente nur die Krebszellen bekämpfen und andere Körperzellen möglichst schonen sollen. Für die AML mit FLT-3 Mutation ist 2017 ein neues Medikament zugelassen worden.“
Stationäre Behandlung – etwa vier Wochen
Die besondere Art der Chemotherapie zur Behandlung einer AML heißt Induktionstherapie. Sie erfolgt unter stationären Bedingungen für die Dauer von etwa sieben Tagen. Die Zytostatika bekommt der Patient in dieser Zeit über einen zentralen Venenkatheter zugeführt. Als Nebeneffekt der Behandlung sterben auch gesunde Zellen ab.
„Betroffene haben so für einige Wochen eine deutlich reduzierte Blutbildung. Wir geben ihnen daher für circa zwei bis drei Wochen Bluttransfusionen“, so Prof. Martens. Da auch die weißen Blutkörperchen vorübergehend sehr verringert sind, besteht die Gefahr von Infektionen. „Dagegen setzen wir Antibiotika und Medikamente gegen Pilzinfektionen ein. Insgesamt müssen Patienten sich auf einen Krankenhausaufenthalt von etwa vier Wochen einstellen“.
Durch die Therapie kann es zu Schleimhautentzündungen, Durchfällen und Haarausfall kommen. Patienten können jedoch vorbeugen, beispielsweise mit gründlicher Körperhygiene und Mundpflege, keimarmer Ernährung und ausreichender körperlicher Bewegung.
Es gibt AML-Formen, die nach einer Therapie zeitversetzt wieder auftreten können, auch wenn die Leukämie nach einer intensiven Chemotherapie zunächst nicht mehr sichtbar war. „Deshalb folgen nach einem Induktions-Chemotherapiezyklus als weitere Schritte mehrere sogenannte Konsolidierungszyklen“, erklärt Prof. Martens und fügt hinzu: „Je nach genetischem Fingerabdruck der Leukämie kann sogar eine Stammzelltransplantation notwendig sein, um die Heilungsraten hoch zu halten.“
Rechnet man nun sämtliche Behandlungsschritte bei einer AML zusammen, müssen sich Patienten auf einen Behandlungszeitraum von insgesamt rund sechs Monaten einstellen. Allerdings gibt es zwischenzeitlich immer wieder Unterbrechungen.
Behandlung nur in Fachkliniken
Betroffene sollten sich an eine Fachklinik für Hämatologie richten, die spezialisiert ist auf die Therapie von akuten Leukämien. Die behandelnden Ärzte haben Zugang zum neuesten Stand der Forschung. Sie sollten zudem an eine der deutschen AML-Studiengruppen angeschlossen sein. Hilfreiche Informationen bietet hierzu die Internetseite „Kompetenznetz Leukämien“ unter: www.kompetenznetz-leukaemie.de
Nicht-intensive Therapien
Die Durchführung dieser intensiven Therapien ist nicht immer möglich. Bei älteren Patienten, ab 65 Jahre, liegen oft Begleiterkrankungen vor. Daher werden hier auch nicht-intensive Therapien eingesetzt.
Sie erfolgen ambulant mit Infusionen oder Bauchspritzen, um die Zahl der Leukämiezellen zu verringern. Auch werden dabei Substanzen eingesetzt, die die Fehlfunktion der Stammzellen umprogrammieren sollen. Man spricht hier von einer epigenetischen Therapie.
Allerdings ist damit in den meisten Fällen keine Heilung möglich, sondern nur eine Lebensverlängerung. „Diese leichte Therapie ist in der Regel sehr gut verträglich und stellt eine Bereicherung in der Behandlung älterer Patienten dar“, erläutert Prof. Martens.
Eine Unterform der AML ist die akute Promyelozytenleukämie, kurz APL. Etwa fünf Prozent der AML-Patienten sind von ihr betroffen. Die Behandlung stellt eine Ausnahme dar. „Die APL wird heutzutage ohne eine Chemotherapie behandelt, nämlich mit Tretinoin, einem Vitamin-A-Säure-Derivat, und Arsen. Die Heilungsrate liegt hier bei rund 90 Prozent“, lautet die gute Nachricht von Prof. Martens.