Junge Patienten helfen jungen Patienten Mentoren geben Hoffnung – und Mut

Autor: Perspektive LEBEN

Junge Patienten, große Ängste: Eine Diagnose in jungen Jahren belastet umso schwerer. Denn die ganze Lebensplanung wird über den Haufen geworfen. Wer hilft mir jetzt? © REDPIXEL – stock.adobe.com

Junge Menschen erkranken selten an Krebs. Deshalb sind gleichaltrige Ansprechpartner auf den Stationen eher selten. Lesen Sie, wie sich ehemalige Patienten um ihre Altersgenossen kümmern können.

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erkranken zum guten Glück nur sehr selten an Krebs. Bei einer Erkrankung haben sie außerhalb spezialisierter Kinderstationen während der akuten Behandlung in den Krankenhäusern nur wenig oder keinen Kontakt mit anderen, gleich alten Patienten. Die positiven Wirkungen des persönlichen Erfahrungsaustauschs können so oft nicht entfaltet werden. Auch die beruhigende Erkenntnis, dass es anderen auch so geht oder „ich bin nicht alleine ...“, kann oft nicht vermittelt werden.

Vielen Patienten fehlt auch schlicht und einfach das Gespräch über Themen, die Kinder und Jugendliche beschäftigen. In Skandinavien wurde daher die Idee entwickelt, gereifte Jugendliche und junge Erwachsene als Gesprächspartner für junge Krebspatienten zu gewinnen. Das Besondere dabei ist: Diese sogenannten Mentoren haben alle selbst eine Krebserkrankung durchgemacht und den Krebs überwunden.

Die treibenden Kräfte

Seit einiger Zeit bauen auch in Deutschland immer mehr Kliniken ein Mentoren-Programm für die Betreuung von jungen Patienten auf. Auf Bundesebene ist die Deutsche Kinderkrebsstiftung die treibende Kraft bei der Aus- und Weiterbildung der Mentoren. Darüber hinaus kann sie Kontakte für Interessierte vermitteln.

Wie wird die Hilfe wirksam?

Das Mentoren-Projekt ist ein Selbsthilfeprojekt mit dem Ziel, den Austausch zwischen Betroffenen zu erleichtern. Damit bietet es den Jugendlichen die Möglichkeit, aus den Erfahrungen von ehemals an Krebs erkrankten jungen Menschen – den Mentoren – Hoffnung zu schöpfen und von ihrem Wissen zu profitieren. Das Waldpiraten-Camp ist ein Ferien-Freizeitcamp für krebskranke Kinder ab neun Jahren, junge Erwachsene und ihre Geschwister. Neben den nach Alter gruppierten Camps finden auch Camps allein für trauernde Geschwister statt.

Vor Ort werden diese Aktivitäten von regionalen Stiftungen und Fördervereinen finanziell und ideell vorangetrieben. Sie sorgen für den organisatorischen Rahmen und Betreuung der Mentoren. Auch der Förderverein für krebskranke Kinder Tübingen e.V. ist gerade dabei, ein solches Mentoren-Programm aufzubauen. „Wir sehen es als ganz wichtige Aufgabe unseres Fördervereins, krebskranken Kindern und Jugendlichen durch Mentoren, die selbst diese schwere Krankheitsphase durchlebt haben, Kraft und Mut zu geben“, so Anton Hofmann, der Vorsitzende des Fördervereins für krebskranke Kinder Tübingen. „Wir begrüßen und unterstützen die Anstrengungen, ein lebendiges Netzwerk von Mentoren für unsere jungen Krebspatienten aufzubauen, ausdrücklich“, betont Professor Dr. Rupert Handgretinger, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen. „Wir wissen nämlich sehr genau, wie wichtig und förderlich der Austausch mit Gleichaltrigen für die seelische Bewältigung einer Krebserkrankung ist.“

Die Mentoren wissen, worüber sie sprechen

Im Wortsinn bedeutet Mentor heute Ratgeber oder Berater. Aber im Unterschied zu vielen Ratgebern und Beratern müssen die Mentoren eigene Erfahrungen mit einer eigenen Krebserkrankung gemacht haben. Angeblich besonders gut darüber Bescheid zu wissen reicht für diese Art der Hilfe nämlich nicht aus. „Sie sprechen über sich selbst als von den sogenannten ,survivors‘ “, sagt Johanna Ringwald, Psychologin und Psychoonkologin im Förderverein für krebskranke Kinder Tübingen e. V. „Sie demonstrieren damit ganz deutlich, dass sie es geschafft haben, den Krebs hinter sich zu lassen.“

Das sagen die Mentoren

„Als ehemalige Krebspatientin möchte ich den Patienten Mut machen und ihnen mit meinem Dasein zeigen, dass ich den Krebs besiegt habe.“ – Leyla, 21 Jahre

„Ich möchte den erkrankten Kindern, Jugendlichen und deren Familien Mut machen, nach vorne zu schauen, für sie da sein und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind.“ Kathrin, 25 Jahre

„Kinder sollten Kinder sein und nicht Dauergäste in Kliniken. Selbst wenn wir etwas Kleines tun, gehen wir einen Schritt in die richtige Richtung.“ Iwan, 20 Jahre

Um Mentor für krebskranke Jugendliche und junge Erwachsene werden zu können, muss das 18. Lebensjahr vollendet sein sowie ein Auswahl- und Ausbildungsprogramm absolviert werden. Dabei werden die Interessenten von einem Psychologen interviewt. In diesem Interview wird geprüft, ob die Persönlichkeit schon weit genug gefestigt und die eigene Krebserkrankung bereits gut verarbeitet ist. „Das ist ganz wichtig“, sagt Johanna Ringwald. „Die Mentoren werden in den Gesprächen nämlich wieder mit der Krankheit konfrontiert und sollen dabei möglichst nicht selbst ins Wanken kommen.“

Wer Mentor werden will, muss lernen

Nach dem Bewerbungsverfahren werden die angehenden Mentoren in einem Wochenendkurs auf die Tätigkeit vorbereitet. Sie lernen, dass sie der Schweigepflicht unterliegen, wann sie professionelle Hilfe holen müssen, dass sie nicht in die Therapie eingreifen dürfen und wie Kommunikation gut glücken kann.

Danach stehen die ersten Besuche in der Klinik an. Gemeinsame Spieleabende, Wii-Sessions oder einfach nur Filme schauen, bringen dabei die Gespräche schnell in Gang. „Wir empfehlen den Mentoren, zu Beginn immer zu zweit den Kontakt mit den Patienten zu suchen“, sagt Johanna Ringwald. „So kann der eine auf den anderen achtgeben.“ Die erfahrene Psychoonkologin steht den Mentoren für Supervisionen beiseite. Sie ergänzt: „Die Arbeit mit den Patienten ist für die Mentoren auch eine Art, die eigene Krankheit weiter zu verarbeiten. Somit profitieren Patienten und Mentoren von diesem Programm.“


Johanna Ringwald, Psychologin und Psychoonkologin im Förderverein für krebskranke Kinder Tübingen e. V. © Privat