Brustkrebs Eine Ärztin als Krebspatientin: Feiern und reisen – für die Therapie blieb wenig Zeit
Wenn ich auf die Zeit zurückschaue, erinnere ich mich sofort an meine ersten Gedanken nach der Diagnose: „Hoffentlich kommt die Therapie meiner Asienreise und Geburtstagsfeier im März nicht in die Quere. Bis dahin muss sie erledigt und ich topfit sein.“ Ich stand etwa sieben Monate vor meinem 50. Geburtstag. Den wollte ich groß feiern, auf einem Bauernhof in der Nähe, mit Live-Musik und über 60 Gästen. Danach planten mein Mann und ich, drei Wochen durch Thailand, Vietnam und Kambodscha zu reisen. Wir hatten alles schon gebucht. Auf den Trip freuten wir uns seit Jahren. Aber auch die Feier war mir enorm wichtig.
Das Ganze begann mit einer Routineuntersuchung bei meiner Frauenärztin. Eigentlich gab es gar keinen Grund, meine Brust abzutasten. Auf ihre Frage, wie es mir denn so gehe, berichtete ich ihr plaudernd über gelegentliche Beschwerden im Brustbereich beim Laufen. Und dass ich diese bei einem befreundeten Sportmediziner abklären lassen wollte. Sie legte daraufhin Hand an und übte Druck auf meine linke Brust aus. Dabei wurde sie dann stutzig, hielt inne und tastete mein Gewebe ab. Ich hielt dies immer noch für eine Suche nach meinen unerklärlichen Stichen in der Brustgegend.
Doch sie war bereits auf einer anderen Fährte. Dann nahm sie meine Hand und führte sie zu einem kleinen Knoten im unteren linken Brustgewebe. Drei Tage später waren alle notwendigen Untersuchungen in der Medizinischen Hochschule in Hannover abgeschlossen. Diagnose: Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium mit Lymphknotenbefall.
„Ich setzte mir ein klares Ziel zur Therapie“
Aus den besagten Gründen drückte ich aufs Gas. Meine erste Frage bezog sich auf Beginn und Dauer der Therapie. Und ich machte deutlich, dass ich spätestens Mitte März fertig sein musste. Der behandelnde Onkologe zeigte sich sichtlich irritiert. Wahrscheinlich erwartete er gewohnheitsgemäß Fragen rund um die Prognose und die Art der Therapie. Eine Deadline hatte ihm höchstwahrscheinlich noch niemand gesetzt. Trotz der ernsten Situation konnte er sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Und als ich ebenfalls lachte, weil ich etwas für absurde Situationen übrig habe, musste er erneut mit einstimmen. Wir standen also im Besprechungszimmer und klopften uns auf die Schenkel.
Je fitter, desto schneller
Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, erklärte er mir die nächsten Schritte. Und natürlich konnte er die Zeiträume nicht genau beziffern. Aber er machte mir deutlich, dass vieles von meiner körperlichen und geistigen Konstitution abhinge. Kurzum: Je fitter und bereiter ich wäre, desto schneller würde die Therapie vorbei sein – vorausgesetzt, dass alles glattliefe.
Ich ging nach Hause und besprach das mit meinem Mann. Irgendwie war er genauso drauf wie ich. Der Erfolg der Therapie wurde überhaupt nicht infrage gestellt. Es ging nicht darum, ob, sondern nur wann ich wieder gesund sein würde. Spätestens würde dies Mitte März der Fall sein. So viel war klar. Und nicht ein einziges Mal sprachen wir darüber, die Reise zu verschieben. Im Gegenteil, wir feilten weiter an unseren Plänen.
Die richtige Einstellung half
Heute weiß ich, dass mir diese Einstellung und diese selbst gesetzten Ziele eine große Hilfe waren. Denn die Chemotherapie war hart. Sie machte mich körperlich phasenweise richtig fertig. Dennoch raffte ich mich immer wieder auf und trieb so gut es ging Sport. Ich meldete mich sogar in einem Fitness-Studio an. Ich durfte auf keinen Fall zu viel Muskulatur verlieren. Denn in Vietnam wollten wir lange Strecken wandern. Ich musste fit sein.
Ohne eine entsprechende Motivation wäre ich sicherlich nicht so fleißig gewesen. Eigentlich trieb ich nur einige Tage nach der Operation keinen Sport. Sonst immer – und wenn ich auch nur schnell in unserer Stadt spazieren ging, bis ich außer Atem war. Irgendwas ging immer.
Zusätzlich ernährte ich mich bewusst. Ich achtete auf Nahrungsmittel, die Energie liefern: gute Kohlenhydrate, Vitamine und Eiweiße, möglichst wenig Fett. Mein Mann machte alles mit, so gut er konnte. Und Angst hatte ich in diesen Tagen auch hin und wieder. Freilich dachte ich auch mal an den Tod. Doch alles in allem war ich zuversichtlich. Ich hielt mich an die Statistiken beziehungsweise an die relativ guten Prognosen bei meiner Art von Brustkrebs. Ja, ich hatte mich zwischenzeitlich auch danach erkundigt, so wie die meisten Betroffenen: 75 Prozent schafften das. Warum sollte ich zu den 25 Prozent gehören? Also verlor ich meine Ziele nie lange aus den Augen. Dafür sorgte allein schon mein Mann. Ständig schleppte er Reiseberichte und Bilder an.
Ziele setzen, nie aufgeben
Mitte Februar war ich mit meiner Therapie tatsächlich schon durch. Mein Arzt gratulierte und bescheinigte mir eine maximale Disziplin. Diese hätte einen erheblichen Anteil am Behandlungserfolg gehabt. Auch hob er meine positive Einstellung hervor, die ebenfalls sehr förderlich gewesen sei. Das wäre sogar wissenschaftlich erwiesen – so eine Art Placeboeffekt.
Ich erwähne dies nicht, um mir auf die Schulter zu klopfen. Ich möchte vielmehr Betroffenen damit Mut machen, es mir gleichzutun. Aufgeben ist keine Option, Ziele setzen schon. Zur Geburtstagsfeier war ich körperlich vollständig genesen. Ich feierte mit insgesamt 63 Gästen bis in den Morgen.
Zwei Tage später saßen wir im Flugzeug. Die Reise war – ehrlich gesagt – gar nicht so gut wie erwartet, aber das trübte meine Stimmung währenddessen überhaupt nicht. Ich genieße nämlich seit meiner Erkrankung das Leben – ganz egal in welcher Situation.