Eine Ärztin als Krebspatientin „Ehrlich gesagt: Angst vorm Brustkrebs hatte ich nicht wirklich“
Das nennt man wohl Ironie des Schicksals: In meinem Beruf habe ich so viele Patienten vor einer Operation narkotisiert, dass ich sie nicht mehr zähle. Nicht selten handelte es sich um Krebserkrankungen. Solche Eingriffe machten mich immer etwas betroffen, da ihr Ausgang manchmal ungewiss war. Anders als bei einer Blinddarm-Op. mit sicherer Prognose, lagen hier Menschen, die meist erst am Anfang ihrer Therapie standen.
Das bemerkte ich auch in den Aufklärungsgesprächen über die bevorstehende Narkose. Ihre Fragen und Sorgen hatten eine andere Perspektive, die Operation selbst war für sie oft nur Nebensache. Ich konnte das gut verstehen. Und dann lag ich im Frühjahr 2014 selbst auf dem Op.-Tisch.
Ich war sehr überrascht
Meine Diagnose überraschte mich seinerzeit sehr. Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet. Ich ging sicherlich viel zu unregelmäßig zur Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchung. Allerdings tastete ich stattdessen meine Brust selbst regelmäßig gründlich ab. Das verschaffte mir Sicherheit. Eine trügerische, wie sich herausstellte.
Anfang Januar 2014 bemerkte ich dann beim Joggen auf dem Laufband einen leichten Druck in der rechten Achselhöhle. Nach dem Lauf schaute ich mir das genauer an und stellte einen vergrößerten Lymphknoten fest. Das machte mich zunächst etwas nervös. Ich tastete daraufhin meine Brüste ab, vor allem meine rechte, konnte aber nichts feststellen.
Ich war beruhigt. Auch, weil der Zufall es so wollte, dass am übernächsten Tag ein Routinetermin bei meiner Frauenärztin anstand. Sie würde ich daraufhin ansprechen, würde der Knoten bis dahin überhaupt noch vorhanden sein. Doch das war er leider.
Meine Erfahrungen halfen mir
Meine Ärztin untersuchte den Knoten sehr genau, bevor sie meine Brüste abtastete. Und dann kam der Schock. Sie fand eine Geschwulst in meiner rechten Brust – im unteren Drittel mittig platziert. Sie führte meine Hand dorthin, und auch ich konnte es fühlen. Im ersten Augenblick ärgerte mich meine offensichtliche Unfähigkeit, mich selbst vernünftig untersuchen zu können.
Erst dann wurden mir die möglichen Konsequenzen des Befundes klar. Sie überwies mich sofort in eine Klinik. Der Ultraschall und die Mammographie bestätigten den Verdacht. Weitere Geschwülste wurden Gott sei Dank nicht gefunden. Die Biopsie zeigte aber schließlich, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelte. Das war also meine Diagnose. Und ich nahm sie hin. Sie war mir ja schließlich bekannt. Durch die Patientengespräche der letzten Jahre. Irgendwie half mir das.
Ich bekam das volle Programm
Ich informierte meinen Mann und meine zwei erwachsenen Kinder. Mir war es besonders wichtig, Zuversicht auszustrahlen. Spielen musste ich sie nicht, jedenfalls nicht allzu sehr. Ich wusste zwar, dass es keine Garantie für eine Heilung gab, vertraute jedoch in die moderne Medizin. In die Fortschritte, die in den letzten Jahren bei der Krebstherapie gemacht wurden. Ich war mir sicher, ich würde das schaffen. Alles andere war für mich keine Option.
Die Onkologen verordneten mir eine neoadjuvante Therapie. Rund zwei Monate bekam ich Zytostatika, die meinen Tumor verkleinern sollten. Anfangs war ich damit nicht so richtig einverstanden, wollte ich doch den Tumor so schnell wie möglich loswerden. Die Operation erfolgte jedoch erst als zweiter Therapieschritt. Die Chirurgen konnten aufgrund der vorangegangenen Chemo den Tumor sehr gut operieren. Die Brust konnte teilweise erhalten werden. Danach bekam ich für sechs Wochen noch einmal Medikamente und eine Strahlentherapie. Letztlich das volle Programm.
Ich änderte mein Leben behutsam
Während der langen Therapiezeit unterstützte mich meine Familie liebevoll. Wir sprachen viel über die Zukunft, machten gemeinsame Urlaubspläne. Das war neu. Urlaub hatten wir länger nicht mehr zusammen gemacht. Ich selbst dachte viel über mich und den Sinn meines Lebens nach. Das hört sich vielleicht sehr pathetisch an, es war aber so. Neben meinem fachlich rationalen Umgang mit der Krankheit brauchte ich wohl diesen emotionalen Ausgleich. Wahrscheinlich bekämpfte ich damit irgendwo vorhandene Ängste.
Kurz vor der Op. beschloss ich mein Leben zu ändern. Behutsam, nicht radikal, aber ich wollte nach der Therapie mehr für mich und meine Familie da sein. Und so kam es dann auch. Ich reduzierte meine Wochenarbeitszeit und verschaffte mir damit die nötige Freizeit. Mein Mann und ich sind in einen Tanzverein eingetreten. Jeden Donnerstag schweben wir nun über das Parkett. Das macht nach wie vor viel Spaß.
Ich habe jeden zweiten Freitag frei und nutze das oft, um für meine Familie zu kochen. Sicher ist die Nahrungsaufnahme dabei eher sekundär, es geht um das Zusammensein. Und unsere Pläne setzten wir um. So waren wir bereits zweimal im Familienurlaub, auf Malle und am Gardasee. Mein Job mache ich nach wie vor leidenschaftlich gern. Die Gespräche mit den Krebspatienten sind allerdings intensiver geworden.