Jung und Krebs „Es kann jede:n treffen“
Den Knoten in meiner Brust habe ich zufällig entdeckt, im April letzten Jahres, kurz nach meinem 27. Geburtstag. Zu dieser Zeit habe ich mein Kind noch gestillt und wollte eigentlich nur prüfen, in welcher Brust mehr Milch ist. Zunächst dachte ich, es wäre eine Entzündung durch das Stillen. Aber ich spürte doch recht schnell, dass es sich anders anfühlt.
Ich bin dann sofort zu meiner Frauenärztin gegangen. Dort war allerdings nur ihr Vater da, der das Problem zunächst nicht so ernst genommen hat. Er dachte, das wäre eine Verkalkung, die vom Stillen kommt. Er riet mir, in sechs Wochen wiederzukommen.
Meine Mutter hatte es geahnt
Natürlich war ich erleichtert, weil ich keine schlechte Nachricht bekommen wollte. Aber bei meiner Mutter gingen gleich die Alarmglocken an, weil ich als Baby schon mal Krebs hatte, ein Nebennierenrinden-Karzinom. Sie drängte mich, in die Klinik zu gehen und mich noch mal untersuchen zu lassen.
Ich rief in Heidelberg in der Uniklinik an, brauchte für einen Termin aber eine Überweisung. Als man dort hörte, dass ich schon den zweiten Termin bei meiner Gynäkologin in Aussicht hätte, riet man mir, den erst einmal abzuwarten. Also habe ich gewartet – sechs Wochen lang.
Meine Frauenärztin überwies mich nach der Untersuchung sofort in die Klinik. Eine Woche später bekam ich zur Mammografie auch eine Stanzbiopsie. Das bedeutete, dass ich sofort abstillen musste. Das war sehr hart für mich und mein Kind.
Bei dem Folgetermin eine Woche später bekam ich dann die Krebs-Diagnose. Der Arzt, der sie mir überbrachte, war leider sehr unsensibel, sodass ich diese Nachricht nicht richtig an mich heranlassen konnte. Ich konnte es einfach nicht glauben. Aber später, als ich alles realisierte, war es ein Schock für mich. Ab dem nächsten Tag war ich dann aber schon wieder zuversichtlich. Das liegt in meiner Natur.
Meine Mutter war in dieser Zeit sehr wichtig für mich. Wir haben sehr viel telefoniert. Das Problem: Durch Corona musste ich alles allein machen, durfte keine Begleitperson mitnehmen. Erschwerend kam hinzu, dass ich eine Hörschwäche habe und das, was mir die Ärzte hinter der Maske sagten, akustisch nicht so gut verstehen konnte. Deshalb konnte meine Mutter dann doch hin und wieder zum Gespräch mitkommen. Mein Partner ist gehörlos und noch im Studium und hat sich um unser Kind gekümmert. Er konnte also auch nicht mitkommen.
Diagnose Li-Fraumeni-Syndrom
In der Klinik wurde ich dann auch über die Behandlungsoptionen aufgeklärt. Ich wurde gefragt, ob ich Eizellen einfrieren möchte. Man empfahl mir eine genetische Testung und – falls es sich um einen genetischen Defekt handelt – man über eine Mastektomie nachdenkt.
Und so war es dann ja leider auch. Ich bekam die Diagnose Li-Fraumeni-Syndrom (LFS). Dieses Nebennierenrinden-Karzinom, das ich als Baby hatte, ist ein typisches Anzeichen für diesen Gendefekt. Ich habe auch mein Kind auf die TP53-Mutation testen lassen. Auf das Ergebnis haben wir einen Monat gewartet – eine schreckliche Zeit. Aber der Test war zum Glück negativ. Ich bin die Erste und hoffentlich Einzige aus der Familie mit diesem Gendefekt!
Ich habe dann zuerst die Chemotherapie bekommen und, da mein Tumor hormonrezeptorsensitiv war, auch eine Antihormontherapie. Danach folgte die OP. Wegen des Gendefekts ließ ich beide Brüste entfernen. Diese Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen, weil es bedeutet, dass ich nie mehr stillen kann. Aber ich weiß nicht, ob wir überhaupt noch ein zweites Kind bekommen werden, weil ich eigentlich nicht riskieren möchte, dass es denselben Gendefekt hat wie ich. Auch wollte ich nicht noch mal Brustkrebs bekommen, was mit LFS sehr wahrscheinlich gewesen wäre. Das wollte ich auch meinem Kind, meinem Partner und letztlich auch mir selbst nicht mehr antun.
Information und Austausch wichtig
Während der Chemo ging es mir richtig schlecht. Es war eine grausame Zeit. Mein Partner hat dann auch seine Prüfungen verschoben, denn ich konnte ihn bei der Betreuung unseres Kindes nicht entlasten.
Ich habe mich nach der Diagnose viel informiert, vor allem in den Broschüren der Deutschen Krebsgesellschaft. Zu den Behandlungsoptionen, aber auch zum Kinderwunsch, Ernährung, alternativen Möglichkeiten wie Akupunktur. An der Uniklinik in Heidelberg habe ich auch meine Eizellen einfrieren lassen. Während meiner Recherchen bin ich auf Facebook auch auf die Stiftung Junge Erwachsene mit Krebs gestoßen, bin auch regelmäßig zu Treffen der lokalen Gruppe gegangen. Dieser Austausch ist mir sehr wichtig. Vor allem mit jüngeren Menschen, die nicht so häufig betroffen sind.
Meine Prognose ist trotz der überstandenen Chemotherapie und Mastektomie ungewiss. Denn durch den Gendefekt LFS kann jederzeit an einer anderen Stelle, einem anderen Organ wieder Krebs ausbrechen. Deshalb muss ich hier auch regelmäßig viele Vorsorgemaßnahmen wahrnehmen, etwa einmal im Jahr Ganzkörper-MRT, Schädel-MRT, Hautkrebs-Screening. Dadurch fühle ich mich ganz gut aufgehoben.
Li-Fraumeni-Syndrom
Hierbei handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit. Betroffene mit LFS haben ein hohes Risiko, mehrfach an Krebs zu erkranken – oft schon im Kindes- und Jugendalter. Grund ist ein Fehler im Bauplan des „Genom-Wächters“ p53. Das Eiweiß repariert beschädigtes Erbmaterial. Gelingt das nicht, steigt deshalb das Krebsrisiko.
Mehr Vorsorge für Jüngere
Ich wünsche mir, dass es bestimmte Vorsorgeuntersuchungen auch schon für jüngere Leute gibt. Denn niemand weiß vorher, ob er einen Gendefekt hat. Und obwohl ich die Diagnose habe, bleibt die Übernahme der Kosten ein Kampf mit den Kassen. Hier würde ich mir wünschen, dass es Betroffenen leichter gemacht wird.
Auch wünsche ich mir, dass noch mehr zum Thema Krebs geforscht wird und es vielleicht bald Impfstoffe dagegen geben wird. Oder dass die Chemotherapie etwas angenehmer bzw. verträglicher wird. Ich hatte so viele Nebenwirkungen, gegen die ich dann auch wieder so viele Tabletten einnehmen musste.
Ich kann allen Frauen, auch den jüngeren, nur raten: Checkt regelmäßig eure Brüste! Der Krebs kann tatsächlich jede in jedem Alter treffen. Auch diejenigen, die sich gesund ernähren, sich viel bewegen, nicht rauchen und keinen Alkohol trinken. Und wenn man etwas ertastet, nicht von jemandem kleinreden lassen, sondern der Sache nachgehen. Denn es passiert sicher häufig, dass Frauen und ihre Bedenken nicht ernst genommen werden. Auch würde ich mir wünschen, dass alle Ärzte, die mit Krebspatienten zu tun haben, lernen, empathisch zu reagieren.