Selbsthilfe Wenn Patienten sich unsicher sind: Jeder hat das Recht auf Qualität und Information

Autor: MPL-Redaktion

Der Austausch zwischen Arzt und Patient sollte stets gut funktionieren. © iStock/Christian Horz

Operationen, Chemotherapien, Bestrahlungen, Psychoonkologie und so weiter: Patienten steht ein ganzes Bündel im Kampf gegen den Krebs zur Verfügung. Doch bekommt jeder das, was ihm laut Leitlinien, Recht und Gesetz zusteht?

Patientenorganisationen werden immer wieder mit Berichten konfrontiert, in denen Patienten äußern, dass ein Arzt bestimmte Behandlungen nicht durchführen kann, weil die Kosten dafür zu hoch sind oder „momentan“ kein Budget zur Verfügung steht.

„Diese Klagen sind sicherlich nicht an der Tagesordnung, werden aber in der jüngsten Vergangenheit immer häufiger“, sagt Anita Waldmann, 1. Vorsitzende der Leukämiehilfe Rhein-Main e.V. in Rüsselsheim. „Unsere Reaktionen auf solche Berichte ist ganz klar und eindeutig: In Deutschland hat jeder Patient ein Recht auf eine Behandlung nach dem aktuellen Stand der Medizin. Zur Not muss um dieses Recht gekämpft werden. Wir empfehlen den Patienten, unbedingt hartnäckig zu bleiben.“

Anita Waldmann – 27 Jahre im Dienst der Patienten

Im Jahr 1990 erkrankt ihr Sohn mit 25 Jahren an akuter lymphatischer Leukämie. Auf der Suche nach Informationen über die Krankheit, den Krankheitsverlauf und Therapiemöglichkeiten wird ihr schnell klar, dass laienverständliche Informationen kaum zu finden sind. Seit 1991 arbeitet Anita Waldmann daran, Mediziner-Deutsch in Patienten-Deutsch zu übersetzen, Patienten und deren Angehörige für die Selbsthilfe zu aktivieren und Organisationen zu gründen und zu leiten, die die Interessen von Tumorpatienten vertreten.

Ihre Arbeit wird national und international anerkannt, gefördert und gefordert. Führende Tumorzentren in Deutschland verweisen inzwischen auf Patienteninformationen, die Anita Waldmann mitverantwortet.

Die wichtige zweite Meinung

Immer dann, wenn ein Arzt sagt, dass eine bestimmte Behandlung zu teuer ist, kein Budget dafür vorhanden ist oder sich eine bestimmte Therapie nicht lohnt, sollte unbedingt eine zweite Meinung eingeholt werden. Dies gilt auch, wenn Patienten oder Angehörige das Gefühl haben, dass sie die Ärzte und Pfleger – trotz häufiger Nachfragen – nicht verstehen.

Auch wenn Beschwerden lange Zeit im Unklaren bleiben oder nicht behandelt werden, sollten Patienten konsequent eine zweite Meinung bei einem anderen Arzt einholen. Dabei gilt, dass der gute Arzt keine Angst vor einer zweiten Meinung hat: Er wird seine Diagnosen und Therapieentscheidungen immer gut begründen und damit verteidigen können.

„Die zweite Meinung  bitte rasch einholen!"

„Die zweite Meinung sollte lieber zu früh als zu spät eingeholt werden“, betont Waldmann. „Im Zweifel geht nämlich wertvolle Zeit verloren, die nicht mehr aufgeholt werden kann.“ Dies hat nichts mit Misstrauen zu tun, aber es geht um das eigene Überleben.

Wann immer möglich, sollte die zweite Meinung in einem spezialisierten Tumorzentrum eingeholt werden. Hier können sich Patienten sicher sein, dass sie entsprechend den neuesten Standards untersucht und beraten werden. Dies gilt für die Akut-Behandlung ebenso wie für die Nachsorge und insbesondere für die Nachsorge der Patienten, deren Erkrankung schon sehr lange zurückliegt.

Forderung

Je besser Patienten ihre Krankheit und die Behandlungsoptionen kennen und beurteilen können, umso aktiver können sie sich in die Behandlung einbringen und die Krankheit seelisch und körperlich bewältigen.

Dies setzt zum einen den Willen voraus, sich in die Materie einzuarbeiten. Auf der anderen Seite sind dafür auch Informationen notwendig, die patientengerecht aufbereitet sind. Patientenorganisationen beschäftigen sich seit Langem ganz intensiv damit, Patienten über die Erkrankungen aufzuklären und Behandlungskonzepte laiengerecht zu erläutern.

„Mehr Zeit für Gespräche zwischen Arzt und Patient"

Inzwischen werden Vertreter dieser Organisationen aktiv einbezogen, wenn Informationsmaterialien für Patienten entwickelt werden. Dazu arbeiten sie national und international auf Veranstaltungen der medizinischen Fachgesellschaften und dergleichen mit.

Besonderes Augenmerk legen sie dabei auf die patientengerechte Sprache von Informationsmaterial sowie auf Diagnose- und Therapiegespräche mit den Ärzten. „Studien weisen nämlich eindeutig darauf hin, dass die Therapietreue durch gute Informationen und Aufklärung verbessert werden kann“, betont Waldmann. „Unsere Forderung an die Politik ist daher, dass den Ärzten und Pflegern mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten gegeben wird. Davon profitieren die Patienten, ihre Angehörigen, die Kassen sowie die Ärzte und damit letztlich alle.“


Anita Waldmann, 1. Vorsitzende der Leukämiehilfe Rhein-Main e.V. in Rüsselsheim © privat