Selbsthilfe Betroffenen den Rücken stärken – Patiententage helfen, die Krankheit besser zu bewältigen

Autor: Heiko Schwöbel

Suchen Sie aktiv nach Kontakten, die Ihnen als Betroffenem weiterhelfen – zum Beispiel auf Patiententagen. © Daniel Berckmann – stock.adobe.com

 Im Klinikalltag und in der Praxis bleibt immer weniger Zeit für das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient. Dadurch werden wichtige und hilfreiche Informationen schlecht oder nicht kommuniziert. Aus diesem Grund sind Veranstaltungen wie Patiententage für Patienten, Ärzte und Pfleger wichtig, da diese die Informationslücken zum Teil ausgleichen.

Patiententage sind heute in vielen Kliniken und Zentren gut etabliert und fester Bestandteil des Jahresablaufs. Sie sind ein Treffpunkt für Betroffene, Ärzte, Forscher, Selbsthilfegruppen, Krankenkassen, Sanitätshäuser, Arzneimittelhersteller und andere Beteiligte des Gesundheitssystems.

„Die Mischung macht die Tage hochinteressant für Patienten und Angehörige“, sagt Evi Clus, Vorstand der Psychosozialen Krebsberatung Sigmaringen e.V. und Selbsthilfegruppenleiterin Gammertingen, Sigmaringen und Stetten a.k. M. „Keiner der Besucher und Teilnehmer geht mit leeren Händen nach Hause.“

Zukunftsweisende Informationen

Mediziner und Forscher stellen ihre neuesten und für Patienten relevanten Forschungsergebnisse vor. In den Vorträgen und Workshops werden laufende und geplante Studien präsentiert, in die Patienten unter bestimmten Bedingungen eingeschlossen werden können. In Kleingruppen werden Bewältigungsstrategien vorgestellt, von Experten Anregungen, Tipps und Tricks zu Kosmetik, Sport, Reisen und Entspannungsübungen gegeben.

„Auch der Austausch zwischen den Patienten wird intensiv unterstützt“, sagt Clus. „Das Allerwichtigste für mich ist an diesen Tagen der Kontakt mit den Ärzten. Auf diesen Veranstaltungen können sie sich die notwendige Zeit nehmen und über alles sprechen, was die Patienten bewegt.“

Im Alltag kein Raum für Gespräche

Schon seit langer Zeit beklagen Patienten, Ärzte und Pfleger, dass die Zeit für die Arbeit mit dem Patienten immer knapper wird. Für das ausführliche Gespräch in ruhiger Atmosphäre scheint kaum noch Raum zu bleiben. „Das Fatale ist, dass dies nicht nur den Patienten fehlt. Es ist viel mehr eine Folge der extremen Belastung der Ärzte und Pfleger“, sagt Clus.

„Aus den Rückmeldungen der Patienten in den Selbsthilfegruppen wird dies immer wieder deutlich. Patienten klagen über verschobene Operationen sowie über Ärzte, denen die überbordende Arbeitsbelastung anzusehen ist.“

Häufig sind Patiententage so gefragt, dass eine Anmeldung notwendig ist, um einen Platz zu ergattern. Deshalb rät Clus, sich frühzeitig über solche Informationstage zu informieren und anzumelden. Die Patiententage werden von den Kliniken im Internet veröffentlicht und in den regionalen Tageszeitungen beworben.

„Dass die Patiententage so stark gefragt sind, ist zu einem großen Teil das Ergebnis der wenigen Zeit, die für das Gespräch mit den Patienten bleibt“, betont sie. „Deshalb versuchen sich Patienten in solchen Veranstaltungen da­rüber zu informieren, wie sie die Krankheit möglichst gut bewältigen können.“

Appell an Patienten und Politik

Clus engagiert sich seit 20 Jahren ehrenamtlich für die Verbesserung der Situation krebskranker Menschen. Sie appelliert an die Patienten, diese Tage stark zu besuchen. Erstens profitieren sie immer persönlich davon und zweitens wird so den Verantwortlichen in den Kliniken gezeigt, dass die Belastung der Ärzte und Pfleger zu hoch ist. Ihnen wird damit der Rücken gestärkt.

Das heißt, dass die Information und Aufklärung über die Krankheit, Behandlung und Bewältigung zu kurz kommt. „Die Ärzte und Pfleger schaffen es einfach nicht mehr – ihnen wird zu viel aufgebürdet“, betont sie. Dies sei keineswegs ein Einzelfall, sondern fast überall die Situation.

„Die Politik muss die Verwaltungen und das Management im Gesundheitswesen an die Kette legen. Sie muss Ärzten und Pflegern mehr Zeit geben, ihre Arbeit verrichten zu können“, rät Evi Clus. „Aber das ist – so scheint es – nur möglich, wenn Politiker die Situation erfahren haben. Die Situation aus dem Hörensagen zu erfassen, reiche offensichtlich nicht.

Clus: „Glauben Sie mir, wenn ein Gesundheitspolitiker sieben Nachtschichten ohne PR-Berater und Bodyguard hintereinander in einer Notaufnahme, einer onkologischen Kinder- und einer Palliativstation miterlebt hat, kommt er zu anderen als den bisherigen Entscheidungen.“ Die engagierte Ehrenamtlerin und Trägerin des Bundesverdienstordens verspricht jedem dabei zu helfen, ein solches „Kurzpraktikum“ zu organisieren.


Evi Clus, Vorstand der Psychosozialen Krebsberatung Sigmaringen e.V. und Selbsthilfegruppenleiterin Gammertingen, Sigmaringen und Stetten a.k.M. © Privat