Krankengeld und Rente Wenn die Kasse zur Rente drängt

Autor: MPL-Redaktion

Bitte beachten Sie bei der Berechnung des Krankengeldes, dass Überstunden und Zuschläge mit berücksichtigt werden. © Coloures-Pic – stock.adobe.com

Krebsbehandlungen können oft lange Zeit in Anspruch nehmen. Lesen Sie hier, welche Leistungen Sie von Arbeitgeber, Versicherungen und Rentenkassen erwarten können.

Vor dem Gesetz ist Krebs eine Krankheit wie jede andere. Das heißt, der Arbeitgeber muss sechs Wochen den Lohn weiter bezahlen, wenn der Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Krankmeldung länger als vier Wochen im Betrieb beschäftigt war. Diese Regelungen gelten auch für geringfügig Beschäftigte. „Was viele Arbeitnehmer nicht wissen: Auch die Sonntags- und Nachtzuschläge und andere Zulagen müssen weiter bezahlt werden“, sagt Sascha Pfingsttag, Fachanwalt für Sozialrecht in Reutlingen. „Und zwar immer dann, wenn die Arbeitnehmer für diese zulagefähigen Arbeitszeiten oder Arbeiten eingeplant waren.“ Bei den Überstunden gibt es häufig Diskussionen. Aber auch hierzu gibt es inzwischen eindeutige Urteile. „Grundlage der Berechnung des Krankengelds ist die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten 12 Monate“, betont Pfingsttag.

Krankengeld oder Rente?

Voraussetzung dieser Entgeltfortzahlung ist, dass der Arbeitnehmer eine sogenannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) beim Arbeitgeber vorlegt. Im Arbeitsvertrag ist festgelegt, ab wann der Mitarbeiter die AU, auch gelber Zettel genannt, vorgelegen muss. Die Sechswochenfrist gilt für jede neue Grunderkrankung von Neuem – auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit immer wieder unterbrochen wird. Nach sechs Wochen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bezahlen die Krankenkassen das sogenannte Krankengeld. Allerdings übernehmen die Kassen nur 70 Prozent des Nettolohns und nicht mehr als etwa 100 Euro pro Tag. Hinzu kommt, dass das Krankengeld innerhalb von drei Jahren für höchstens 78 Wochen bezahlt wird. Auch hier beziehen sich die Fristen und Grenzen immer auf ein und dieselbe Grunderkrankung. Wie bei der Entgeltfortzahlung kann die Arbeitsunfähigkeit immer wieder unterbrochen sein. Bedingungen sind, dass die Kette der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Zeiten entgeltlicher Arbeit zu keinem Zeitpunkt unterbrochen sein darf und dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit grundsätzlich möglich sein muss. Wenn nach 78 Wochen Krankengeldbezug die Arbeitskraft nicht wiederhergestellt ist, übernehmen die Rentenversicherungen oder andere Sicherungssysteme die Versorgung. Dabei gilt meist, dass die Entgeltfortzahlung höher als das Krankengeld und das Krankengeld immer höher als die Rentenzahlung ausfällt. „Daraus resultieren immer wieder Streitereien“, sagt Pfingsttag. „Denn nicht immer sind die Sachverhalte eindeutig.“ Krankenkassen drängen manche Patienten nämlich dazu, noch während der Laufzeit des Krankengeldes Rentenanträge zu stellen.

Mit Hilfe des Anwalts

Sie unterstellen dann direkt oder indirekt, dass die Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden kann und daher die Rentenkassen die Versorgung übernehmen sollen. Manchmal wird damit gedroht, dass das Krankengeld ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht weiterbezahlt werden wird. „Spätestens jetzt sollte ein Anwalt mit dem Schwerpunkt Sozialrecht eingeschaltet werden“, rät Pfingsttag. „Er weiß genau, wie solchen Forderungen der Kassen begegnet werden muss.“ Zunächst wird er in einem Gespräch mit der Krankenkasse den Sachverhalt abklären und eine einvernehmliche Lösung anstreben. Gelingt dies nicht, wird der unabhängige Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) eingeschaltet, der die Chance auf Wiederherstellung der Arbeitskraft prüft. Bringt dieser Schritt auch keine Lösung, bleibt immer der Weg zum Gericht, um den Sachverhalt zu prüfen. Dieser Weg sollte immer durch einen Anwalt begleitet werden. Die Kosten hierfür betragen im ersten Schritt rund 200 Euro. Mit einem entsprechenden Rechtsschutz sind die Beratung und das Verfahren meist kostenlos. Für Mittellose kann Beratungs- und Prozesskostenhilfe bei den Gerichten beantragt werden.

Rente! Aber welche?

Unser staatliches Rentensystem umfasst im Wesentlichen die Alters-, Erwerbsminderungs-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrenten. Die Altersrenten werden ausbezahlt, wenn bestimmte Versicherungszeiten und ein bestimmtes Lebensalter erreicht sind. Diese Renten sind der Normalfall, wenn im Leben alles glatt gelaufen ist. Ganz anders ist dies bei den Erwerbsminderungs-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrenten. Sie können nur beantragt werden, wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt oder Angehörige gestorben sind.

Welche Rente in welchem Fall beantragt werden kann, hängt von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt dabei, dass eine Altersrente meist höher als eine Erwerbsminderungs- oder Berufsunfähigkeitsrente ist. Hinterbliebenenrenten (Witwen- und Waisenrenten) kommen nur im Fall der Fälle zum Tragen. „Ohne Hilfe können diese Anträge meist gar nicht gestellt werden. Deshalb rate ich, immer den Sozialdienst der Krankenhäuser oder der Rehabilitations-Einrichtungen mit einzubeziehen“, sagt Pfingsttag. „Wenn die Patienten bereits wieder zu Hause sind, helfen Bürgerämter, Rentenversicherungen und Krankenkassen weiter.“

Privat vorgesorgt?

Neben den staatlichen Renten bieten auch Versicherungen Renten, Einmalzahlungen und Betragsbefreiungen bei Unfällen, Krankheit oder Berufs- und Erwerbsunfähigkeit an. Oft sind diese Lebens- oder Unfallversicherungen kombiniert und nicht auf Anhieb in der Police oder Beitragsrechnung zu entdecken. Solche Versicherungen können privat aber auch durch den Arbeitgeber, die Gewerkschaft, Verbände und Vereine geführt und bezahlt werden. „Deshalb muss genau geprüft werden, ob und wo solche Versicherungen bestehen“, rät Pfingsttag. „Dazu müssen alle Unterlagen durchgeschaut werden. Die Versicherungsunterlagen ebenso wie das Bankkonto und die Gehaltszettel“, so der Anwalt. In derartigen Verträgen sind meist Fristen vereinbart, die unbedingt eingehalten werden müssen. Hierauf muss besonders geachtet werden.

Wenn entsprechende Hinweise gefunden werden, reicht meist ein Anruf, um die Unterlagen von den Versicherungen zu erhalten. Dann ist zu prüfen, ob Leistungen aus den Versicherungen zu erwarten sind. „Stellt sich eine Versicherung quer, sollte rasch ein Anwalt hinzugezogen werden“, sagt Pfingsttag. „Die Formulare müssen möglichst genau und akkurat ausgefüllt werden, um rasch Leistungen von den Versicherungen zu bekommen.“


Sascha Pfingsttag; Fachanwalt für Sozialrecht in Reutlingen © privat