Pflege Soll ich meinen Angehörigen selber pflegen?
Es ist normal und richtig, dass Angehörige eines Krebspatienten helfen möchten. Die Situation, gerade anfangs nach der Diagnosestellung, ist jedoch unübersichtlich. Die Beteiligten wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, was genau zu tun ist und wie der Betroffene auf Unterstützung reagiert. Auch kennen sich Laien üblicherweise nicht mit einer Krebserkrankung aus.
Nicht einfach drauflospflegen
„Genaue Tipps für die Anfangszeit gibt es nicht. Wir empfehlen Angehörigen, das Gespräch mit dem Betroffenen zu suchen. Fragen, wie er sich fühlt und was er möchte, sind wichtig“, betont Kerstin Paradies. „Zudem sollten sie ihren Angehörigen zu den Arztbesuchen begleiten. Auch dort gibt es viele nützliche Infos. Nur wer informiert ist, kann auch gezielt helfen.“
Der regelmäßige Dialog zwischen Angehörigen und Betroffenem ist somit wichtig. Dies auch, weil sich im Krankheitsverlauf die Bedürfnisse verändern können. Dies gilt es zu erkennen. Zum Beispiel kann vor der Therapie ein starker Wunsch nach Nähe und Zuneigung bestehen. Während der Behandlungen möchte der Patient dann vielleicht lieber öfter alleine sein.
Pflegen: Was bedeutet das eigentlich?
Neben der Informationsbeschaffung hat das Reden mit dem Betroffenen auch eine weitere wichtige Funktion. „Die seelische Belastung ist für die meisten Krebspatienten groß. Einige haben Angst um ihre Existenz und um ihre Zukunft“, weiß Kerstin Paradies und erläutert: „Angehörige sollten deshalb unbedingt Trost und Zuversicht spenden. Die seelische Pflege ist gerade in den ersten Monaten von zentraler Bedeutung.“
Dazu gehört sicherlich – gerade während der Therapie – auch die Stärkung der Motivation des Betroffenen. Eine Chemotherapie ist oft anstrengend. Patienten müssen sich immer wieder aufs Neue überwinden – müssen immer wieder die Nebenwirkungen ertragen. „Angehörige können hierbei eine große Hilfe sein. Sie können den Betroffenen motivieren, ablenken und versuchen, ihm eine gute Lebensqualität zu bescheren“, so Kerstin Paradies.
Ganz wichtig: das Gespräch miteinander
Auch Psychoonkologen raten zum regelmäßigen Dialog mit den Angehörigen. Ziel sollte sein herauszufinden, was der Betroffene möchte und was man für ihn tun kann. Drauflos zu raten, wäre in solchen Situationen falsch. Anteilnahme zeigen ist hingegen die richtige Verhaltensweise: Angehörige und Freunde ziehen sich mitunter zurück, weil sie sich fürchten, etwas falsch zu machen. Den meisten Menschen geht es aber besser, wenn sie wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Psychoonkologen betonen ferner, dass Angehörige stets auf die Selbstbestimmtheit der Betroffenen achten müssen: Auch wenn es manchmal länger dauert oder nicht so gut klappt – Angehörige sollten nicht ohne Rückfrage für Betroffene handeln oder über ihren Kopf hinweg Entscheidungen treffen. Langfristig profitieren Patienten nämlich oft davon, wenn ihnen nicht alle Aufgaben abgenommen werden.
Grenzen beachten
Neben dem Pflegen der Seele kann je nach Art oder Stadium der Erkrankung eine körperliche Pflege notwendig sein. „Hier können sich Angehörige an vielen Stellen nützlich machen. Vom täglichen An- und Ausziehen der Kleidung, über den Einkauf von Lebensmitteln bis hin zur hygienischen Unterstützung“, erklärt Kerstin Paradies und betont: „Natürlich stoßen Angehörige hierbei auch an ihre Grenzen.
So ist beispielsweise das Waschen eines Stomaträgers nicht einfach – und erfordert spezielle Kenntnisse.“ Daher sollten alle Pflegemaßnahmen mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Angehörige sollten somit regelmäßig hinterfragen, ob sie ihren Aufgaben an allen Stellen gewachsen sind. „Das gilt sowohl für die seelische als auch für die körperliche Pflege. Im Zweifel müssen die jeweiligen Fachleute eingeschaltet werden, also etwa ein Psychoonkologe oder Pflegepersonal“, sagt Kerstin Paradies.
Sich auf den Angehörigen einlassen
Ansonsten ist erlaubt, was Spaß macht. Angehörige dürfen sich auf den Patienten einlassen. Gerade in der Therapiephase geht es um Ausgleich, Ablenkung und darum, die Lebensqualität möglichst aufrecht zu erhalten.
„Selbst wenn die Essgewohnheiten eigentlich bisher andere waren, darf der Angehörige Gerichte kochen, die der Patient nun gerne will. Es geht nämlich in diesem Augenblick nicht mehr um ernährungsphysiologische Perfektion auf der Speisekarte, sondern um Lust und Genuss“, schildert Kerstin Paradies. „Wenn Currywurst mit Pommes gerade das Richtige ist, gehört sie auf den Teller. In der Phase der Rehabilitation sollte dann natürlich wieder auf eine gesunde Ernährung geachtet werden.“