Brustkrebs Immer mehr Optionen dank systemischer Therapien

Autor: Dietmar Kupisch

Die Therapien werden individueller: Zielgerichtete Behandlungen kommen vermehrt zum Einsatz. © Song_about_summer – stock.adobe.com

Die Aussichten Betroffener sind im Vergleich recht gut: In einem frühen Stadium entdeckt, werden mittlerweile mehr als 90 Prozent der Erkrankten geheilt. Selbst über alle Tumorstadien hinweg, liegt die Quote bei etwa 80 Prozent, und seit einigen Jahren sinkt die Brustkrebssterblichkeit kontinuierlich. Einen großen Anteil an diesem Erfolg haben die sogenannten systemischen Therapien. Perspektive LEBEN berichtet über den aktuellen Stand der Behandlungsmöglichkeiten.

Zur wirksamen Bekämpfung des Tumors stehen unterschiedliche Therapien zur Verfügung. Nach wie vor ist eine Operation bei Brustkrebs in der heilbaren Situation das Mittel der ersten Wahl. Daneben nutzen die Experten aber noch viele weitere Möglichkeiten, die abhängig von der genauen Klassifikation des Tumors und meist ergänzend zur Operation durchgeführt werden, wie zum Beispiel die Bestrahlung. Neben diesen lokalen Therapien kommen sogenannte systemische Therapien zum Einsatz. Hierzu zählen beispielsweise die Chemotherapie, Antihormontherapie und zielgerichtete Therapien, wie die Immuntherapie, die häufig bereits vor der Operation, also neoadjuvant, eingesetzt werden. Alle entfalten ihre Wirkung systemisch, das bedeutet im ganzen Körper.

Optimale Behandlung in zertifizierten Brustzentren

„Die Krebsforschung zeigt, dass die Heilungschancen dank neuer beziehungsweise wirksamerer Therapieansätze steigen. Vor allem Frauen mit Brustkrebs, die entsprechend der wissenschaftlichen Leitlinien für Diagnostik, Therapie und Nachsorge behandelt werden, haben eine deutlich bessere Überlebenschance sowie ein niedrigeres Risiko einer Wiedererkrankung“, weiß Professor Dr. Peter Mallmann. Der Brustkrebsexperte ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Köln. Er betont: „Eine optimale Behandlung auf Basis von interdisziplinär entwickelten Strategien erhalten Betroffene nur in speziellen, zertifizierten Brustzentren“.

Tumortyp bestimmt Strategie

Die Wahl der Behandlungsstrategie hängt heutzutage von der Biologie des Tumors beziehungsweise vom Tumortyp ab – weniger vom Lymphknotenbefall, der früher als zentrale Entscheidungsgrundlage galt. Meist entfernen Brustoperateure somit nur noch den sogenannten Wächterlymphknoten, also den im Lymphabflussgebiet eines Primärtumors an erster Stelle liegenden Lymphknoten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Lymphknoten in der Achselhöhle nach Tast- und Ultraschallbefund unauffällig sind. „Aktuelle Studien zeigen, dass die Entfernung weiterer Lymphknoten aus der Achselhöhle auch bei Befall des Wächterlymphknotens in vielen Fällen nicht mehr notwendig ist“, erklärt Prof. Mallmann. „Früher war außerdem bei Befall der Lymphknoten die Durchführung einer Chemotherapie angezeigt, heutzutage kann in bestimmten Fällen bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren auch bei befallenen Lymphknoten auf eine Chemotherapie verzichtet werden. Auf der anderen Seite wissen wir, dass besonders junge Patientinnen mit einem ausgedehnten Lymphknotenbefall in der Achselhöhle von einer intensiveren Chemotherapie profitieren.“

Hier finden Sie weitere Antworten

Nach einer Brustkrebsdiagnose gehen den meisten Patienten eine Menge Fragen durch den Kopf: Wie geht es jetzt weiter, was kommt auf mich zu und haben meine Kinder vielleicht auch ein erhöhtes Krebsrisiko? Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg bietet aktuelle, fundierte Informationen rund um die Krankheit. Sollten dennoch Fragen offen bleiben, berät der Dienst Patienten und Angehörige sogar kostenlos am Telefon.

Als zusätzliche Entscheidungshilfe für die Wahl der Therapiestrategie nutzen die Ärzte auch Gen­expressionsanalysen: Durch zusätzliche molekularbiologische Untersuchungen, die in speziellen Labors durchgeführt werden, kann bei Frauen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren in einem frühen Erkrankungsstadium festgestellt werden, ob sie eine Chemotherapie benötigen oder ob eine Antihormontherapie ausreichend ist. Für diese Entscheidung wird häufig eine Antihormontherapie für wenige Wochen vor der Operation durchgeführt und das Ansprechen des Tumors bei Operation beurteilt.

Chemotherapie auch vor der Operation

Mittels einer Biopsie bestimmen die Experten den Tumortyp. Hierfür wird der Patientin Krebsgewebe entnommen, das anschließend genau untersucht wird. Je nach vorliegender Tumorbiologie entscheidet der Onkologe dann über die Behandlungsstrategie. „Ist eine Chemotherapie notwendig, sollte diese vor der Operation durchgeführt werden. Somit lässt sich das Ansprechen des Tumors auf die Therapie überprüfen und die Operabilität von größeren Tumoren verbessern“, erläutert Prof. Mallmann. Ärzte bezeichnen das Vorgehen fachsprachlich als neoadjuvante Therapie. Aufgrund molekularbiologischer Untersuchungen können die Onkologen den Erfolg der gewählten Chemotherapie bereits im Vorfeld gut einschätzen. Sollten nach präoperativer Durchführung einer Chemotherapie noch Reste des Tumors bei OP vorhanden sein, kann für die Patientin eine individuelle Behandlung für die Zeit nach der Operation geplant werden.

Nebenwirkungen der Chemotherapie sind vor allem Haarausfall, Übelkeit, Müdigkeit und Kraftlosigkeit. Die gute Nachricht: Alles ist meist nur vorübergehend und lässt sich mithilfe von Medikamenten und supportiven Maßnahmen lindern. Nach Beendigung der Therapie sprießen die Haare wieder und die Energie kehrt zurück. Die operative Therapie im frühen Stadium kann in über 80 Prozent der Fälle brusterhaltend durchgeführt werden. Zur brusterhaltenden Therapie gehört stets eine Bestrahlung.

Individuelle Möglichkeiten

Die Therapien werden zunehmend individueller: Neben der klassischen endokrinen Therapie, der Antihormontherapie, die seit Jahrzehnten etabliert ist und durch Hormonentzug das Wachstum hormonrezeptorpositiver Tumoren stoppt, kommen immer mehr zielgerichtete Therapien zum Einsatz.

Anders als bei einer konventionellen Chemotherapie wirken hier spezielle Medikamente gezielter auf den Tumor und schonen gesunde Zellen. Sie blockieren spezielle Rezeptoren, verhindern weiteres Wachstum des Tumors und lassen ihn absterben. Diese Medikamente sind häufig Antikörper, die in Kombination mit einer Chemotherapie verabreicht werden.

Bei Patientinnen mit einem Tumor, der nicht für eine Hormontherapie infrage kommt, kann eine Immuntherapie in Kombination mit einer Chemotherapie die Krankheit bekämpfen. „Immuntherapien kommen bereits bei anderen Krebsarten zu Einsatz, nun auch in bestimmten Fällen zur Behandlung von Brustkrebs“, erklärt Prof. Mallmann.

„Patientinnen mit einem triple-negativen Mammakarzinom im fortgeschrittenen Stadium behandeln wir etwa mit einer Chemotherapie in Kombination mit einem Checkpoint-PD-L1-Hemmer. Auch bei Frauen mit fortgeschrittener Erkrankung, die bereits eine Hormontherapie erhalten haben, kann durch neue Medikamente, wie die sogenannten CDK-4/6-Inhibitoren, eine weitere Form der Hormontherapie erfolgen. Patientinnen in einem frühen Erkrankungsstadium können wir diese neuartigen Substanzen bereits im Rahmen von klinischen Studien anbieten“, sagt Prof. Mallmann.


Prof. Dr. Peter Mallmann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitäts­klinikum Köln © privat