Nierenkrebs Die Wahl der Waffen: Von der Operation bis zu zielgerichteten Medikamenten

Autor: MPL-Redaktion

Das Tückische am Nierenkrebs: Da er kaum Beschwerden bereitet, kann er lange Zeit unerkannt bleiben. © iStock/Natali_Mis

Im Frühstadium verursacht diese Erkrankung meist keine Beschwerden. Das macht den Nierenkrebs so tückisch. Denn bleibt er zu lange unentdeckt, kann er sich im Körper ausbreiten. Doch erstmal entdeckt, stehen einige Behandlungsmöglichkeiten zur Bekämfung des Tumors zur Verfügung.

Wird ein Nierenkrebs früh entdeckt und hat er sich noch nicht im Körper ausgebreitet, können die meisten Patienten sehr gut behandelt werden. In einer Operation wird die betroffene Niere oder Teile davon herausoperiert. Viele Patienten haben eine lange Zeit ohne Einschränkungen und Beschwerden vor sich. Manche sind dauerhaft geheilt. In seltenen Fällen kann der Krebs auch nach Jahrzehnten wieder aufflammen.

Da in den meisten Fällen nur eine Niere betroffen ist, bleibt die Lebensqualität bei diesen Patienten meist gut erhalten. In Studien wird derzeit geprüft, ob Patienten von einer klassischen Chemotherapie zusätzlich profitieren können. Die vorliegenden Ergebnisse geben hierfür jedoch keine oder nur sehr schwache Hinweise. Daher wird beim Nierenkrebs auf Chemotherapien weitgehend verzichtet.

Die Niere

Die Nieren entfernen giftige Stoffe aus dem Körper. Durch winzige Poren in den Blutgefäßen der Nierenkörperchen wird das Blut gefiltert. Die Poren lassen kleinere Moleküle passieren, Eiweiße oder Blutzellen nicht.

Wenn die Krankheit im Körper streut

Bei durchschnittlich zwei von zehn Patienten ist der Nierenkrebs bei der Diagnose jedoch schon fortgeschritten. Das heißt, dass in den Lymphknoten, anderen Organen oder den Knochen Geschwülste vorhanden sind. Landläufig wird dann davon gesprochen, dass der Krebs im Körper streut. Fachleute sprechen von Metastasen oder Fernmetastasen.

Dabei lösen sich Zellen oder Zellverbände aus dem Primärtumor. Diese werden über das Blut oder Lymphe im Körper verteilt. Sie können sich in Organen und Knochen festsetzen. Noch ist nicht ganz erforscht, was der Auslöser dafür ist, dass eine Metastase wachsen kann. Nierenkrebs breitet sich bevorzugt in der Lunge, den Knochen, Lymphknoten und der Leber aus.

Den Fortschritt aufhalten

„Je nachdem, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist, werden bei einer Operation die betroffene Niere und nach Möglichkeit auch die Metastasen entfernt“, sagt Privatdozent Dr. Carsten Grüllich, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. „Umso mehr Tumorgewebe durch die Operation entfernt werden kann, desto eher kann eine Heilung erzielt werden. Wenn das nicht möglich ist, kann durch die Operation ein besseres Ansprechen der systemischen Behandlungen erreicht werden.“

Nach der Operation wird der Tumor mit systemischen Therapien bekämpft, wenn noch Metastasen verblieben sind. Das heißt, es werden Medikamente eingesetzt, die im ganzen Körper gegen den Krebs vorgehen.

Den Tumor besser treffen

Tumorzellen brauchen für ihr unkontrolliertes Wachstum immer mehr Sauerstoff und Nährstoffe. Diese werden über Blutgefäße herangeschafft. Ab einer gewissen Größe regt der Tumor mit Botenstoffen die Gefäße an, eigene und größere Blutgefäße zu bilden. Die Ärzte sprechen hier von der sogenannten Angiogenese.

„Hier setzten einige der zielgerichteten Therapien an“, sagt Dr. Grüllich. „Die Medikamente, die sogenannten Angiogenese-Hemmer, blockieren diese Botenstoffe und unterbinden damit das Wachstum der Blutadern in den Tumoren.“ Die Folge ist, dass der Tumor schrumpft oder abstirbt. Er bekommt nicht mehr genügend Nährstoffe und Sauerstoff.

Die meisten Zellen in unserem Körper werden kontrolliert und geordnet ersetzt. Das geschieht fortwährend und das ganze Leben lang. Für die Ordnung und Kontrolle setzt der Körper unzählige Botenstoffe und Beschleuniger ein, die den Teilungsprozess der Zellen steuern: Hormone oder Enzyme genannt. Das tückische an manchen Krebsarten ist, dass sie sich teilen, obwohl die entsprechenden Botenstoffe von außen fehlen. Sie geben sich die Befehle sozusagen selbst.

Daher kamen Wissenschaftler auf die Idee, die Befehlsketten in der Zelle zu unterbrechen. „Inzwischen sind mehrere Medikamente zugelassen, die die Signalketten zur Zellteilung unterbinden sollen“, sagt Dr. Grüllich. „Alle haben das Ziel, das Wachstum des Tumors zu stoppen oder zu verlangsamen.“

Die eigene Abwehr aktivieren

Das Immunsystem ist unsere Gesundheitspolizei im Körper. Es soll Krankheitserreger und entartete Zellen unschädlich machen. Dafür muss das Immunsystem gut zwischen guten und schlechten Zellen unterscheiden können. Manche Krebsarten werden vom Immunsystem gut erkannt. Aber es gibt auch den Fall, dass der Krebs die Zellen hemmt, aktiv zu werden. Er sendet nämlich Botenstoffe aus, die an der Oberfläche der Abwehrzellen andocken und damit das Signal zur Untätigkeit geben.

Die Folge ist, dass der Tumor nicht angegriffen wird. „Inzwischen können Medikamente eingesetzt werden, die verhindern, dass die Botenstoffe des Tumors die Immunzellen zur Untätigkeit verdammen“, sagt Dr. Grüllich. „Allerdings stehen wir noch am Anfang der Entwicklung.“ Denn von den heutigen Medikamenten profitieren erst ungefähr 25 Prozent der Patienten. „Und leider können wir nicht vorhersagen, ob und wie lange das Medikament wirkt“, fügt der Wissenschaftler an. „Im Moment kennen wir die spezifischen Merkmale noch nicht.“ Das Ziel der Mediziner ist, dass Medikamente gefunden werden, die auch über sehr lange Zeit den Tumor gut in Schach halten können.

Gut geplanter Einsatz

Im Kampf gegen den Nierenkrebs stehen die Operation, die Bestrahlung sowie mittlerweile die zielgerichtete und die Immuntherapie zur Verfügung. Welches Instrument wann zum Einsatz kommt, planen die behandelnden Ärzte individuell und sorgsam in jedem Fall. Zudem gilt es zu bedenken: Manche Medikamente verlieren nach einer gewissen Zeit der Anwendung ihre Wirkung. Dann wechseln die Ärzte auf andere Wirkstoffe. Dabei spielt neben dem Erfolg der Behandlung auch immer die Lebensqualität der Patienten eine wichtige Rolle. Wissenschaftler erwarten von neuen Medikamenten-Entwicklungen schon bald eine verbesserte Prognose. Eine gute Nachricht für viele Patienten.


Privatdozent Dr. Carsten Grüllich, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg © Privat