Wirkstoffgruppen CAR-T-Zelltherapien & Co: Das Immunsystem als Wächter gegen Krebs
Die Immuntherapie ist ein Sammelbegriff, der verschiedene Behandlungsansätze subsumiert. Allen gemein ist, dass Medikamente das körpereigene Immunsystem nutzen, um einen Tumor zu bekämpfen. Und alle basieren dabei auf dem Einsatz von sogenannten Antikörpern, also Wirkstoffen, die das Immunsystem in einer bestimmten Art und Weise aktivieren. Ursprünglich richteten sich Wirkstoffe direkt gegen Tumorzellen. Direkt bedeutet, dass dieser Antikörper die Tumorzelle zielgerichtet markiert, sodass sie von dem Immunsystem erkannt und vernichtet werden kann.
Neue Behandlungsansätze können mehr
„Aktuell genutzte Behandlungsansätze sind auch für Tumoren einsetzbar, die keine Ziele zur Markierung aufweisen: Man hat vor einigen Jahren erkannt, dass sich Tumorzellen tarnen wie gesundes Gewebe. Daher kann sie unser Immunsystem nicht entdecken“, erklärt Professor Dr. Lars Bullinger. Er ist Direktor der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie an der Charité – Universitätsmedizin in Berlin.
Die Tumorzellen manipulieren mit speziellen Eiweißen die sogenannten Checkpoints des Immunsystems. Diese Eiweiße interagieren mit den Abwehrzellen des Immunsystems, kurz T-Zellen, und setzen sie außer Kraft. Viele Tumoren entwickeln beispielsweise ein Eiweiß mit dem Namen Programmed Death Ligand 1, kurz PD-L1.
CAR-T-Zelltherapie bekämpft Leukämien und Krebs des Lymphsystems
Forscher entwickelten daraufhin Antikörper, die verhindern, dass PD-L1 mit den T-Zellen interagiert. Die Tumorzellen werden dadurch enttarnt, von den T-Zellen wieder erkannt und bekämpft. Von Jahr zu Jahr kommen neue Wirkstoffe hinzu. Aktuell werden die sogenannten Immuncheckpoint-Inhibitoren besonders erfolgreich in der Lungen- und Hautkrebstherapie eingesetzt.
Aber auch an anderer Stelle gibt es Forschungserfolge: So vereinten Wissenschaftler Teile von drei natürlichen Proteinen zu einem künstlichen Signalmolekül. Dieser Rezeptor wurde Chimeric Antigen Receptor genannt, kurz CAR. Um den Krebs bekämpfen zu können, musste dieser Rezeptor an einer passenden Stelle in das Immunsystem eingebaut werden: Die Forscher isolierten dazu eine bestimmte Sorte von Immunzellen eines Patienten, nämlich die T-Zellen, und schleusen das Gen für das CAR-Molekül ein. Diese CAR-T-Zellen werden im Labor vermehrt und schließlich dem Patienten zurückgegeben, um dessen Körper von Krebszellen zu befreien.
Die CAR-T-Zelltherapie ist zur Bekämpfung von bestimmten Leukämien und dem Krebs des Lymphsystems zugelassen. „Immunzellen des Patienten werden entnommen, genetisch verändert und zurückgegeben. Sie sind dann in der Lage, das Immunsystem zu aktivieren und so Krebszellen direkt zu vernichten“, so Prof. Bullinger.
Komplexer Ablauf
Eine CAR-T-Zelltherapie ist aufwendig und komplex: Mittels eines besonderen Verfahrens gewinnen Ärzte weiße Blutkörperchen des Patienten. In speziellen Laboren werden daraus CAR-T-Zellen hergestellt. Die DNA der T-Zellen nimmt über ein spezielles Verfahren das Erbgut inaktiver Viren auf. So entstehen CAR-T-Zellen, die anschließend vermehrt werden. Bevor der Arzt diese dem Patient über eine Infusion verabreicht, wird eine Chemotherapie vorgeschaltet. Diese soll möglichst viele T-Zellen zerstören.
Eine CAR-T-Zell-Behandlung ist nur in spezialisierten universitären Zentren möglich. „Denn bei der CAR-T-Zelltherapie können stärkere Nebenwirkungen auftreten, wie Fieber, Blutdruckabfall und neurologische Störungen, die eine intensiv-medizinische Behandlung notwendig machen“, so Prof. Bullinger.
Spezialisierte Kliniken verfügen über alle Voraussetzungen und Qualifikationen für die CAR-T-Zelltherapie. Dazu gehört in erster Linie ein interdisziplinäres Team aus Experten der Onkologie und Hämatologie, Intensivmedizin, Neurologie, Infektiologie, Transfusionsmedizin, Radiologie und Psychoonkologie. Nur so kann gewährleistet werden, dass Patienten sowohl vor, während und auch nach ihrer Therapie optimal betreut und behandelt werden.