Lungenkrebs Bronchialkarzinom: Wichtige Fragen und hilfreiche Antworten

Autor: MPL-Redaktion

Weit verästelt: Das System der Bronchien durchzieht das ganze Lungengewebe. © fotolia/hywards/2020MT

Jährlich erkranken rund 50.000 Menschen an dieser Krebsart. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 68 Jahren. Eine der Hauptursachen ist das Rauchen, aber auch Nichtraucher können betroffen sein. Perspektive LEBEN hat die wichtigsten Fragen dem Experten Professor Dr. Michael Thomas gestellt. Er ist Chefarzt der Abteilung Onkologie Innere Medizin an der Thoraxklinik-Heidelberg.

Der Lungenkrebs wurde diagnostiziert. Wie geht es nun weiter?

Das hängt vom Erkrankungsstadium des Patienten ab. Wir schauen vor allem, ob bei ihm Fernmetastasen vorhanden sind und um welchen feingeweblichen Typ des Lungenkarzinoms es sich handelt: Ist es ein kleinzelliges oder ein nicht kleinzelliges Karzinom?

Welche Maßnahmen werden ergriffen, wenn keine Fernmetastasen vorliegen?

Liegen keine Fernmetastasen vor und beschränkt sich die Erkrankung auf den Thoraxraum, würden wir sowohl beim kleinzelligen als auch beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom eine Kombination aus Chemotherapie und Bestrahlung wählen.

Beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom würde auch zusätzlich eine Operation diskutiert werden. Das hängt davon ab, ob und in welchem Maße Lymphknoten befallen sind. Vor allem der Bereich zwischen den Lungenflügeln, das sogenannte Mediastinum, muss genauer betrachtet werden. Hier sollten möglichst keine Lymphknoten-Metastasen vorliegen oder nur sehr wenige. Ist dies insgesamt der Fall, kommt eine Operation infrage.

Würden im Fall einer Operation andere Behandlungsoptionen wegfallen?

Eine Chemotherapie wird in der Regel immer durchgeführt. Sie ist ein grundlegender Therapiebestandteil. Unabhängig davon, ob es sich um einen kleinzelligen oder nicht kleinzelligen Tumor handelt. Sie kann der Operation vorangestellt sein, um den Tumor so zu verkleinern, dass er besser operiert werden kann. Man spricht dann auch von einer neoadjuvanten Therapie.

Nach der Operation wird hingegen so gut wie immer eine Chemotherapie empfohlen. Sie soll eventuell noch im Körper in Form von Mikrometastasen vorhandenes Tumorgewebe zerstören. Hier spricht man von einer adjuvanten Therapie. Einzige Ausnahme bilden sehr kleine nicht kleinzellige Tumore unter vier Zentimetern. Diese werden in der Regel primär operiert, ohne weitere Nachbehandlung.

Können alle nicht kleinzelligen Tumoren operiert werden?

Circa 60 Prozent der nicht kleinzelligen Lungenkarzinome befinden sich in einem Stadium mit lokaler Ausdehnung ohne Fernmetastasen. Davon kann dann etwa die Hälfte operiert werden. Der Rest wird mit einer Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie oder auch alleiniger Bestrahlung behandelt. Bei den übrigen 40 Prozent der Patienten mit einem nicht kleinzelligen Tumor liegen Fernmetastasen vor.

Ist eine Operation bei kleinzelligen Tumoren möglich?

Beim kleinzelligen Lungenkarzinom haben etwa 35 Prozent der Patienten eine lokalisierte Ausdehnung. Diese werden in der Regel mit einer Radio-Chemotherapie behandelt. Eine Operation ist hier nur im Ausnahmefall geplant.

Wie werden die Metastasen bei den jeweiligen Lungenkarzinomen behandelt?

Liegen Metastasen beim kleinzelligen Lungenkarzinom vor, ist die Standardbehandlung die Chemotherapie. Beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom werden die Metastasen zum größten Teil ebenfalls erst einmal mit einer Chemotherapie behandelt. Aktuell werden allerdings auch weitere Behandlungsmöglichkeiten eingeführt.

Um welche Möglichkeiten handelt es sich?

Man kann mit bestimmten, sogenannten molekularen Untersuchungen das Tumorgewebe aufarbeiten und im Tumor nach genetischen Veränderungen suchen, die dazu führen, dass der Tumor bevorzugt bestimmte Stoffwechselschritte beschreitet. Einige solcher Veränderungen sind mittlerweile therapiefähig.

Diese Patienten können sogar bereits nach der Diagnosestellung mit einer Tablettentherapie behandelt werden. Diese stoppt das Wachstum des Tumors. Solche zielgerichteten Therapien können bei Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkrebs zum Einsatz kommen.

Allerdings weist das Tumorgewebe nur bei einem Teil der Betroffenen solche molekularbiologischen Besonderheiten auf, die diese Behandlung zulassen. Außerdem nimmt die sogenannte Immuntherapie in der Behandlung mittlerweile ein breites Feld ein. Hier sehen wir ebenfalls gute Erfolge, sogar bei fortgeschrittener Erkrankung.

Wie sehen die Heilungschancen aus?

Die Entwicklungen der letzten Jahre sind positiv. Gerade in der Gruppe der Patienten mit einem nicht kleinzelligen Tumor, der operabel ist, liegen die Heilungschancen zwischen 40 und sogar 70 Prozent. Wenn man berücksichtigt, dass nicht kleinzellige Tumoren einen Anteil von 80 Prozent an allen Lungentumoren haben, ist das eine recht gute Nachricht.

In der Gruppe der Patienten, mit lokalisierter Tumorausdehnung – ohne Fernmetastasen – die nicht operiert werden können, liegen die Heilungschancen bei 20 bis 25 Prozent. Beim kleinzelligen Lungenkarzinom liegen die Heilungschancen in dieser Gruppe ebenfalls bei etwa 20 bis 25 Prozent.

Geben die neuen Behandlungsoptionen Hoffnung auf eine weitere Verbesserung der Heilungschancen?

Ja, gerade durch die molekularen Therapieansätze wie auch die Optionen der Immunonkologie zeichnen sich in bestimmten Patientenuntergruppen mit metastasierter Erkrankung Erfolg versprechende Möglichkeiten ab. Hierdurch werden sich die Prognosen in den nächsten Jahren verbessern.

Was raten Sie Patienten, deren Metastasen nicht vollständig bekämpft werden konnten?

Sie müssen akzeptieren, mit der Erkrankung zu leben. Wichtig ist nun, dass sie wissen, dass das medizinisch Machbare auch durchgeführt wird. Und zwar so, dass es sinnvoll ist. Aber ganz gleich, ob es sich um eine metastasierte Situation handelt oder auch nicht, Betroffene sollten versuchen, Normalität in ihrem Leben zu finden. Dabei können auch die Angehörigen gut mithelfen.


Prof. Dr. Michael Thomas, Chefarzt der Abteilung Onkologie Innere Medizin an der Thoraxklinik-Heidelberg © privat