Prostatakrebs Abwarten und beobachten!
An den Tatsachen kommt kein Patient vorbei: Wird ein Prostatakrebs operiert, kann das die Lebensqualität von Männern stark beeinträchtigen. Dies gilt vor allem für die relativ jungen Patienten in den Fünfzigern. Operationsfolgen wie Inkontinenz und Impotenz greifen oft tief in die Lebensumstände des Einzelnen ein. Daher sind Mediziner bei dieser Patientengruppe bemüht, die aktive Behandlung des Tumors zu vermeiden oder, solange es geht, hinauszuzögern. Die Vorgehensweise der Ärzte ist im Prinzip einfach. Ist der Tumor noch nicht weit fortgeschritten und nicht sonderlich aggressiv, wird er aktiv in engen Zeitfenstern beobachtet. Die Betroffenen werden dafür in kurzen Abständen untersucht. Schreitet der Tumor dabei nicht voran, wird er stets weiter überwacht – ohne operiert zu werden. Beginnt er allerdings plötzlich zu wachsen oder seinen Charakter zu ändern, wird sofort eine aktive Behandlung eingeleitet.
Zwischen Lebensqualität und Sicherheit
Lebensqualität und Lebenserwartung des Patienten auf der einen Seite und eine Behandlung der Krebskrankheit auf der anderen Seite. Das sind die beiden Pole, zwischen denen die Ärzte bei einer Behandlung abwägen müssen. Es gibt Tumorarten, deren Art und Aggressivität der Krankheit dem Patienten und seinem Arzt kaum Spielraum lassen, wenn es um ein eventuelles Abwarten geht. Hier steht die rasche Beseitigung des Tumors bei der Behandlung im Vordergrund.
Doch gibt es keine Regel ohne Ausnahme: Bei Prostatakrebs haben die Patienten fast immer Zeit, sich mit der Erkrankung und den möglichen Behandlungen auseinanderzusetzen. Mehr noch, beim Prostatakrebs kann in bestimmten Fällen eine für Krebserkrankungen ungewohnte Entscheidung getroffen werden: Es wird schlicht auf eine Behandlung verzichtet. Dies prüft man gerade bei jüngeren Patienten besonders intensiv. Statt Operation, Strahlenbehandlung oder medikamentöser Therapie wird der Tumor nur beobachtet. Rund ein Drittel der Männer mit einer Prostatakrebsdiagnose könnten von dieser aktiven Überwachung profitieren, stellen Urologen fest.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt
Doch eine solche Nachricht ist nicht für jeden Patienten eine Beruhigung. Urologen berichten davon, dass viele ihrer Patienten mit einer Prostatakrebs-Diagnose eher das dringende Bedürfnis zeigen, sofort einen radikalen Behandlungsschritt zu gehen. Der Gedanke „Ich will diese Krankheit nicht in meinem Körper haben!“ ist verständlich – doch manchmal eben auch zu kurz gedacht: In vielen Fällen genügt eine lückenlose Überwachung der Erkrankung, solange sie nicht weiter voranschreitet.
Schon 1981 erkannte der Arzt Dr. Julius Hackethal, dass eine Prostatakrebserkrankung unter gewissen Umständen in Ruhe gelassen werden kann. Er bezeichnete diese Art der Erkrankung als sogenannten „Haustierkrebs“. Damals war seine These stark umstritten. Aber inzwischen sind die Diagnostik und das Wissen über den Prostatakrebs so weit vorangeschritten, dass ungefähr 30 Prozent der Erkrankungen nicht sofort aktiv durch eine Operation oder Strahlentherapie behandelt werden müssen. Der Tumor wird in diesen Fällen engmaschig beobachtet.
Der Vorteil für die Patienten liegt auf der Hand: Sie haben keine Einschränkungen der Lebensqualität zu befürchten. Potenz und die Kontrolle über das Wasserlassen werden nicht beeinträchtigt. Durch die aktive Überwachung wird das Risiko in Schach gehalten. Und die Chance auf eine Heilung durch Operation oder Bestrahlung ist ja nicht vergeben, sondern nur vertagt. Sie besteht weiterhin, so dies plötzlich nötig sein sollte. Der Wermutstropfen: Die regelmäßigen Untersuchungen sind zuverlässig zu absolvieren, was manchen Patienten auf Dauer ein wenig lästig fallen kann. Aber besser als eine Operation sind sie allemal.
Was ist die richtige Entscheidung?
Im günstigsten Fall schreitet die Erkrankung der Prostata nicht oder nur sehr langsam voran. So kann bei diesen Patienten langfristig auf die aktive Behandlung mit einer Operation oder Strahlentherapie verzichtet werden. Wächst der Tumor während der aktiven Überwachung allerdings weiter, stehen dann alle therapeutischen Maßnahmen sofort zur Verfügung. In einem solchen Fall ist die aktive Überwachung also die Vorstufe einer aktiven Behandlung. Um sich seiner Entscheidung sicher zu sein, empfehlen Experten dringend – nach der Diagnose durch den Pathologen – das Gespräch mit dem behandelnden Urologen. Der nächste Schritt ist dann, ein Prostatazentrum aufzusuchen. In der interdisziplinären Sprechstunde, die dort angeboten wird, werden alle Optionen der Behandlung erläutert und besprochen. Hilfreich kann es sein, wenn Patienten nach dieser Abwägung nochmals zur persönlichen Absicherung ihrer Entscheidung ihren Urologen befragen. So können sie sicher sein, auf jeden Fall die für sie richtige Entscheidung getroffen zu haben.