Partnerschaft Sexualität nach dem Krebs: Suche nach den Teenager-Gefühlen.

Autor: Dietmar Kupisch

„Paare sollten sich besondere erotische Momente schaffen, gemeinsam Ideen entwickeln – und ruhig mal etwas ausprobieren.“ © stakhov – stock.adobe.com

Eine Krebstherapie ist anstrengend, sowohl körperlich als auch geistig. Je nach Diagnose und Therapieform kann schon mal ein Jahr vergehen. Und darauf folgt die Reha, die langsame Rückkehr in den normalen Alltag. Insgesamt ein langer Zeitraum, in dem Partnerschaft und Sexualität meist hinten anstehen müssen – zu sehr sind Betroffene und Angehörige auf die Bewältigung der Krankheit fokussiert. Hat man diese schließlich gemeinsam überwunden gilt es, zu einer normalen Partnerschaft zurückzufinden. Für viele Paare ist dies gar nicht so einfach.

„Sexualität ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Allerdings stehen vor diesem noch Gesundheit und Sicherheit. Fühle ich mich also existenziell bedroht, leidet der Sex“, sagt Tabea Winkler. Die Spezialistin für Paartherapie ist Heilpraktikerin für Psychotherapie in Hannover. Ihrer Erfahrung nach ist Angst ein Erotikkiller. Und Angst um ihre Gesundheit haben nun mal viele Krebspatienten. 

Wieder ein Liebespaar werden

„Es ist völlig normal, dass Paare während der schweren Krankheit eines Partners dem Thema Gesundheit ihre volle Aufmerksamkeit widmen. Die Schlüsselfrage lautet nach der Genesung dann bei vielen: Wie werden wir wieder ein Liebespaar?“, weiß Tabea Winkler. „Denn wenn die Körperlichkeit beziehungsweise Sexualität über einen langen Zeitraum ausbleibt, ist eine Rückkehr zu ihr nicht immer leicht.“

Wobei diese Rückkehr je nach Geschlecht unterschiedlich verläuft, das zeigt zumindest die Erfahrung der Paartherapeutin: Fühlen sich Männer nach einer längeren Erkrankung wieder wohl, denken sie ganz automatisch an Sex. „Frauen hingegen können den Sex durchaus auch verlernen. Den Automatismus, wie beim anderen Geschlecht, gibt es hier meist nicht“, sagt Tabea Winkler. „Das müssen Paare wissen. Erst dann können sie zielführend an sich arbeiten."

Weg vom Alltagstrott

Am Anfang steht das offene Gespräch. Reden kann helfen, gerade wenn es um Sex geht. Allerdings sollten sich die Partner nicht gegenseitig unter Druck setzen. „Das ist ganz wichtig. Druck ist ein Erotikkiller. Dabei ist gerade die Erotik der Schlüssel zu einem wiedererwachenden und erfüllten Sexualleben“, erklärt Tabea Winkler und erläutert: „Um das zu erreichen, müssen Paare sich von dem alltäglichen Trott der letzten Monate befreien. Denn der Feind war nicht die Erkrankung, der Feind des Sex war der veränderte Alltag.“

Eine Empfehlung lautet: Mann und Frau sollten sich – so oft es geht – wieder außerhalb ihrer vier Wände erleben, sich abseits des Alltags miteinander beschäftigen. Das kann ein Einkaufsbummel sein oder der Besuch im Lieblingsrestaurant. „Noch besser ist es, etwas Neues auszuprobieren. Der Lieblingsitaliener ist sicherlich besser als zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen, aber aufregender ist vielleicht das indische Restaurant, wenn es sich um eine neue Erfahrung handelt“, erläutert Tabea Winkler.

Alkohol? Manchmal auch eine gute Idee

„Es geht um das Spiel ‚Mädchen und Junge‘, um Teenager-Gefühle. Die müssen wiederkommen. Eben Pärchen-Dinge tun. Das führt zu Leichtigkeit, Heiterkeit und Unbeschwertheit. Diesen Zustand gilt es zu erreichen“, betont die Expertin. „Denn das ist eine Grundvoraussetzung, um überhaupt Lust auf Sex zu bekommen.“ Eine gute Unterstützung hierbei kann situationsbedingt auch das eine oder andere Glas Wein sein. „Alkohol lockert auf. Der Besuch einer Cocktailbar kann daher wahre Wunder in Sachen Sex bewirken. Und wenn beide dann Lust verspüren, dürfen sie bloß nicht zu lange warten“, empfiehlt Tabea Winkler und fügt an: „Natürlich sollte man den Alkohol stets in Maßen genießen. Und er sollte nur vorübergehend beziehungsweise in dieser außerordentlichen Lebenssituation als Möglichkeit dienen, sich in Stimmung zu bringen.“

Man sollte sich bei allem einig sein

Leidenschaft ist ein Kind der Ungewissheit. Spontaneität sollte aus diesem Grunde nicht abgelehnt werden. Das, was bekannt ist, ist oft nicht erotisch. Tabea Winklers Rat lautet zudem: „Paare sollten sich besondere erotische Momente schaffen, gemeinsam Ideen entwickeln – und ruhig mal etwas ausprobieren.“ So kann erotische Literatur helfen, die Lust zurückzugewinnen. Aber nicht nur jeder für sich alleine im stillen Kämmerlein, sondern miteinander auf dem Sofa bei Kerzenschein. Auch gegen das gemeinschaftliche Schauen von Erotikfilmen ist nichts einzuwenden oder das Ausprobieren von Sexspielzeug. „Erlaubt ist alles, was gefällt. Die Partner sollten sich aber über alle Ideen einig sein. Zieht jemand nur mit, um dem anderen einen Gefallen zu tun, kann das Ganze schnell nach hinten losgehen“, rät Tabea Winkler und ergänzt: „Viele denken, weil sie schon sehr lange ein Paar sind, den Anderen genau zu kennen. Aber gerade beim Thema Sexualität liegen sie oft daneben.“ Paare sollten insofern zusammen auf die Suche nach ihren Lustquellen gehen und fragen, was der Partner tatsächlich möchte. Das gibt beiden die nötige Sicherheit beim Ausprobieren.


Tabea Winkler, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Hannover © privat