Krebsdiagnose Positiv denken – So finden Sie Ihren eigenen Weg
Betroffene kennen diese Szenen: Oft wird nach einer Krebsdiagnose von wohlmeinenden Menschen geraten: „Jetzt musst du unbedingt positiv nach vorne schauen, dann wird schon wieder alles gut werden!“ Patienten fühlen sich durch solche aufmunternd gemeinten Sätze aber oft unter Druck gesetzt. Sie fragen sich: Was passiert eigentlich mit mir, wenn ich mal nicht positiv denke? Wenn ich mal wütend oder traurig bin und mir die ganze Krebserkrankung, Behandlung und Folgen eigentlich zum Hals heraushängen? Werde ich dann nicht gesund oder wirkt die Behandlung vielleicht nicht richtig? Bringt Angst den Krebs zurück? Denke ich zu negativ?
Dieser Konflikt kann Schuldgefühle hervorrufen. Und erst recht dann, wenn die Behandlung nicht wie erhofft positiv verläuft. „Wir erklären den Patienten dann, dass das positive Denken nur eines der vielen Werkzeuge im Werkzeugkasten ist, mit dem die Krankheitsverarbeitung gelingen kann“, sagt Dr. Christina Hempowicz, Psychoonkologin am Universitätsklinikum in Jena. „Und wir betonen, dass Angst, Traurigkeit und Wut auch oft gute Werkzeuge sein können, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen.“
Kontakt zu sich selbst finden: So geht‘s
Viele Betroffene berichten, dass ihnen drei Dinge vor allem geholfen haben, ihren Mut zu bewahren: ihr Vertrauen zu den Ärzten, die Unterstützung von Verwandten und Freunden – und der Kontakt zur Natur. Dazu, so die Erfahrungen aus Selbsthilfegruppen, sind gar keine großartigen Reisen oder Erlebnisse nötig. Viel wichtiger ist nach den übereinstimmenden Angaben der Patienten die Möglichkeit, sich in der Natur bewegen zu können und Kontakt mit Wiese und Wald, Bergen und See, Meer und Wellen zu schließen. Solche Begegnungen können helfen, den Kontakt zu sich selbst zu finden und zu stärken.
Alles hat seinen eigenen Platz – und seine Zeit
Wir verstehen Krankheitsverarbeitung als dynamischen, andauernden Prozess. In unterschiedlichen Phasen der Erkrankung werden verschiedene Bewältigungsstrategien eingesetzt. Zeitweilige Verdrängung erlaubt es den Patienten beispielsweise, sich mit der Diagnose schrittweise und im eigenen Tempo zu befassen. Je flexibler Werkzeuge bei der Bewältigung der Krankheit angewendet werden, umso rascher kann eine neue Normalität in den Alltag einkehren.
„Diese neue Normalität hat mit der alten Normalität oft nicht viel gemeinsam“, betont Dr. Hempowicz. Von den Veränderungen können Familie und Freizeit ebenso betroffen sein wie das berufliche Fortkommen. Auch Schmerzen und Abschied können den Alltag dann bestimmen. „Und deswegen ist es ganz normal, dass nicht immer nur positiv gedacht wird.“
Negativen Gefühlen nicht zu viel Raum geben
Es wird immer Zeiten und Anlässe geben, in denen Patienten und Angehörige mit dem Schicksal hadern. Das ist normal – es ist Teil einer solchen Erkrankung. Wenn die Angst, Traurigkeit und Wut allerdings so viel Raum und Zeit einnehmen, dass für Hoffnung und Zuversicht kein Platz mehr ist, rät die erfahrene Psychoonkologin, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ziel der Beratungen ist dann, dass die Patienten die mit Angst, Traurigkeit und Wut angefüllten Momente und Situationen beschreiben und aussprechen können.
In einem weiteren Schritt werden dann ganz individuelle Bewältigungsstrategien erarbeitet. Also Wege, auf denen diese Gefühle in das Denk- und Erlebensmuster der Patienten integriert werden – wohl wissend, dass sie immer wieder auftauchen können.
Die ersten Schritte gemeinsam gehen
Mit dem psychologischen Berater können die Patienten dann nach Bezügen suchen, die Stabilität oder Zufriedenheit vermitteln. Bei dem einen sind es gute und vertrauensvolle Informationen von einem Arzt. Der andere erlernt ein Instrument oder malt Landschaften. Der nächste meldet sich zur Jägerprüfung an oder kauft sich einen Oldtimer, der restauriert werden muss. Sehr gut funktionieren die Wünsche, die sich die Patienten mal erfüllen wollten, wenn sie mal Zeit haben.
„Jeder muss seinen eigenen Weg finden“, sagt Dr. Hempowicz. „Es gibt kein Patentrezept, das auf jeden Menschen passt.“ Sie erinnert sich an eine Patientin, die aus dem Bild Kraft geschöpft hat, dass sie Kirschen von einem Kirschbaum pflückt. „Also haben wir uns imaginativ gemeinsam auf den Weg zur Kirschernte gemacht“, erinnert sich Dr. Hempowicz. „Später hat die Dame eine unglaubliche Geborgenheit bei diesen Bildern empfunden, die es ihr ermöglichte, sich mit der Unabänderlichkeit ihres Schicksals und dabei empfundener Traurigkeit und auch Wut auseinanderzusetzen.“
Auch ganz kleine Veränderungen können die Stimmung stark verbessern. Ein Spaziergang oder ein Ausflug mit der Familie hat oft große Wirkung. Und für viele Patienten gilt, dass sie mit sozialer oder professioneller Unterstützung die Diagnose erstaunlich gut verarbeiten können. „Gelingt Patienten im Sinn einer positiven Krankheitsverarbeitung die Neuorientierung, geht dies vielfach mit einer besseren Lebensqualität einher“, berichtet Dr. Hempowicz.