Krebskranke Eltern Kinder und Krebs: Extreme sind normal

Autor: Perspektive LEBEN

Wütend, fröhlich, nachdenklich: Bei Hilfsangeboten können Kinder Gefühle ausleben und ansprechen. © iStock/fotosipsak

Kinder und Jugendliche leiden, wenn ihre Eltern an Krebs erkranken. Oft versuchen sie die emotionale Belastung durch Reaktionen zu bewältigen, die Eltern und Bezugspersonen verunsichern. Lesen Sie, wann und wie Eltern ihren Kindern dann mit professionellen Angeboten helfen können.

Krebsdiagnosen werfen meist alles über den Haufen. Besonders dann, wenn die Patienten Eltern von Kindern und Jugendlichen sind. Experten wissen es schon lange: Kinder krebskranker Eltern leiden ganz besonders mit den Eltern mit. „Viele Eltern versuchen die Krankheit zu verschweigen, um die Kinder zu schützen“, sagt Johanna Ringwald, Dipl.-Psychologin und Psychoonkologin der Abteilung psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums in Tübingen. „Aber letztlich gelingt das nicht. Denn Kinder reagieren sehr sensibel auf Stimmungsveränderungen der Eltern. Sie spüren instinktiv, dass etwas nicht stimmt.“ Dieses Gefühl der Unsicherheit sollte so rasch wie möglich ausgeräumt werden, damit kein Vertrauensverlust und weitere Unsicherheiten entstehen.

Immer kindgerecht

Daher raten Psychologen immer dazu, Kinder frühzeitig und umfassend über die Erkrankung und deren Konsequenzen aufzuklären. Das schafft Raum dafür, die Belastung rasch zu erkennen und besser zu bewältigen. „Das Motto dabei ist: Offenheit schafft Vertrauen“, betont Johanna Ringwald. „Im Gespräch können Ängste und Sorgen angesprochen und meist auch ausgeräumt werden.“

Je nachdem, wie alt und reif die Kinder sind, müssen die Krebserkrankung und die möglichen Veränderungen innerhalb der Familie sowie der Tagesabläufe besprochen werden. „Dabei ist ganz wichtig, dass Klarheit darüber besteht, wie es weitergeht“, sagt Ringwald. „Falsche Versprechungen sind dabei völlig fehl am Platz, wecken falsche Hoffnungen und zerstören Vertrauen.“

Neben der Krebserkrankung und den anstehenden Behandlungen müssen auch ganz alltägliche Dinge mit den Kindern und Jugendlichen besprochen werden. Dazu gehört zum Beispiel, wer sich um den Einkauf, das Essen kümmert oder die Kinder in den Kindergarten oder die Schule bringt und holt.

Hier finden betroffene Familien Hilfe

Eltern und Kinder können sich Hilfe holen bei

  • psychoonkologischen Beratungen der Krankenhäuser
  • Krebsberatungsstellen der Gemeinden und Kreise
  • Kinder- und Jugendpsychotherapeuten/-psychiatern
  • Erziehungsberatungsstellen
  • kinder- und jugendpsychologischen Beratungsstellen
  • Jugendämtern

Auch Krankenkassen, Onkologen oder Haus- und Kinderärzte können Anlaufstellen nennen.

Hilfreiche Broschüren »

Kostenlose App für Kinder »

Entsprechend vorbereitet können Eltern ihren Kindern meist gut und alleine helfen. Damit dies gelingen kann, halten Psychologen, Psychoonkologen oder auch Sozialarbeiter in den Krankenhäusern und Beratungsstellen Broschüren und Bilderbücherlisten bereit. „Bilderbücher sind eine sehr gute Hilfe, mit denen Kindern die Krebserkrankung und deren Folgen erläutert werden können“, so Johanna Ringwald. „Der Vorteil ist, dass das Buch zunächst gemeinsam angeschaut und besprochen werden kann. Und später, je nach Situation, kann das Kind das Buch nochmals zur Hand nehmen und sich erneut mit dem Thema befassen.“

Wichtig ist hierbei, dass mit den Kindern immer wieder über das Thema kindgerecht gesprochen wird. So können sich Eltern ziemlich sicher sein, dass Belastungen rasch entdeckt, besprochen und ausgeräumt werden.

Umfeld einbeziehen

Die eigene Krankheit oder die Sorge um den Partner kann den Blick für Dinge des Alltags verstellen. Deshalb raten Psychologen dazu, das Umfeld der Kinder auch über die Krankheit des Elternteils zu informieren. Dazu gehören die Eltern der Freunde ebenso wie der Übungsleiter im Verein oder die Lehrer und die Erzieherinnen. „Dies ist aus zweifacher Sicht wichtig“, betont Ringwald. „Zum einen kann dieser Personenkreis ein Auge auf mögliche Belastungen haben. Zum anderen können sie dann ungewöhnliche Reaktionen des Kindes besser einordnen und entsprechend reagieren.“

Großeltern, Freunde und Betreuer sollten für die Kinder ganz bewusst als Bezugspersonen aufgebaut werden. Sie geben Sicherheit und schaffen Vertrauen, dass sie nicht alleine gelassen werden. Sie können auch die Freiräume schaffen, in denen die Kinder, ganz ohne Rücksicht auf das erkrankte Elternteil, spielen, toben und Spaß haben dürfen und können.

Reaktionen

Kinder reagieren völlig unterschiedlich auf Belastungen, die von einer Krebserkrankung der Eltern ausgehen. Die Reaktionen reichen von Traurigkeit, Wutausbrüchen, Trotzphasen bis hin zu übertriebener Fröhlichkeit oder extremer körperlicher Aktivität. Auch Schuldgefühle den Eltern gegenüber können auftreten. „Weil die Situation extrem ist, können auch die Reaktionen extrem sein“, erklärt Johanna Ringwald diese Situationen. „Dies ist ganz normal, legt sich meist rasch oder kommt nur wenige Male bei einem Kind vor.“

Wenn diese Zustände jedoch zur Regel werden, die Leistungen in der Schule zurückgehen oder die normale Entwicklung ausbleibt, sollte unbedingt ein Experte eingeschaltet werden. Er wird im ersten Schritt versuchen, die Eltern zu ertüchtigen, mit den Ängsten und Sorgen der Kinder besser umzugehen. „Dies gelingt in den allermeisten Fällen gut, weil die Reaktionen und Ängste der Kinder nicht von einer Krankheit, sondern von einer realen Bedrohung herrühren“, sagt Ringwald.

„Wird diese Bedrohung im Gespräch mit den Eltern thematisiert, können die Ängste und Sorgen meist in den Hintergrund gedrängt werden.“


Johanna Ringwald, Dipl.-Psychologin und Psychoonkologin, Abteilung psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums in Tübingen © Privat