Wirkstoffgruppen Die Rolle der Biomarker

Autor: Perspektive LEBEN

In den letzten Jahren sind durch neue Verfahren wichtige Krebs-Biomarker entdeckt worden. © Visual Generation – stock.adobe.com

Biomarker sind in der Onkologie ein wichtiges Werkzeug bei Diagnose und Behandlung: Mit ihrer Hilfe können Ärzte Krebserkrankungen besser verstehen, Prognosen abgeben, die Therapie festlegen und den Behandlungserfolg überwachen. Dabei greifen sie auf unterschiedliche Arten von Markern zurück, die sie aus Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder aus Gewebeproben gewinnen.

Auch bei der Behandlung des Lungenkrebses ­orientieren sich die Experten an Biomarkern. Perspektive LEBEN stellte hierzu dem Leiter des Lungenkrebszentrums an der Medizinischen Hochschule Hannover, Privatdozent Dr. Heiko Golpon, wichtige Fragen.

Was kann man sich allgemein unter einem Biomarker vorstellen?

Ein Biomarker ist ein biologisches Merkmal, das als Referenz für den Gesundheitszustand eines Menschen dient. Seit einigen Jahren sind durch neue molekulare Verfahren wichtige Biomarker in der Onkologie entdeckt worden. Sie zeigen, ob bestimmte Krankheiten vorliegen oder ob Patienten von bestimmten Behandlungen profitieren können.

Welche Arten von Biomarkern sind für die Lungenkrebsbehandlung relevant?

Es gibt zahlreiche Biomarker mit jeweils unterschiedlicher Relevanz und Aussagekraft. Für die Behandlung von Krebserkrankungen beziehungsweise Lungenkrebs sind vor allem prädiktive Marker von Bedeutung.

Wozu dienen prädiktive Biomarker?

Prädiktive Biomarker erlauben Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, ob ein Patient auf eine bestimmte Therapie ansprechen wird und wie wirksam sie sein wird. Insofern liefern diese Marker wichtige Informationen bei der Auswahl der richtigen Behandlungsstrategie. Indirekt lässt sich mit ihrer Hilfe auch der Verlauf der Erkrankung abschätzen.

Wie verlässlich sind diese Prognosen über den Krankheitsverlauf?

Die erhobenen Biomarker geben statistische Wahrscheinlichkeiten an. Das heißt, es können keine exakten Vorhersagen bezüglich des persönlichen Krankheitsverlaufes eines Patienten gemacht werden. Zudem fließen in den Verlauf der Tumorerkrankung immer auch weitere Faktoren ein, wie etwa der allgemeine Gesundheitszustand, das Alter oder Vorerkrankungen.

Wie kommt die Vorhersagekraft der Biomarker überhaupt zustande?

Seit einiger Zeit betrachten wir einen Lungentumor auch genetisch und haben viel dazugelernt: Pathologen suchen beispielsweise nach Genmutationen, die für die Entstehung von Lungenkrebs verantwortlich sein können. Diese Mutationen sind wichtige Biomarker, denn wir verfügen nun über spezielle Medikamente, die zielgerichtet auf diese genetischen Veränderungen des Tumors wirken.

Welche Medikamente sind das?

Das ist die Medikamenten-Gruppe der sogenannten Tyrosinkinasehemmer. Sie können bei Patienten mit speziellen genetischen Veränderungen im Tumor eingesetzt werden. Ein Beispiel sind die „EGFR-Mutationen“. Hierbei handelt es sich um Mutationen eines wichtigen Wachstumsrezeptors. Die Tyrosinkinaseinhibitoren greifen gezielt an dem mutierten Rezeptor an. Sie unterbrechen das Wachstum des Tumors mit dem Ziel, dass er schließlich abstirbt. Wir sprechen hierbei von einer zielgerichteten Therapie. Die Zahl der Patienten, bei denen sich Mutationen nachweisen lassen, steigt stetig.

Gibt es weitere Medikamente, die beim Vorhandensein bestimmter Biomarker eingesetzt werden?

Ja. Bei einer anderen wichtigen Medikamenten-Gruppe handelt es sich um Antikörper, die das Immunsystem zur Krebsbekämpfung aktivieren. Das gelingt insbesondere bei Patienten, bei denen sich ein bestimmter Immunmarker beziehungsweise Biomarker, mit der Bezeichnung PDL1, auf den Krebszellen nachweisen lässt. Das so aktivierte Immunsystem erkennt den Tumor, greift an und zerstört ihn. Seit einigen Jahren setzen wir diese sogenannte Immuntherapie auch in der Erstlinientherapie ein, anstelle der bisherigen Chemo-Standardtherapie. Die Immuntherapie verbessert die Prognosen von Lungenkrebspatienten in einem fortgeschrittenen Stadium deutlich.


Dr. Heiko Golpon, Onkologe, Leiter des Lungenkrebszentrums an der Medizinischen Hochschule Hannover © Privat