Familiärer Krebs An die Lieben denken – Erbliches Risiko bei Brust- und Eierstockkrebs

Autor: Dietmar Kupisch

Bei einer genetischen Beratung wird ein Stammbaum über mindestens drei Generationen erhoben, um das Risiko zu klären. © Marta – stock.adobe.com; Rawpixel.com – stock.adobe.com

Etwa jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Krebserkrankungen der Eierstöcke sind seltener, ein bis zwei von 100 Frauen sind hiervon betroffen. In der Regel treten die Erkrankungen sporadisch auf, also als Einzelfall in der Familie. Aber das ist nicht immer so. Manchmal werden sie auch vererbt.

Die meisten Krebserkrankungen sind nicht erblich bedingt. Bei Brustkrebs tritt die Erkrankung jedoch bei circa fünf Prozent der Betroffenen infolge einer erblichen Veranlagung auf. Beim Eierstockkrebs sind es sogar zehn Prozent. „In diesen Fällen besteht sowohl bei der Patientin selber als auch bei ihren Verwandten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Krebserkrankungen, insbesondere Brust- und Eierstockkrebs“, sagt Dr. Susanne Morlot, Fachärztin für Humangenetik und Oberärztin am Institut für Humangenetik der Medizinischen Hochschule Hannover.

Hohes Erkrankungsrisiko bei Veränderungen in bestimmten Genen

Es ist daher sehr wichtig zu wissen, ob eine erbliche Veranlagung beziehungsweise eine Genveränderung vorliegt. „Familiärer Brust- und Eierstockkrebs kann infolge von Genveränderungen verschiedener Gene auftreten. Als häufigste Ursache konnten krankheitsverursachende Veränderungen in den Genen BRCA1 oder BRCA2 nachgewiesen werden, weitere Risikogene sind bekannt“, erklärt Dr. Morlot und betont: „Trägerinnen von krankheitsverursachenden Veränderungen dieser Gene tragen ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken.“ So liegt beispielsweise bei jungen Frauen, die eine krankheitsverursachende Genveränderung im BRCA1- oder BRCA2-Gen tragen, die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung an Brustkrebs bei etwa 70 Prozent und für Eierstockkrebs zwischen 11 und 44 Prozent.

In vielen Familien ist es möglich, mittels genetischer Untersuchungen zu erkennen, ob die Krebserkrankungen infolge einer erblichen Veranlagung aufgetreten sind. In diesen Fällen können die Wahrscheinlichkeit einer Wiedererkrankung bei einer bereits erkrankten Person und die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei gesunden Verwandten geklärt werden. „Durch intensivierte Früherkennungsuntersuchungen kann in diesen Familien eine Krebserkrankung meist früh erkannt und dann häufig besser und eventuell heilend behandelt werden“, lautet die Botschaft von Dr. Morlot. Auch vorbeugende Operationen der Brust und der Eierstöcke sind möglich.

Rechtzeitig nach Hinweisen suchen

Familien können also untersuchen, ob in der Verwandtschaft eine erbliche Veranlagung für Krebs besteht. Die Familienvorgeschichte und die Vorgeschichte des Betroffenen geben dazu die wichtigsten Hinweise. „Das Auftreten bestimmter Konstellationen kann Hinweise auf eine erbliche Veranlagung in der Familie geben“, sagt Dr. Morlot. Ist in einer Familie mindestens eine der aufgeführten Konstellationen bekannt, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass eine erbliche Veranlagung vorliegt:

  • drei an Brustkrebs erkrankte Frauen unabhängig vom Alter der Erstdiagnose
  • zwei an Brustkrebs erkrankte Frauen, davon eine mit einem Ersterkrankungsalter vor dem 51. Geburtstag
  • eine an Brustkrebs erkrankte Frau und mind. eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau
  • eine an Brust- und Eierstockkrebs erkrankte Frau
  • eine an Brustkrebs erkrankte Frau vor dem 36. Geburtstag
  • eine an beidseitigem Brustkrebs erkrankte Frau, deren Ersterkrankung vor dem 51. Geburtstag diagnostiziert wurde
  • ein an Brustkrebs erkrankter Mann und zusätzlich eine an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankte Frau
  • eine an einem triple-negativen Brustkrebs erkrankte Frau vor dem 50. Geburtstag
  • eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau vor dem 80. Geburtstag
  • eine bereits nachgewiesene krankheitsrelevante Variante in einem Risikogen in der Familie

Tumorgenetische Beratung empfohlen

Liegt bei einer Familie eine entsprechende Konstellation vor, sollten alle Familienmitglieder aufmerksam sein. „Wir empfehlen eine genetische Beratung zur weiteren Abklärung“, so Dr. Morlot. „Die genetische Beratung steht allen Erkrankten und Gesunden zur Verfügung, die befürchten müssen, dass die in der Familie aufgetretenen Krebserkrankungen erblich bedingt sind.“

Die genetische Beratung ist zunächst einmal ein ausführliches Gespräch, das durch einen Facharzt für Humangenetik oder einen Arzt mit spezieller Schulung durchgeführt wird. Zunächst wird ein Stammbaum über mindestens drei Generationen erhoben und es werden die genetischen Hintergründe erblicher Krebserkrankungen erläutert. Schließlich wertet der Berater sämtliche Informationen aus. „Anhand der Ergebnisse können wir sehen, ob die in der Familie aufgetretenen Krebserkrankungen eine erbliche Ursache haben könnten und wie hoch das eigene Erkrankungsrisiko ist“, erläutert Dr. Morlot. Besteht ein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung, wird eine genetische Untersuchung angeboten, jedoch entscheidet immer der – dann gut informierte – ­Patient, ob er diese genetische Untersuchung wünscht. Die genetische Untersuchung erfolgt in der Regel über eine Blutentnahme.

Abhängig von den Ergebnissen der Stammbaumanalyse und den genetischen Untersuchungen kann für Nachkommen und andere Verwandte geklärt werden, ob eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, an Krebs zu erkranken. „Für die betroffenen Personen und deren Verwandte können wir dann dem individuellen Risiko angepasste geeignete Früherkennungsuntersuchungen und eventuell Risiko-reduzierende Operationen anbieten“, ergänzt Dr. Morlot.


Dr. Susanne Morlot, Fachärztin für Humangenetik und Oberärztin am Institut für Humangenetik der Medizinischen Hochschule Hannover © Privat