Psychoonkologie Wem sag ich, wie’s mir geht?
Die Diagnose und Behandlung von Krebs betrifft und belastet Patienten und Angehörige gleichermaßen. Die meisten Patienten können sich an ihre Diagnosemitteilung noch Jahre danach erinnern und wissen genau, wem sie von der Krebsdiagnose als erstes erzählt haben. Dabei ist es für viele gar nicht leicht zu entscheiden, wem sie was mitteilen sollen.
Manche Menschen setzen sich zunächst nur im Kreise ihrer engsten Vertrauten mit der Krebsdiagnose auseinander. Für andere ist es wichtig, zur Bewältigung der neuen Situation mit vielen zu sprechen. „Grundsätzlich ist es hilfreich, offen und ehrlich mit der Erkrankung umzugehen“, sagt Martina Ohms, Psychologische Psychotherapeutin, Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt, „da andere nur Rücksicht nehmen und unterstützen können, wenn sie über die Erkrankung informiert sind.“
Dabei ist zu unterscheiden: Wer darf wissen, wie es einem geht und wer benötigt lediglich die Information, dass eine (Krebs-)Erkrankung vorliegt – wie zum Beispiel der Arbeitgeber, der informiert sein sollte, dass man längerfristig arbeitsunfähig ist.
Die Lehrerin versteht so, warum die 10-jährige Anna in der letzten Zeit unkonzentriert ist, und kann mit Nachsicht reagieren. Auch tauscht die Arbeitskollegin eher den Dienst, wenn sie weiß, dass ihr Kollege seine an Krebs erkrankte Ehefrau zum Arztgespräch begleiten möchte.
Offenheit hilft bei der Bewältigung
„Viele Patienten werden durch die Diagnose ‚Krebs‘ zum ersten Mal mit einer existenziellen Situation konfrontiert“, ergänzt die erfahrene Psychotherapeutin. In einem ersten Schritt ist es wichtig zu schauen, was angesichts von Diagnose und Behandlung besonders belastet, und in einem zweiten sich zu erinnern, was in früheren, schwierigen Situationen geholfen hat. Auf diese Strategien zurückzugreifen, sich weitere Möglichkeiten zu suchen und sich auf Unterstützung des sozialen Umfeldes einzulassen, ist förderlich im Umgang mit der Erkrankung.
Die Reaktionen? Unterschiedlich!
Je offener Gefühle und Bedürfnisse kommuniziert werden, desto leichter ist es für das nähere Umfeld, darauf einzugehen. Die Nachbarin, die von der Kraftlosigkeit weiß, trägt die Einkaufstaschen hoch. Vor dem Partner sind auch Ängste und Tränen erlaubt und von ihm in den Arm genommen zu werden, tröstet.
Allerdings reagiert nicht jeder in der Familie und im Freundeskreis so, wie man es erwartet hätte. Manche sind mit der Krebserkrankung überfordert und ziehen sich zurück. Frau K. reagierte darauf: „Ich habe zwar jetzt Krebs und eine Glatze, aber ansonsten bin ich immer noch die gleiche, bitte behandelt mich auch so.“ Andere überschütten einen ungefragt mit Informationen, die man nicht hören will. „In diesem Fall sorgt man am besten für sich, in dem man genau dies freundlich, aber bestimmt dem anderen mitteilt“, so die Psychoonkologin.
Professionelle Hilfe annehmen
Bereits während eines stationären Aufenthaltes bieten Psychoonkologen Gespräche an, um Patienten bei der Bewältigung der Erkrankung zu unterstützen. Ohne sich sorgen zu müssen, ob das Gegenüber es aushält, ist es möglich, offen über sonst verborgene Ängste und geheime Sorgen zu sprechen. Dies wirkt zum einen entlastend und eröffnet weitere Wege im Umgang mit der Situation. „Immer dann, wenn z.B. Angst stark hemmt, Hilflosigkeit empfunden wird, der Schlaf über längere Zeit gestört ist und Kleinigkeiten zu Katastrophen werden, sollte professionelle Hilfe von Psychoonkologen in Anspruch genommen werden“, betont Martina Ohms.
Wo finde ich Hilfe?
Professionelle Hilfe können Krebspatienten über folgende Kanäle erfragen oder direkt erhalten:
Im Krankenhaus durch Psychoonkologen. Sie geben auch Informationen über ambulante psychoonkologische und psychosoziale Angebote.
Der weiterbehandelnde Facharzt oder Hausarzt weiß i.d.R. auch, welche Hilfe in der Umgebung für Krebspatienten angeboten wird.
Auch die Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen geben gerne Auskunft.
Im Internet finden Sie Suchfunktionen für psychosoziale Krebsberatungsstellen und für auf Psychoonkologie spezialisierte niedergelassene Psychotherapeuten, unter anderem hier:
Die Zeit nach Klinikaufenthalten und dem Abschluss der anstrengenden Therapien bringt neue Schwierigkeiten. Oft wird von den Kranken erwartet, nachdem „jetzt alles überstanden sei“, dass sie wieder so funktionieren wie vorher. „Dabei ist das Leben selten das gleiche wie vorher“, sagt Martina Ohms. Körper und Seele werden durch eine Krebserkrankung und -behandlung verändert: Es sind Prozesse der Anpassung und der Neuorientierung erforderlich.
Dies gilt zum Beispiel auch für den Wiedereinstieg ins Berufsleben. So setzte Frau S. ihren bereits vor der Krebsdiagnose gehegten Wunsch, weniger Überstunden zu machen, als sie wieder anfing zu arbeiten, in die Tat um. Während der Erkrankung hatte sie gelernt, weniger perfektionistisch zu sein und Dinge gelassener anzugehen. Sie behielt auch ihr neu entdecktes Hobby Aquarellmalerei bei.
Es kann jedoch auch schmerzlich sein zu erkennen, dass die eigenen Erwartungen oder die des Umfeldes nicht der Realität standhalten, die körperliche Leistungskraft nicht mehr die gleiche ist wie zuvor und der Erkrankte zum Beispiel schneller erschöpft ist und häufiger Erholungszeiten braucht.
Auch Ängste vor dem Wiederauftreten der Erkrankung – man spricht dann von Progredienzängsten – sind den meisten der Erkrankten bekannt. Das Ausmaß der Angst ist unterschiedlich und nur in einigen Fällen behandlungsbedürftig. Aber fast alle erleben kurz vor einem Nachsorgetermin eine ganz „normale“ Anspannung. Dies kann beispielsweise zu verstärkter Reizbarkeit führen. Zur Entspannung der Situation kann es beitragen, offen über die Ängste zu sprechen, damit der andere die Reaktion besser versteht. Denn gemeinsam sind schwierige Lebenssituationen leichter zu bewältigen.