Ruhe und Entspannung Mit Yoga die Balance wiederfinden

Autor: Tina Krepela

Yoga: Eine Reise zum inneren Frieden. © Vasyl – stock.adobe.com

Menschen mit einer Krebsdia­gnose geht eine Unmenge an Gedanken durch den Kopf. Meist kreisen diese immer um dasselbe Thema und belasten den Alltag. Lesen Sie, wie Yoga dabei helfen kann, ungute Gedankenkreisel zu durchbrechen und dabei den Körper, den Geist und die Seele wieder in Balance zu bringen.

Gedämpftes Licht, Stille und Wärme beherrschen den Übungsraum. Olivia B., 65 Jahre alt, liegt in der Mitte des Raums auf dem Rücken. Die Arme ruhen mit den Handflächen nach oben ausgestreckt neben ihr. Die Beine sind angewinkelt. Ihre Augen sind geschlossen und sie atmet ruhig und tief, aus und ein. Von Olivia B. geht völlige Ruhe und Entspannung aus. Nichts und niemand kann sie, so scheint es, aus der Ruhe bringen.

Dusche für die Seele

„Nach den Yoga-Übungen fühle ich mich wie nach einer Dusche“, sagt Olivia B. „Mein Kopf, mein Körper und meine Seele sind dann wieder frisch und munter – so als hätte ich die Alltagssorgen abgewaschen.“ Die Welt und die Sorgen haben sich durch die Yoga-Übungen natürlich nicht verändert, aber Olivia B. fühlt sich stärker und fitter. Sie kann ihren Alltag einfach besser bewältigen. Das war nach der Brustkrebsdiagnose und -therapie nicht immer so. Nach der Operation und Bestrahlung konnte sie die Arme nicht mehr richtig bewegen und die Sorgen um die Zukunft blockierten die Gedanken immer wieder. Aber: Probieren geht über studieren.

Ein guter Rat stand am Anfang

„Auf das Yoga hat mich eigentlich der Physiotherapeut gebracht“, berichtet Olivia B. „Als ich ihm erzählte, dass meine Sorgen die Stimmung von mir manches Mal ganz nach unten drücken, hat er Yoga angesprochen. Das sei gut für den Körper und die Seele, hat er gesagt. Und zudem eine gute Ergänzung zur Physiotherapie.“ Zuerst war Olivia B. skeptisch und fragte ihren Hausarzt, ob das etwas bringe. „Schaden kann es auf keinen Fall, den meisten hilft es sogar sehr gut“, hat er gesagt. „Ich soll nur darauf achten, dass ich nicht zu forsch an die Sache herangehe.“

Daher kam eine Yoga-Gruppe nicht infrage. Wenn überhaupt, dann sollte dies nur in Einzelstunden ausprobiert werden. Zu ihrer Überraschung ist schon nach der ersten Stunde klar: Yoga tut Olivia B. gut. Seit zwei Jahren macht sie nun täglich Yoga. In Einzelstunden holt sie sich immer wieder Unterstützung bei ihrem Yoga-Lehrer. „Vielleicht hätte ich schon viel früher Yoga machen sollen“, sagt Olivia B. und lacht. „Aber was soll’s, ich habe ja noch rechtzeitig damit beginnen können.“

Achtgeben

„Nach einer Krebstherapie sollen Patienten mit Yoga-Übungen beginnen, die auf die Einschränkungen und die Bedürfnisse genau angepasst sind“, betont ­Katrin Mund, Yogalehrerin aus Fritzlar. „Das können ein Buch, eine CD oder ein YouTube-Film niemals leisten.“ Oft sind dafür Hilfsmittel notwendig, die im klassischen Yoga nicht verwendet werden. „Um das Ziel der bestmöglichen Entspannung zu erreichen und die Atmung zu vertiefen, setze ich gerne Decken, Kissen oder Bänke und Stühle ein“, sagt Katrin Mund. „Damit können zum Beispiel Dehnungsübungen ganz vorsichtig und gezielt gesteuert werden.“

In Ruhe aufbauen

Am Anfang stehen einfache Übungen, die auf die Atmung und damit auf die Entspannung ausgerichtet sind. „Dabei ist es wichtig, sehr tief und bewusst zu atmen“, betont die Yogalehrerin. „Die Patienten sollen zunächst lernen, sich so gut zu entspannen, dass sie in ihren Körper hineinhören und seine Signale wahrnehmen können.“ Dann werden sie rasch merken, was sie be- und was sie entlastet. Im nächsten Schritt gilt es dann genau das zu verstärken, was entlastet, und das zu vermeiden, was belastet. „Auf diese Weise kann Yoga den Körper, die Seele und den Geist stärken und ins Gleichgewicht bringen“, sagt Katrin Mund. „Es wirkt auf das Nervensystem, die Muskeln, Sehnen und Organe.“

Wie Yoga helfen kann

Mit Yoga sollen Körper, Geist und Seele in ein wohltuendes Gleichgewicht gebracht werden. Der Name des sehr alten indischen Übungssystems kann auch mit Einheit, Verbindung oder Harmonie übersetzt werden. Heute wird Yoga aus verschiedenen Gründen betrieben: Die einen wollen ihre körperliche Fitness steigern, die anderen sehen darin eine spirituelle Erweiterung. Traditionell soll Yoga beide Bereiche gleichermaßen im Blickfeld haben. Seit dem Jahr 2016 ist Yoga Immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO.

Studien machen deutlich, dass Yoga den Stoffwechsel bis in einzelne Zellen hinein positiv beeinflusst und die Seele wieder in eine gesunde Balance bringen beziehungsweise dort halten kann.

Der eigene Frieden

Frauen, die Yoga betreiben, werden als Jogini und Männer als Jogi bezeichnet. Je länger und intensiver Yoga betrieben wird, umso stärker spüren sie die Veränderungen. Körper, Geist und Seele werden zunehmend belastbarer und gelassener. Viele bauen Yoga fest in den Tagesablauf ein. Und alle vereint ein Ziel: „Sind Herzschlag, Atmung und Gedanken gut miteinander verbunden, spüren die Patienten, dass sie und die Welt im Einklang sind“, so Katrin Mund. „Sie hören ihren eigenen Frieden.“


Katrin Mund, Yogalehrerin aus Fritzlar © Privat