Rehabilitation Hilfe für die ganze Familie

Autor: MPL-Redaktion

Zurück ins Leben – für alle. © iStock/Liderina

Krebserkrankungen von Kindern heben die ganze Lebenswelt der Familie aus den Angeln. Lesen Sie, wie eine Familienorientierte Rehabilitation die Normalität in den Alltag zurückbringen kann.

REHABILITATION.  Krebserkrankungen von Kindern heben die ganze Lebenswelt der Familie aus den Angeln. Lesen Sie in Perspektive LEBEN, wie eine Familienorientierte Rehabilitation die Normalität in den Alltag zurückbringen kann. Seit den 1980er-Jahren können Chemotherapien, Bestrahlungen auch bei Kindern und Jugendlichen wirkungsvoll gegen Krebs eingesetzt werden. Schnell wurde damals klar, dass die Konzepte der Rehabilitation nicht auf Kinder und Jugendliche eins zu eins übertragen werden konnten. Andere Ideen der Rehabilitation waren und sind noch heute notwendig. Darüber hinaus haben Kinder und Jugendliche nach einer akuten Krebstherapie keine oder völlig andere körperliche Einschränkungen als erwachsene Patienten. Auch auf diese Situation musste die Heilbehandlung ausgerichtet werden.

Die Akutbehandlung

Während der Akutbehandlung sind die Kinder meist in Krankenhäusern untergebracht. Die Eltern versuchen dabei, so viel Zeit wie möglich im Krankenhaus bei den Patienten zu verbringen.

Diese Anwesenheit wirft Tagespläne und Gewohnheiten einer Familie oft über den Haufen. Das hat auch immer Auswirkungen auf den Beruf, den Freundes- und Verwandtenkreis und natürlich auch auf die Geschwister. Je nach Dauer und Intensität der Behandlung sowie der Entfernung des Krankenhauses vom Wohnort der Familie sind die Auswirkungen auf den Familienverbund gravierend und manchmal sehr lang andauernd.

Nach der Behandlung

Wenn die Akutbehandlung abgeschlossen ist, müssen die Familien eine neue Ordnung und Normalität wiederherstellen. Diese neue Normalität ist fast immer eine ganz andere als die Lebenssituation vor der Behandlung. Manche Probleme treten in den Hintergrund, andere wiederum in den Vordergrund. Vieles ist möglich, was vorher unmöglich erschien und umgekehrt. „Dieses neue Gefüge in der Familie zu finden, ist ein ganz wichtiger Prozess“, sagt Johanna Ringwald Dipl. Psychologin, Medizinische Universitätsklinik Tübingen. „Diese Umstellung braucht seine Zeit. Die Familien sollen durchatmen, zur Ruhe kommen und ihren Alltag wiederfinden, bevor sie die nächsten Schritte während einer Familienorientierten Rehabilitation lernen und erleben.“

Ein halbes Jahr Zeit

Erfahrungsgemäß brauchen die meisten Familien etwa ein halbes Jahr, um diesen Prozess zu durchlaufen. Dann sind neue Verhaltensweisen gefestigt und Probleme sowie Positives werden im Alltag sichtbar. „Daher setzt die Familienorientierte Rehabilitation genau zu diesem Zeitpunkt an“, betont Johanna Ringwald. „Die einzelnen Familienmitglieder können jetzt Fragen stellen, die es zu bearbeiten oder zu belassen gilt.“

In dieser Zeit wird die Entscheidung gefällt, wo und wann die Rehabilitation stattfinden soll. Dies geschieht gemeinsam mit den Familien und dem Sozialdienst des behandelnden Zentrums. In Deutschland bieten fünf Kliniken eine sogenannte Familienorientierte Rehabilitation an. Von Sylt im Norden über Bernau im Osten, Bad Oexen im Nordwesten und zwei im Schwarzwald sind die Kliniken über ganz Deutschland verteilt. Die Erfahrung zeigt, dass Familien aus dem Norden in den Süden tendieren – und umgekehrt.

Ohne Ausnahme

Das Konzept der Familienorientierten Rehabilitation sieht vor, dass alle Mitglieder des Familienverbundes die Rehabilitation gemeinsam beginnen und beenden. Der Grund ist ganz einfach: Alle Familienmitglieder müssen ihre jeweilige Rolle und Beziehung in der Familie auf die Alltagstauglichkeit überprüfen und eventuell revidieren. Außerdem muss sich jeder, nicht nur das erkrankte Kind, von der anstrengenden Zeit erholen und Abstand gewinnen. Das geht natürlich nur, wenn alle Mitglieder der Familie auch in der Rehabilitation sind. Natürlich besteht keine Regel ohne Ausnahme: Je nach Situation können auch andere Bezugspersonen der Familie mit in die Rehabilitation aufgenommen werden.

Das Konzept

Verschiedene Säulen tragen das Konzept der Familienorientierten Rehabilitation:

  •  Erstens werden alle Familienmitglieder individuell seelisch und körperlich betreut.
  • Zweitens wird der Austausch von Geschwisterkindern, Eltern und Patienten untereinander gezielt gefördert. Auch der Austausch innerhalb der Familie steht immer wieder im Vordergrund.
  •  Besonders entlastend empfinden Eltern drittens den Austausch mit anderen Betroffenen. „Am Anfang hatte ich die Befürchtung, dass ich mir jetzt über drei Wochen die Geschichten aller anderer anhören muss“, sagt Felix, 45 Jahre. „Aber schnell wurde mir klar, diese Befürchtung haben alle.“ Nachdenklich fügt er hinzu: „Es hat mir gut getan, zu sehen, dass viele die gleichen Probleme haben. Und ich erlebe, dass ich in der Rehabilitation Strategien lerne, wie ich die Probleme besser in den Griff bekomme.“

Wichtige Komplett-Hilfe für jeden

Schule, Kindergarten, Fitness, Werken und Freizeit bilden den organisatorischen Rahmen und stützen die medizinischen und psychosozialen Ziele entscheidend. Familien sollten sich diese Angebote gönnen!

Die Vorteile

Alle Familienmitglieder werden als Individuen betrachtet. Daher erhält jeder einen individuellen Plan für die gesamte Rehabilitation. Im Vordergrund stehen die medizinischen und psychosozialen Aspekte der einzelnen Familienmitglieder. Die einzelnen Familienmitglieder werden individuell und in Gruppen, aber auch im Familienverbund gestärkt. „Dabei werden die Familien völlig von Aufgaben des Alltags entlastet“, betont Johanna Ringwald. „Das ist für alle eine Wohltat. Die Familien können sich völlig auf sich und ihre Zukunft konzentrieren.“


Johanna Ringwald; Dipl. Psychologin, Medizinische Universitätsklinik Tübingen © privat