Realistisches Ziel Zervixkarzinom durch HPV-Impfung eliminieren
Zugegeben, hinsichtlich der Inzidenz rangiert das Zervixkarzinom in Deutschland nicht auf den vorderen Plätzen. Etwa 4400 Frauen erkranken jährlich neu daran, 1600 sterben. Allerdings wird die Diagnose besonders häufig in einem Alter zwischen 35 und 45 Jahren gestellt und oft sind auch noch jüngere Frauen betroffen. „Das Zervixkarzinom kostet daher viele Lebensjahre“, betonte Professor Dr. Christian Dannecker, Augsburg.
Gute Gründe für die HPV-Impfung
Der Kampf gegen das Zervixkarzinom wird zum einen mit sekundärpräventiven Maßnahmen wie dem Pap-Test oder dem HPV-Test geführt. Darüber hinaus ist seit geraumer Zeit die Impfung gegen das humane Papillomvirus HPV verfügbar. Für ihren Einsatz sprechen gute Gründe. Zum einen ist die HPV-Infektion die herausragende Ursache für die Entstehung von Zervixkarzinomen.
„95 Prozent dieser Erkrankungen sind darauf zurückzuführen“, erläuterte Prof.Dannecker. Zum anderen habe sich die Impfung als gut wirksam erwiesen – und dies nicht nur in Bezug auf Krebsvorstufen, sondern auch auf invasive Karzinome. Zuletzt zeigte sich in einer 2020 publizierten schwedischen Studie, dass das Risiko für ein Zervixkarzinom in einer geimpften Kohorte gegenüber dem in einer nicht-geimpften massiv erniedrigt war.
Rote Karte dem Zervixkarzinom – was die Symposiums-Teilnehmer fordern
- Systematische Ansprache und Registrierung der Zielpersonen für die HPV-Impfung (analog zum organisierten HPV-Screeningprogramm)
- Zielgruppengerechte Kommunikation mit altersgerechter Sprache über geeignete Kommunikationskanäle (zum Beispiel Social Media)
- Mehr ärztliches Engagement, indem die HPV-Impfung entsprechend der STIKO-Empfehlung bei jedem Arztbesuch thematisiert wird: Impfung ab 9 Jahre und nicht erst kurz bevor die Jugendlichen (Mädchen und Jungen) sexuell aktiv werden
- Informationskampagnen mit einem staatlich vorgegebenen Impfziel, der konsequenten Korrektur von Fehlinformationen, die der HPV-Impfung in Deutschland erheblichen Schaden zugefügt haben, und dem Einsatz moderner Medien
- Pilotprojekte an Schulen mit Information, Aufklärung und Impfangeboten
- Catch-up-Programme nach der COVID-19-Pandemie, um diejenigen, die in den vergangenen eineinhalb Jahren die Impfung versäumt haben, wieder zu erreichen
Eine weitere gute Nachricht kommt aus der deutschen HPV-Prävalenzstudie II des RKI und der Charité Berlin. Laut Professor Dr. Andreas Kaufmann, Berlin, zeigt der Vergleich mit der Basisstudie aus den Jahren 2010/2011, dass die Prävalenz der in den Impfstoffen enthaltenen HPV-Typen deutlich zurückging. „Das ist ein Signal, das uns hilft, die Effektivität und Kosteneffizienz der HPV-Impfung zu bewerten“, sagte Kaufmann und ergänzte: „Es braucht 480 Impfungen, um einen Tod durch ein Zervixkarzinom zu verhindern, 180, um die Diagnose eines Zervixkarzinoms zu verhindern, und 17, um die Diagnose einer Krebsvorstufe zu verhindern. Im Gegensatz dazu muss man 40.000 Airbags in ein Auto einbauen, um einen Verkehrstoten zu verhindern.“
Impfung in Schulen steigert die Impfquote
„Mit der Impfung haben wir tatsächlich die Möglichkeit, dem Zervixkarzinom die rote Karte zu zeigen und es zu eliminieren“, unterstrich auch Professor Dr. Peter Hillemanns, Hannover. Allerdings ist die Impfquote in Deutschland dafür zu gering. Gerade mal 43 Prozent der 15-jährigen und 51 Prozent der 18-jährigen Frauen sind vollständig geimpft, gut zehn Prozentpunkte darüber liegen die Quoten für die erste Dosis. Damit zählt Deutschland zu den Schlusslichtern unter den Ländern mit hohem Einkommen. Die Impfquote steigt zwar auch hierzulande, aber viel zu langsam. „In diesem Tempo dauert es Jahrzehnte, bis wir die für eine sichere Herdenimmunität notwendigen 80 Prozent erreichen“, kommentierte Prof. Hillemanns.
Impfquote steigt, aber viel zu langsam
Was aber ist das Geheimnis einer hohen Impfquote? Als sehr effektiv scheint sich die Impfung an Schulen zu erweisen. Der Unterschied zwischen Ländern mit entsprechenden Programmen, wie beispielsweise Australien, Kanada, Großbritannien, Norwegen oder Schweden, und solchen ohne entsprechende Programme beträgt nicht selten 30 oder mehr Prozentpunkte.
Tamara Hussong-Milagre von der portugiesischen Patientenorganisation Evita plädierte daher dafür, die Impfung an Schulen zu implementieren. Zudem riet sie, auf eine zielgruppengeeignete Kommunikationsstrategie zu setzen. Und Prof. Kaufmann rief noch einmal in Erinnerung, was in Deutschland vor rund 50 Jahren mit einer anderen Impfung erreicht wurde: „Meine Generation hat damals die Pocken-Impfung auf sich genommen und wir haben damit die Pocken eliminiert.“ Aufgabe der heutigen Schülergeneration sei es, dasselbe mit HPV zu tun.
Kongressbericht: 7. Interdisziplinäres Symposium „Innovations in Oncology – Vision Zero“