Zytostatika So wirken moderne Chemotherapien

Autor: MPL-Redaktion

Moderne Chemotherapien sind vielfältig – und werden gut vertragen. © Kunstzeug – stock.adobe.com

Sie sind zentrale Säulen der Krebstherapie. Mit Medikamenten beziehungsweise chemischen Substanzen bekämpfen Chemotherapien bösartige Tumoren. Im weiteren Sinne versteht man unter Chemotherapie jede Art von medikamentöser Behandlung, bei der Zellen zum Absterben gebracht oder am Wachstum gehindert werden. Was heute alles möglich ist, lesen Sie hier.

Perspektive LEBEN sprach über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten moderner Chemotherapien mit dem Experten Professor Dr. Claus-Henning Köhne. Der Onkologe ist Direktor der Klinik für Onkologie und Hämatologie im Klinikum Oldenburg. Tumorzellen vermehren sich hemmungslos. Eine Chemotherapie bremst diese Zellteilung und lässt sich für vier Behandlungsziele einsetzen:

  • Die kurative Chemotherapie ist auf die Heilung der Krebserkrankung ausgerichtet. Die Medikamente sollen Tumorzellen zerstören.
  • Die adjuvante Chemotherapie wird im Anschluss an eine Operation eingesetzt. Sie soll nicht entfernte Metastasen oder Tumorreste zerstören.
  • Die neoadjuvante Chemotherapie wird vor einer Tumoroperation geplant. Sie soll vor allem den Tumor operabler machen, beispielsweise wenn er zu groß ist oder schlecht erreicht werden kann.
  • Die palliative Chemotherapie ist auf die Linderung der krankheitsbedingten Schmerzen ausgelegt.

1. Die klassische Chemotherapie

Tumorzellen teilen sich meist sehr schnell. Die Medikamente der klassischen Chemotherapie bekämpfen solche Zellen. Da es im Körper auch gesunde Zellen gibt, die sich schnell teilen, werden diese ebenfalls angegriffen. So beispielsweise Zellen der Haare oder der Schleimhäute. Das kann dann zu den bekannten Nebenwirkungen führen, wie Haarausfall oder Schleimhautentzündungen. Sie lassen sich jedoch gut lindern und verschwinden in der Regel wieder, sobald die Therapie beendet ist. „Die klassische Chemotherapie kann mit unterschiedlichen Wirkstoffen durchgeführt werden. Es gibt zum einen die Gruppe der Antimetaboliten. Sie bewirken, dass in die Tumorzellen Aminosäuren eingebaut werden, die die Zellteilung behindern. Die Zelle wächst nicht mehr weiter und stirbt ab“, beschreibt Prof. Köhne die Wirkweise.

Eine weitere Wirkstoffgruppe sind die Alkylantien. Diese Medikamente verändern die DNA-Stränge der Tumorzelle so, dass keine Zellteilung mehr möglich ist. „Zu erwähnen sind zudem die Platinderivate. Sie verhindern ebenfalls die Zellteilung, indem sie die Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen DNA-Strängen beeinflussen“, erläutert Prof. Köhne und fügt hinzu: „Mitosehemmer sind Medikamente, die den Teilungsschritt der Zelle blockieren.“

2. Dosisdichte Chemotherapie

Frauen mit einem frühen Brustkrebs werden heute häufig vor der Operation und der Bestrahlung mit einer Chemotherapie behandelt. Fachleute sprechen dann von einer neoadjuvanten Chemotherapie. Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass Patientinnen mit einem besonders aggressiven Brustkrebs von einer sogenannten dosisdichten Chemotherapie zusätzlich profitieren können. Bei einer dosisdichten Chemotherapie wird das Intervall gegenüber der Standardchemotherapie von drei auf zwei Wochen verkürzt.

Im Unterschied zu einer herkömmlichen Chemotherapie werden die unterschiedlichen Medikamente nicht als Kombination, sondern nacheinander verabreicht und zusätzlich die Dosis jedes einzelnen Medikaments erhöht. Das kann das Immunsystem stark belasten. Daher wird es regelmäßig mit zusätzlichen Medikamenten unterstützt. Fachleute sprechen dabei von den sogenannten Wachstumsfaktoren. Mit diesen Wachstumsfaktoren soll sichergestellt werden, dass das Immunsystem so stark bleibt, dass die geplanten Intervalle und Dosen der dosisdichten Chemotherapie eingehalten werden können.

3. Gift im Gepäck

Krebszellen vermehren sich viel rascher als die meisten anderen Zellen in unserem Körper. Daher ist ihr Bedarf an Sauerstoff, Nährstoffen und Eiweißverbindungen viel höher als bei gesunden Zellen. Forscher fanden heraus, dass Krebszellen aus dem Blut besonders viel von einem bestimmten Eiweiß, dem Albumin, aufnehmen. Albumin ist im Blut, unter vielem anderem, auch dafür verantwortlich, dass bestimmte wasserunlösliche Stoffe im Blut transportiert werden können.

Dies machen sich Mediziner zunutze. Sie binden nämlich Medikamente einer Chemotherapie an das Albumin. Nehmen die Krebszellen dieses Albumin mit dem Medikament im Gepäck auf, um es als Baustoff für das eigene Wachstum zu verwenden, wird die Verbindung gelöst und das Medikament kann gezielt im Tumor wirken. Noch steht die Entwicklung am Anfang. Erste an Albumin gebundene Chemotherapeutika sind bereits verfügbar.

4. Trojanisches Pferd

In unserem Blut schwimmen Antikörper umher, die krankes oder entartetes Gewebe im Körper erkennen und markieren können. Sie signalisieren dann anderen Zellen des Immunsystems, dass diese Strukturen bekämpft werden müssen. Leider können körpereigene Antikörper Krebszellen meist nicht erkennen und damit auch nicht markieren. Im Labor können heute aber schon Antikörper hergestellt werden, die gegen ganz bestimmte Krebszellen gerichtet sind.

Ziel ist, dass die körpereigenen Immunreaktionen ausgelöst werden oder bestimmte Signalwege in den Tumorzellen gestört werden. Antikörper lassen sich aber auch als Trojanisches Pferd nutzen. Wissenschaftlern gelingt es heute nämlich, Antikörper mit Zellgiften zu verbinden. Fachleute sprechen dann von einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat. Der Trick dabei ist, dass der Antikörper nur die Strukturen aufsucht, die für den Krebs typisch sind. Verbindet sich der Antikörper dann mit der Krebszelle, wird der Wirkstoff der Chemotherapie freigesetzt und kann die Zelle abtöten. Erste Medikamente mit diesem Wirkmechanismus sind bereits zugelassen. Zahlreiche weitere sind in der Erprobung.


Professor Dr. Claus-Henning Köhne, Direktor der Klinik für Onkologie und Hämatologie im Klinikum Oldenburg © Privat