Lungenkarzinom Molekularbiologische Diagnostik gibt Sicherheit
Zur Bekämpfung des Lungenkrebs stehen Onkologen heute zahlreiche Behandlungsmethoden zur Verfügung, die für viele Tumorarten und -stadien geeignet sind. „Um eine möglichst wirkungsvolle Therapiestrategie entwickeln zu können, müssen wir wissen, mit welchem Tumor wir es genau zu tun haben“, erläutert Privatdozent Dr. Heiko Golpon, Leiter des Lungenkrebszentrums an der Medizinischen Hochschule Hannover. „Um dies festzustellen, bedienen wir uns einer umfangreichen Diagnostik.“
Sich ein Bild machen
Erste Hinweise, dass tatsächlich Lungenkrebs vorliegt, erhalten Ärzte durch bildgebende Verfahren. Dazu zählen vor allem die Röntgenuntersuchung und die Computertomographie. „Zur exakten Sicherung der Diagnose analysieren wir das verdächtige Gewebe. Die Entnahme erfolgt mittels einer Lungenspiegelung, der sogenannten Bronchoskopie. Unter dem Mikroskop sehen wir dann, ob es sich um Krebszellen handelt“, erklärt Dr. Golpon.
Diese sogenannte histologische Untersuchung ermöglicht darüber hinaus auch die genauere Bestimmung der Tumorart. So können die Experten die beiden Hauptformen des Lungenkrebs unterscheiden: den nicht kleinzelligen und den kleinzelligen Lungentumor. Ferner sind auch weitere Untergruppen erkennbar, beispielsweise die häufig vorkommenden Adenokarzinome und das Plattenepithelkarzinom. „Im Anschluss an die histologische Untersuchung folgt die molekularbiologische Diagnostik.
Ziel ist es zu erkennen, ob die Krebszellen bestimmte Veränderungen in ihren Genen tragen, die sie für eine zielgerichtete Therapie oder eine Immuntherapie empfänglich machen“, erläutert Dr. Golpon und ergänzt: „Wir versuchen, solche molekularen Zielstrukturen nutzbar zu machen, zu erkennen, welche Angriffsflächen der Tumor bietet. Erst dann können wir eine individuelle Therapiestrategie festlegen. Fachleute sprechen hier von prädiktiven Faktoren. Sie geben Hinweise, ob eine Behandlung wirksam ist.
So wirken zielgerichtete Medikamente zumeist nur, wenn die Tumorzelle bestimmte Eigenschaften aufweist. Im Hinblick auf die moderne Immuntherapie ist es vorteilhaft, wenn die Tumorzellen den Immunmarker mit der Bezeichnung PD-L1 aufweisen. Spezielle Medikamente in Form von Antikörpern aktivieren das Immunsystem dahingehend, dass es die Tumorzellen erkennt und angreift. Werden diese prädiktiven Faktoren auf den Tumorzellen nicht gefunden, ist eine entsprechende Behandlung weniger erfolgversprechend.
Diagnostik ist standardisiert
Solche molekularbiologischen Tests führen die Experten bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorstadien durch, bei denen eine lokale Therapie wie eine Operation oder Strahlentherapie nicht ausreicht oder infrage kommt. Von Jahr zu Jahr finden Forscher neue molekulare Marker. Die Diagnostik erweitert sich somit, wird ständig angepasst und immer komplexer. In Lungenkrebszentren sind diese molekularbiologischen Untersuchungen mittlerweile standardisiert. „Dank dieser speziellen Diagnostik kommen heutzutage etwa ein Viertel der Patienten im fortgeschrittenen Tumorstadium für eine zielgerichtete Therapie infrage.
Seit drei Jahren werden Patienten anstelle einer Chemotherapie auch mit einer alleinigen Immuntherapie behandelt“, betont Dr. Golpon. Zudem forschen Onkologen unaufhörlich an weiteren Therapieansätzen. So wurde letztes Jahr eine neue Kombinationstherapie, bestehend aus einer Immun- und Chemotherapie, zur Bekämpfung des fortgeschrittenen Lungenkrebses eingeführt.
Operation in frühen Stadien die erste Wahl
In frühen Stadien kommen andere Therapieansätze zum Tragen. Hier gilt nach wie vor die Operation als die Behandlungsmethode der ersten Wahl. Kann das Tumorgewebe chirurgisch komplett entfernt werden, ist eine vollständige Heilung möglich. Möglich ist dies, wenn der Mutterherd noch nicht gestreut hat und es sich um einen nicht-kleinzelligen Tumor handelt.
Bei ungefähr einem Viertel der Fälle ist dies der Fall. Auch die Chemotherapie ist bei diesen frühen Tumorstadien ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Die Ärzte können mit ihrem Einsatz unterschiedliche Ziele verfolgen. „Wir setzen die Chemotherapie oftmals vor einer Operation ein, fachsprachlich neoadjuvant, um den Tumor zu verkleinern und damit operabler zu machen. Aber auch nach der Operation, also adjuvant, um eventuell verbliebene Krebszellen zu zerstören“, beschreibt Dr. Golpon den Einsatz der Chemotherapie für frühe Tumorstadien.