Gehirntumoren Maximale Sicherheit mit moderner Medizintechnik

Autor: MPL-Redaktion

Bei Operationen im Gehirn ist absolute Präzision die unerlässliche Voraussetzung. © iStock/DNY59

Die Diagnose kommt meist völlig unvermittelt. Betroffene fragen sich, wie es nun weitergeht und – natürlich – welche Therapie auf sie zukommt. Perspektive LEBEN sprach mit dem Experten Professor Dr. Paul Kremer. Er ist Chefarzt der Neurochirurgie an der Hamburger Asklepios Klinik Nord.

Zu Beginn wird der Gehirntumor per Bildgebung diagnostiziert. Mithilfe eines speziellen Verfahrens, der Magnetresonanztomographie – kurz MRT –, kann der Tumor genau lokalisiert werden. „Im nächsten Schritt entnehmen wir Gewebe. Denn nur so können wir erkennen, um welche Tumorart es sich handelt“, erklärt Prof. Kremer. Das kann mittels einer sogenannten stereotaktischen Biopsie erfolgen. Dabei bedienen sich die Mediziner eines minimal-invasiven Verfahrens, bei dem über eine wenige Millimeter messende Schädeleröffnung mit einer dünnen Nadel eine kleine Tumorprobe entnommen wird. Durch eine MRT-basierte Zielsteuerung stellt der Operateur sicher, dass er die richtige Tumorstelle trifft, ohne dass wichtige Hirnstrukturen verletzt werden.

Millimetergenaue Eingriffe

Deuten bereits die MRT-Bilder auf einen bösartigen Tumor, wird nicht nur Gewebe entnommen, sondern gleichzeitig versucht, den Tumor vollständig zu entfernen. Das ist dann immer das oberste Ziel.

Für eine solche Operation eröffnen die Chirurgen die Schädeldecke. Je nach Lage und Größe des Tumors benötigen sie eine Öffnung, die etwa drei bis fünf Zentimeter groß ist. Eingriffe dieser Art sind für Patienten mittlerweile sehr sicher geworden – dank der modernen Medizintechnik. „Für die Planung des Eingriffs nutzen wir ein spezielles Navigationssystem. Es wertet die Bilder aus und zeigt dem Chirurgen den optimalen Weg zum Tumor“, betont Prof. Kremer. So kann heutzutage zielgenau operiert werden, ohne gesundes Gewebe zu beschädigen. Um die Wirksamkeit und Zielgenauigkeit der Operation zusätzlich zu verbessern, machen die Experten das Tumorgewebe sichtbar. Hierzu verabreichen sie dem Patienten einen speziellen Farbstoff. Das Tumorgewebe färbt sich entsprechend und ist so eindeutiger zu erkennen.

Um die Radikalität der Tumorentfernung sicher zu beurteilen, nutzen einige Kliniken das intraoperative Kernspintomogramm. Die hochaufgelösten dreidimensionalen Aufnahmen ermöglichen es zudem, noch während des Eingriffs zu kontrollieren, ob ein Tumor vollständig entfernt wurde. So lässt sich die Gefahr, dass Tumorgewebe zurückbleibt, deutlich reduzieren und den Patienten bleiben mögliche Folgeeingriffe erspart.

Neben diesen aufwendigen Operationstechniken greifen die Mediziner auf Maßnahmen zurück, mit denen sie den Funktionserhalt des Hirngewebes während des Eingriffes sicherstellen. So setzen sie eine elektrische Stimulation des Gehirnes ein. „Wir können damit stets kontrollieren, ob die Motorik des Patienten leidet, und wichtige Areale des Gehirns gezielt schonen“, so Prof. Kremer. Auch werden Patienten wach operiert. Der Patient spricht dabei mit seinem Neurochirurgen, sodass die Sprachareale geschont werden können.

Die Tumorart muss bestimmt werden

Im Anschluss an die Operation untersuchen Neuropathologen das entfernte Tumorgewebe. Dazu benutzen sie Mikroskope und biochemische Verfahren, mit denen sie die molekulare Struktur des Tumors entschlüsseln. So erkennen sie schließlich, um welche Gehirntumorart es sich handelt. Der Tumor kann dann nach dem sogenannten WHO-Schema eingestuft werden. Es unterscheidet nach vier Tumorgraden.

Hirntumoren: So werden sie eingeteilt

Grad I: gutartige Tumoren, die extrem langsam wachsen und eine gute Prognose haben

Grad II: halbgutartige Tumoren, die langsam wachsen und eine relativ gute Prognose haben

Grad III: halbbösartige Tumoren, die schnell wachsen und eine ungünstige Prognose haben

Grad IV: bösartige Tumoren, die sehr schnell wachsen und eine sehr ungünstige Prognose haben

Tumoren mit den WHO-Graden 3 und 4 müssen in der Regel auch nach vollständiger Entfernung nachbehandelt werden. „Dazu nutzen wir entweder eine Chemo-, eine Strahlentherapie oder auch eine Kombination der beiden“, so Prof. Kremer. Diese Behandlungen sollen verbliebene Tumorreste, die gegebenenfalls bei der Operation nicht erfasst wurden, zerstören.

Die richtige Klinik finden

„Wir haben in Deutschland eine gute flächendeckende Versorgung mit entsprechenden Kliniken“, stellt Prof. Kremer fest. Wichtig ist immer, dass die Hauptbeteiligten einer Hirntumorbehandlung vorhanden sind. Dazu gehören der Neurochirurg, der Neuropathologe, der Neuroonkologe und der Strahlentherapeut. Diese Spezialisten kooperieren eng miteinander und gewährleisten so eine optimale Versorgung der Patienten. Solche Hirntumorzentren sind in der Regel zertifiziert. Eine gute Übersicht bietet die Seite www.onkozert.de. Weitere wichtige Informationen zum Hirntumor gibt es unter www.hirntumorhilfe.de.


Prof. Dr. Paul Kremer; Chefarzt der Neurochirurgie an der Hamburger Asklepios Klinik Nord © privat