Multiples Myelom Krankes Knochenmark – Nicht jeder muss sofort behandelt werden!
Der Experte Professor Dr. Ulrich Dührsen ist Direktor der Klinik für Hämatologie am Universitätsklinikum Essen und kennt die Therapiemöglichkeiten des multiplen Myeloms.
Beim multiplen Myelom handelt es sich um eine schmerzhafte Krankheit. Die Symptome sind oft unspezifisch. Betroffene klagen beispielsweise über Rücken- oder anderweitige Knochenschmerzen, bei denen zunächst nicht an ein multiples Myelom gedacht wird. So vergehen manchmal viele Monate von den ersten Anzeichen der Erkrankung bis zur Diagnosestellung.
Bausteine der Diagnose
Die Eiweißveränderungen im Blut leiten den Arzt oft auf die richtige Fährte. Daneben wird für die Diagnose des multiplen Myeloms eine Biopsie (Entnahme) des Knochenmarks benötigt. Unter dem Mikroskop können dann die entarteten Zellen erkannt werden. „Mit speziellen Methoden können wir bereits zu diesem Zeitpunkt sehen, ob es sich um eine eher günstige oder ungünstige Form der Erkrankung handelt“, sagt Prof. Dührsen. Röntgenuntersuchungen der Knochen dienen dazu, das Ausmaß der bereits eingetretenen Schäden zu erkennen.
Vielfältige Therapiemöglichkeiten
Je nach Art des Myeloms gibt es nun unterschiedliche Therapieoptionen. „Die erste Frage, die wir uns nach der Diagnose stellen, lautet stets: Muss die Erkrankung überhaupt behandelt werden?“, so der Experte. „Wenn das Myelom zufällig festgestellt wurde und keine Beschwerden oder Funktionsstörungen verursacht, können die Patienten erst einmal ohne Behandlung beobachtet werden.“
Die Betroffenen kommen dafür anfangs etwa alle drei Monate zur ambulanten Untersuchung. Ändert sich nichts, verlängern sich die zeitlichen Abstände zwischen den Untersuchungen. „Einer meiner Patienten kommt jährlich zu mir. Es geht ihm gut. Die Krankheit verursacht keine Beschwerden“, erzählt Prof. Dührsen. Die Mehrheit der multiplen Myelome muss allerdings behandelt werden – vor allem, weil die Betroffenen schmerzhafte Knochenschäden haben. „Wird die Krankheit nicht gestoppt, kann es zu Folgeschäden, wie Nierenversagen, Blutarmut oder Querschnittslähmungen, kommen“, betont Prof. Dührsen.
Je fitter der Patient, desto vielversprechender die Behandlung
Vor einer Therapie erhebt der behandelnde Arzt immer den körperlichen Zustand seines Patienten. Die Behandlungsintensität ist nämlich abhängig vom gesundheitlichen Allgemeinzustand. Die Faustregel lautet dabei: Je jünger und stabiler ein Patient ist, desto intensiver kann er behandelt werden.
Erfolge mit der Hochdosis-Therapie
„Die Methode, mit der wir ein Myelom am längsten hinhalten können, ist gleichzeitig auch die intensivste. Wir sprechen hier von einer Hochdosistherapie“, erläutert Prof. Dührsen. Da eine solche Behandlung das gesamte Knochenmark zerstört, entnimmt man die Stammzellen, die das Knochenmark wieder aufbauen, vorher aus dem Blut mittels einer besonderen Form der Blutwäsche. Zwei Tage nach der Hochdosistherapie werden die Stammzellen dem Patienten dann über das Blut wieder zugeführt, etwa 14 Tage später haben sich Blut und Knochenmark gut erholt.
„Mit dieser Methode erzielen wir die besten Erfolge“. Vorgeschaltet ist der Hochdosistherapie eine konventionell dosierte Behandlung, die die Erkrankung möglichst schnell und weit zurückdrängen soll. Das dauert ungefähr vier Monate. „Für die große Mehrheit der Patienten erzielen wir so eine sehr deutliche Abschwächung der Symptome“, fasst Prof. Dührsen zusammen.
Mit modernen Medikamenten auf Erfolgskurs
Patienten, für die eine Hochdosistherapie nicht infrage kommt, erhalten konventionell dosierte Medikamente. Die medizinische Forschung hat hierbei in den letzten 15 Jahren enorme Erfolge erzielt. „Uns stehen mittlerweile zahlreiche Medikamente zur Verfügung, die sehr gut auf die Myelom-Zellen wirken“, betont Prof. Dührsen und ergänzt: „Sie sind in der Regel auch gut verträglich. Patienten werden auf diese Art und Weise viele Jahre wirkungsvoll behandelt.“
Neben kortisonartigen Medikamenten zeichnen sich sogenannte Immunmodulatoren durch eine sehr hohe Wirksamkeit aus. Eine stationäre Behandlung ist hierbei nicht nötig. Die Medikamente werden als Tabletten eingenommen.
In Zukunft können Tabletten genügen
Eine weitere Behandlungsoption ist der Einsatz sogenannter Proteasom-Inhibitoren. Diese Medikamentengruppe blockiert den Eiweißabbau, was beim multiplen Myelom, einer Erkrankung mit stark gesteigerter Eiweißbildung, zum Absterben der Zellen führt. „Die bereits zugelassenen Medikamente werden dem Patienten ein- bis zweimal pro Woche unter die Bauchhaut oder in die Vene gespritzt. Allerdings erwarten wir demnächst auch ein Medikament, das einfach als Tablette geschluckt werden kann“, so Prof. Dührsen.
Seit ein paar Monaten können Patienten mit multiplem Myelom auch mit speziellen, gegen die Myelomzellen gerichteten Antikörpern behandelt werden. Hierbei wird das körpereigene Immunsystem aktiviert, sodass es die Tumorzellen angreift und zerstört.
Besonders wirksam sind Behandlungsverfahren, bei denen die zuvor genannten Medikamente und Antikörper gemeinsam eingesetzt werden. Die Zulassungsverfahren sind allerdings noch nicht abgeschlossen. Ob die eingeschlagenen Therapien erfolgreich verlaufen, kann beim multiplen Myelom relativ leicht durch die von den Tumorzellen gebildeten Eiweißprodukte in Blut oder Urin erkannt werden. Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich lässt sich somit der Behandlungserfolg kontrollieren.