Narkose Kontrollierter Schlaf – ohne Träume
Was ist eine Teil- und was ist eine Vollnarkose?
Was landläufig als Teilnarkose bezeichnet wird, ist im medizinischen Sinn eigentlich keine Narkose. Bei ihr wird nämlich lediglich das Schmerzempfinden an einer bestimmten Stelle des Körpers ausgeschaltet.
Beim Zahnarzt zum Beispiel werden lediglich die Nerven der Zahnwurzel betäubt. Wir spüren keinen Schmerz, bemerken und hören aber genau, wie sich der Bohrer im Zahn dreht und bewegt. Wenn wir wollten, könnten wir auch den Mund verschließen. Mediziner sprechen daher von einer sogenannten Lokal- oder Regionalanästhesie.
Nur Vollnarkose bezeichnen wir Mediziner als Narkose. Dabei wird der Patient mit Medikamenten in einen tiefen Schlafzustand versetzt. Solange die Medikamente wirken, kann er weder mit Lärm noch mit Schmerzen daraus geweckt werden.
Was bewirkt eine Narkose?
Eine Narkose hat immer drei Ziele:
- Zum einen soll das Bewusstsein ausgeschaltet werden. Das bedeutet: Patienten sollen mit ihren Sinnen die Umgebung und das, was mit ihnen geschieht, nicht mehr erfassen und es nicht mit ihrem Bewusstsein empfinden.
- Zum anderen soll das Schmerzempfinden unterdrückt werden. Dafür wird die Schmerzweiterleitung mit entsprechenden Medikamenten unterbrochen beziehungsweise unterdrückt. Die Schmerzen gelangen dadurch nicht in das Bewusstsein und werden somit nicht als Schmerzen empfunden.
- Drittens sollen einzelne Reflexe unterdrückt oder ausgeschaltet werden. Dies ist wichtig, da unwillkürliche Bewegungen die Operation, die Behandlung oder Untersuchung insbesondere unter einer Narkose empfindlich stören könnten.
Kann es gefährlich sein, wenn die Reflexe ausgeschaltet sind?
Nein. Die Narkoseärzte achten ganz genau darauf, dass die lebensnotwendigen Reflexe und Bewegungen nicht ausgeschaltet werden. Wenn das für eine Operation notwendig ist, werden die Funktionen ersetzt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Atmung. Wenn die Gefahr besteht, dass die Atmung wegen der Narkose aussetzen könnte, wird sie durch Maschinen sehr zuverlässig unterstützt oder auch ganz übernommen.
Was macht eine gute Narkose aus?
Dass Patienten einen guten und tiefen Schlaf empfinden. Das ist aber viel leichter gesagt als getan. Das Problem ist nämlich, dass wir so viele Medikamente wie nötig einsetzen müssen, damit es dem Patienten während der Narkose gut geht und er keine Schmerzen und Erinnerung an die Operation hat. Auf der anderen Seite wollen wir aber so wenige wie nötig verabreichen, damit es dem Patienten nach der Operation möglichst rasch wieder gut geht. Noch vor 50 bis 100 Jahren war diese Abwägung oft ein echter Balanceakt. Heute können wir sehr genau die einzelnen Ziele während einer Narkose steuern.
Das heißt, wir können ganz gezielt das Bewusstsein, die Schmerzen und die Reflexe der Patienten getrennt voneinander beeinflussen. Manche Operationen müssen sogar unter vollem Bewusstsein, aber ohne jegliche Reflexe oder Schmerzempfinden der Patienten durchgeführt werden.
Unser Experte
Dr. Ernst Ungericht; niedergelassener Anästhesist und Schmerztherapeut, Tübingen
Vor was haben die Patienten am meisten Angst?
Dass kann man nicht pauschal sagen. Noch von früher rührt bei manchen die Angst her, dass bleibende Schäden am Gehirn zurückbleiben. Andere wiederum haben Angst, dass sie während der Operation aufwachen, sich aber nicht bemerkbar machen können. Ab und an fragen Patienten, ob sie an der Narkose sterben können.
Sind diese Ängste berechtigt?
Nein. Im Grunde sind diese Ängste unberechtigt. Wir alle wissen aber auch, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Dennoch kann ich sagen, dass Narkosen für gängige Eingriffe heute eigentlich keine Gefahr mehr darstellen.
Was macht Narkosen heute so sicher?
Ganz einfach:
- Erfahrenes Personal: Narkosen dürfen nur von Fachärzten für Anästhesie durchgeführt werden. Sie verabreichen die Medikamente und überwachen die Patienten vor, während und nach der Operation.
- Bewährte Medikamente: Die heute gängigen Medikamente sind auf Herz und Nieren geprüft, haben sich unzählige Male bewährt und ihre Wirkung ist gut bekannt.
Das ist eine sehr technische Antwort. Können Sie uns ein Beispiel geben?
Ich gebe Ihnen drei Beispiele:
- Machen Sie sich zum einen klar, dass in Deutschland viele Millionen Narkosen pro Jahr durchgeführt werden. Zum anderen überlegen Sie, ob Sie einen einzigen Fall persönlich kennen, bei dem die Narkose schiefging – ich wette, Sie kennen keinen einzigen solchen Vorfall. Warum? Weil eben so wenig schiefgeht.
- Führen Sie sich vor Augen, dass die meisten Schönheitsoperationen nur unter einer Narkose durchgeführt werden können. Dies wäre undenkbar, wenn die Narkose als solche ein erhebliches Risiko darstellen würde.
- Seit nunmehr fast 40 Jahren bin ich als Facharzt für Anästhesie tätig. Ich kann Ihnen versichern: In all diesen Jahren gab es nur ganz wenige kritische Ereignisse.