Brustkrebs Im Fokus: Neoadjuvante und adjuvante Chemotherapie

Autor: MPL-Redaktion

Suchen Sie sich 
Beratung in einer Selbsthilfegruppe. 
Das gibt Kraft 
und Mut. © iStock/Steve Debenport

Mit 72.000 Erkrankungen jährlich ist das Mammakarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind betroffene Frauen im Durchschnitt etwa 64 Jahre alt. Dank der medizinischen Forschung verbessern sich die Heilungschancen stetig.

Perspektive LEBEN sprach über die Möglichkeiten der Brustkrebsbehandlung mit dem Experten Professor Dr. Michael Eichbaum. Er ist Direktor der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie an den HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden.

Umfassende Untersuchungen

„Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Er kann in verschiedenen Stadien vorkommen, unterschiedliche biologische Eigenschaften, Lagen und Ausdehnungen vorweisen. Ganz wichtig ist somit stets eine allumfassende Voruntersuchung, damit wir wissen, mit welcher Tumorart wir es genau zu tun haben“, stellt Prof. Eichbaum fest. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Suche nach möglichen Metastasen in Lunge, Leber und Knochen. Lage und Ausdehnung müssen zudem exakt bestimmt werden. Hier bedienen sich die Ärzte bildgebender Verfahren, beispielsweise der Mammographie und der Sonographie. In bestimmten Fällen kommt auch die Magnet­resonanztomographie, kurz MRT, zum Einsatz. Mit dieser auch als Kernspintomographie bekannten Untersuchungsmethode lassen sich Schichtbilder vom Körperinneren erzeugen. „Liegen die Untersuchungsergebnisse vor, werten alle beteiligten Experten diese aus und diskutieren die optimale Behandlungsstrategie. Wir sprechen hier von einer interdisziplinären Tumorkonferenz“, so Prof. Eichbaum. „Jede Behandlung erfolgt also letztlich krankheitsindividuell.“ Dank der Forschung stehen den Onkologen zudem neue Therapiekonzepte zur Verfügung. Aber auch der erweiterte Einsatz altbewährter Methoden, wie etwa der Chemotherapie, führt zu beachtlichen Erfolgen.

Chemotherapie vor der Operation – neoadjuvant

Jahrzehntelang war die Operation der erste Therapieschritt, wenn irgendwie möglich. Handelt es sich um einen Tumor, den man aufgrund seiner Größe und Lage gut operieren kann, ist das auch heute noch so. „Allerdings haben wir gelernt, dass eine sogenannte neoadjuvante Chemotherapie in vielen Fällen sinnvoll sein kann“, erklärt Prof. Eichbaum. „Es handelt sich um eine Chemotherapie, die vor einer Operation eingesetzt wird. Und zwar zum Beispiel dann, wenn der Tumor aufgrund seiner Lage oder Größe schlecht zu operieren ist.“ Das Ziel der Onkologen lautet, den Tumor maximal zu verkleinern, damit er anschließend besser beziehungsweise brusterhaltend operiert werden kann.

Wichtige Erkenntnisse und mögliche Vorteile

Einen weiteren entscheidenden Vorteil der neoadjuvanten Therapie stellt die sogenannte In-vivo-Chemosensitivitäts-Testung dar. Die Onkologen können mit ihrer Hilfe nämlich relativ gut feststellen, ob der Tumor auf die gewählte Chemotherapie anspricht. Mittels bildgebender Verfahren messen sie in bestimmten Zeitabständen, ob sich der Tumor verkleinert. Damit kann rechtzeitig erkannt werden, falls eine Therapie einmal nicht optimal greift. Diese kann dann rechtzeitig konsequent abgebrochen und gegen eine andere ersetzt werden. Diese Möglichkeit hat man nicht, wenn die Chemotherapie erst nach der Operation gegeben wird. Der ursprüngliche Brusttumor fehlt dann, um den Verlauf und die Wirksamkeit zu beurteilen.

Eine neoadjuvante Chemotherapie kann nicht nur die Operabilität des Tumors verbessern. Sie steigert auch die Wahrscheinlichkeit auf eine brusterhaltende Operation. Es gibt sogar Patientinnen, die besonders gut auf die Medikamente ansprechen. In diesen Fällen ist der Tumor nach Beendigung dieses ersten Therapieschrittes bereits komplett verschwunden. In Fachkreisen spricht man von einer pathologischen Komplettremission. „Liegt eine solche vor, haben die entsprechenden Patientinnen oft eine sehr gute Prognose“, resümiert Prof. Eichbaum.

Zielgerichtete Medikamente

Eine sogenannte Hormontherapie ist ebenfalls eine Möglichkeit, den Brustkrebs zu behandeln. Sie stoppt das Wachstum hormonempfindlicher Tumorzellen. Der Hormonentzug wird auch als endokrine Therapie bezeichnet. „Weil wir die Biologie eines Tumors immer besser verstehen, können immer erfolgreichere Methoden zu seiner Bekämpfung entwickelt werden. Seit einigen Jahren gibt es beispielsweise die zielgerichteten Therapien“, berichtet Prof. Eichbaum. „Anders als bei einer konventionellen Chemotherapie wirken hier spezielle Medikamente nur auf den Tumor. Sie blockieren ihn, verhindern weiteres Wachstum und lassen ihn absterben.“

Konnte die Brust nach der Operation erhalten werden, setzen die Ärzte energiereiche Strahlen gegen eventuell verbliebene Tumorzellen ein. Eine solche Strahlentherapie erfolgt lokal und gezielt in dem Bereich, wo eventuell noch Tumorzellen vermutet werden. Das sorgt für eine zusätzliche Sicherheit und soll Rückfälle verhindern.

Beste Versorgung in zertifizierten Kliniken

Dank moderner Technik erkennen die Ärzte eine Erkrankung immer früher. „Es gibt ein sehr gutes Mammographie-Screening und eine sehr gute bildgebende Diagnostik. Wir sind einfach besser geworden und decken viel mehr viel früher auf“, erläutert Prof. Eichbaum. Das frühe Entdecken des Brustkrebses führt wiederum dazu, dass er heutzutage viel häufiger geheilt werden kann. In zertifizierten Brustzentren werden über 90 Prozent der Frauen mit der Diagnose eines frühen Brustkrebses geheilt. Über alle Stadien gesehen sind es immerhin noch 85 Prozent. „Die Therapie von Brustkrebs sollte daher auch in zertifizierten Kliniken erfolgen. Die Qualität wird regelmäßig überprüft. Strenge Standards werden eingehalten“, betont Prof. Eichbaum. In Deutschland gibt es über 280 zertifizierte Brustkrebszentren. Detaillierte Informationen finden Betroffene auf den Seiten der Deutschen Krebsgesellschaft: www.krebsgesellschaft.de


Prof. Dr. Michael Eichbaum; Direktor Klinik für Gynäkologie 
und Gynäkologische Onkologie, 
HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken, 
Wiesbaden © privat