Nebenwirkung Erektionsstörung nach der OP – was jetzt?

Autor: Dietmar Kupisch

Es gibt heute verschiedene Möglichkeiten, die wieder ein normales Sexualleben ermöglichen. © magicmine ‒ stock.adobe.com

Die häufigste Krebserkrankung von Männern in Deutschland betrifft die Vorsteherdrüse. Rund 65.000 neue Diagnosen zeigt die Statistik jedes Jahr. Moderne Therapien sorgen in den meisten Fällen für eine erfolgreiche Behandlung: So leben zehn Jahre nach einer Diagnose noch fast 90 Prozent aller Patienten. Das ist die gute Nachricht. Doch sorgen sich Männer häufig um eine Nebenwirkung – die Störung der Erektion.

Rund 65.000 Männer in Deutschland bekommen jedes Jahr die Diagnose Prostatakrebs. Der Wunsch nach Heilung steht für sie im Vordergrund. Er kann vor allem dann erfüllt werden, wenn man die Karzinome frühzeitig erkennt und das befallene Organ entfernt. 

Doch trotz der weiter verbesserten Operationstechnik lassen sich Folgen dieses Eingriffes nicht immer vermeiden. Die Wichtigste ist der Verlust der Erektionsfähigkeit – in der Fachsprache „erektile Dysfunktion“ genannt. Das bedeutet, der Mann ist nicht mehr fähig eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende Erektion zu bekommen und diese aufrechtzuerhalten. 

„Diese Nebenwirkung entsteht dann, wenn bei der Operation Nervenstränge verletzt werden, die für die Erektion verantwortlich sind. Sie verlaufen seitlich an der Prostata entlang“, erklärt Dr. Thomas Dill. Der Facharzt für Urologie ist Leiter der Klinik für Prostata-Therapie im Medizinischen Zentrum Heidelberg. „In Abhängigkeit vom Tumorstadium können wir manchmal nervenschonend operieren.“ Doch das ist nicht immer der Fall.

Den Sex wieder möglich machen

Es gibt heute verschiedene Möglichkeiten, die Männern wieder ein normales Sexualleben ermöglichen. So lässt sich eine erektile Dysfunktion zum Beispiel mit Medikamenten behandeln. „Wir nutzen PDE-5-Hemmer in abgestimmten Dosierungen. Diese Medikamente erweitern die Gefäße im Penis. Es strömt mehr Blut in die Schwellkörper und der Mann erreicht seine Erektion schneller und kann sie länger aufrechterhalten“, sagt Dr. Dill. ­Direkt im Anschluss der Operation empfehlen Fachleute diese Behandlung jedoch nicht. Etwa vier Wochen später sollte die Therapie beginnen. 

„Unser Ziel ist es, eine Dosierung zu finden, bei der es regelmäßig zu spontanen nächtlichen Erektionen kommt“, erläutert Dr. Dill und stellt fest: „Eine Behandlung mit PDE-5-Hemmern kann nur erfolgreich sein, wenn die Operation nervenschonend durchgeführt wurde. Sonst müssen andere Methoden in Betracht gezogen werden.“ Ebenso ist zu beachten, dass Wirkstoffe aus dieser Medikamentengruppe unerwünschte Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben können. Besonders ältere Männer müssen das berücksichtigen und den Gebrauch stets mit den behandelnden Fachleuten absprechen.
 

Die Prostata

Die Prostata, eine walnussförmige Drüse, auch als „Vorsteherdrüse“ bekannt, sitzt um die Harnröhre herum, direkt unterhalb der Blase. In diesem Bereich laufen die Harn- und Samenwege zusammen. Bei einem jungen Mann wiegt die Prostata etwa 20 Gramm. Im höheren Alter kann ihr Gewicht auf über 100 Gramm anwachsen. Wachstum und Funktion der Prostata werden vom männlichen Geschlechtshormon Testosteron gesteuert. Zusammen mit den Hoden gehört die Prostata zu den Fortpflanzungsorganen des Mannes. Sie produziert einen Teil der Samenflüssigkeit, welche die Spermien transportiert. Sie sorgt durch Zusammenziehen der Muskulatur für den Samenerguss. Neben der Samenflüssigkeit bildet die Prostata das prostataspezifische Antigen, kurz PSA.

Autoinjektionen und Botenstoffe

Eine weitere Möglichkeit der medikamentösen Behandlung ist die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie, kurz SKAT. Der körpereigene Botenstoff Alprostadil erweitert die Gefäße im Penis, sodass Blut einströmen kann. „Hierbei spritzt sich der Mann mit einer dünnen Nadel den Wirkstoff selbst in den Schwellkörper. Das erfordert ein wenig Übung, ist aber für die meisten nach kurzer Zeit kein Problem mehr“, beruhigt Dr. Dill. Nach einigen Minuten kommt es zu einer Erektion, die bis zu einer Stunde anhalten kann. 

Bei dem medikamentösen urethralen System zur Erektion, kurz MUSE, kommt ebenfalls der körpereigene Botenstoff Alprostadil zum Einsatz. Diesen platziert der Mann mithilfe eines Stäbchens in der Harnröhre. Dort massiert er das Medikament in den Schwellkörper ein. Das erzeugt anschließend eine Erektion. Beide Techniken sollten von einem Experten oder einer Expertin angeleitet werden. Wichtig ist unter anderem die richtige Dosierung des Wirkstoffs. Eine zu hohe kann nämlich zu unangenehmen Dauererektionen führen. 

„Ein Vorteil von SKAT und MUSE ist, dass diese Methoden auch dann erfolgreich sind, wenn keine nervenschonende Operation durchgeführt werden konnte“, lautet die gute Nachricht von Dr. Dill.

Auch Mechanik kann helfen

Möchte oder darf ein Mann keine Medikamente einnehmen, kommen mechanische Erektionshilfen infrage, die Vakuumpumpe und der Penisring. Hierbei stülpt der Mann einen Zylinder über seinen Penis. Eine verbundene Vakuumpumpe erzeugt einen Unterdruck, der Blut in den Penis zieht, bis eine Erektion entsteht. Anschließend sorgt ein spezieller Ring, an die Wurzel des Penis gelegt, dafür, dass sich das Blut staut und so die Erektion aufrechterhalten werden kann. Nach spätestens 30 Minuten sollte der Penisring entfernt werden, damit wieder eine normale Durchblutung stattfinden kann.

Neben diesen unmittelbar wirkenden Methoden zur Erlangung einer Erektion empfiehlt Dr. Dill ein regelmäßiges Beckenbodentraining: „Studien zeigen gute Erfolge. Betroffene sollten nach dem Eingriff möglichst schnell damit beginnen.“ Auch die Leitlinien zu Prostatakrebs empfehlen begleitend das physiotherapeutische Training gegen die erektile Dysfunktion in Kombination mit anderen Behandlungen. Denn die Muskulatur des Beckenbodens trägt dazu bei, eine Erektion überhaupt entstehen zu lassen und aufrechtzuerhalten. So verhindert sie den Blutabfluss aus den Schwellkörpern und erzeugt einen ausreichend hohen Druck.

Sogar Prothesen sind möglich

„Eine letzte Möglichkeit, die erektile Dysfunktion direkt zu behandeln, sind Penisprothesen beziehungsweise Schwellkörper-Implantate“, sagt Dr. Dill und erläutert: „Es handelt sich hierbei um einen operativen Eingriff. Der Chirurg ersetzt die Schwellkörper durch künstliche Prothesen.“ Eine solche Maßnahme kommt heute nur dann infrage, wenn die Schwellkörper geschädigt sind und Medikamente oder andere Behandlungen nicht funktionieren. Im Wesentlichen unterscheiden Fachleute zwischen zwei Modell­arten: aufpumpbare Implantate und Stabprothesen aus Silikon. 

Neben all diesen Hilfen kann sich ein gesunder Lebensstil positiv auf die Erektionsfähigkeit auswirken. Dazu zählt die tägliche Bewegung, etwa in Form von Ausdauersportarten. 30 Minuten reichen schon. Zudem trägt gesunde und ausgewogene Ernährung – mit Obst und viel Gemüse, wenig Alkohol und Verzicht auf kalorienreiches Essen – zu einem gesunden Leben bei. Auf Tabak sollte verzichtet und Übergewicht abgebaut werden. Überdies sorgt ein stressfreier Alltag mit viel Entspannung für Wohlbefinden – eine Grundvoraussetzung für ein intaktes, erfülltes Sexualleben.