Chronische lymphatische Leukämie Behandlung erst bei fortgeschrittener Erkrankung
Perspektive LEBEN sprach zu den CLL-Therapiemöglichkeiten mit Professor Dr. Peter Dreger. Der Experte ist als Leitender Oberarzt und Leiter der Sektion Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Heidelberg tätig. Er ist unter anderem Mitglied der Strategiekommission der Deutschen CLL Studiengruppe und gehört seit 2009 dem Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation an.
Bei der chronischen lymphatischen Leukämie handelt es sich um eine Erkrankung des Immunsystems. Sie ist eine bösartige Erkrankung, die die lymphatischen Zellen betrifft – aus dem Knochenmark, der Milz, der Leber oder den Lymphknoten. „Als Leukämie bezeichnen wir die Erkrankung, weil die entarteten Zellen auch im Blut zu finden sind. Sie schwimmen dann als weiße Blutkörperchen im Blut herum oder sie sammeln sich im Knochenmark an und verdrängen die normale Blutbildung“, sagt Prof. Dreger.
Zu Beginn wird nur beobachtet
Die CLL weist zu Beginn keine besonderen Symptome auf. Bei den meisten Betroffenen passiert lange Zeit erst einmal nichts. Es bestehen keine Beschwerden und die Erkrankung schreitet nur sehr langsam fort. „Solange werden die Patienten daher auch nur beobachtet und müssen nicht behandelt werden“, erklärt Prof. Dreger. „Die Symptome einer fortgeschrittenen Erkrankung sind dann Funktionsstörungen des Knochenmarks – was zu Blutarmut führen kann. Zudem können Allgemeinsymptome wie Fieber und Gewichtsverlust sowie eine Abwehrschwäche bestehen oder die Lymphknoten schwellen an.“ Liegen solche Symptome vor, muss die CLL behandelt werden.
Die gute Nachricht dabei lautet: Die Behandlungsmethoden und -erfolge haben sich in den letzten 20 Jahren stark verbessert. Bisher war die Standardbehandlung für die meisten Patienten eine sogenannte Immunchemotherapie. „Diese ist bei der CLL hochwirksam. Sie enthält zusätzlich immer auch einen Antikörper – also einen modifizierten körpereigenen Abwehrstoff, der die CLL-Zellen zusätzlich bekämpft“, so Prof. Dreger.
80–90 Prozent der Patienten sprechen auf diese Kombination aus Chemotherapie und Antikörper an. Bei mehr als der Hälfte verschwinden die Krankheitserscheinungen sogar vollständig. „Das bedeutet allerdings nicht Heilung. In der Regel werden nicht alle bösartigen Zellen erwischt. So kommt es im Verlauf zu einem erneuten Ausbruch“, stellt der Experte fest. Das kann allerdings sehr lange dauern. Im Mittel bricht die CLL nach vier Jahren wieder aus.
Wenn die Chemotherapie nicht anschlägt
Schlägt die Chemotherapie nicht an und handelt es sich bei den Betroffenen gleichzeitig um Hochrisikopatienten, kommt unter Umständen eine Stammzelltransplantation in Betracht. „Dabei wird sozusagen das gesamte Immunsystem ausgetauscht. Die Stammzelltransplantation ist bisher die einzige Methode, mit der man die CLL heilen kann. Aufgrund ihrer Risiken ist sie jedoch nur in speziellen Situationen sinnvoll“, betont Prof. Dreger. Seit Neuestem gibt es hochwirksame Medikamente, sogenannte Signalwegsinhibitoren. Sie blockieren die Signalwege in den bösartigen Zellen und stoppen so die Zellteilung. Die Zellen sterben dann ab. „Wir sprechen hier von einer zielgerichteten Therapie, da die Medikamente – im Gegensatz zur Chemotherapie – tatsächlich nur auf die Krebszellen wirken“, sagt Prof. Dreger. Das bedingt meist eine bessere Verträglichkeit: Chemotherapietypische Nebenwirkungen gibt es nicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Medikamente als Tabletten eingenommen werden.
Vollständige Heilung? Die Entwicklung lässt hoffen
Bei der Chemotherapie können die klassischen Nebenwirkungen wie Haarausfall, Magen-Darm-Beschwerden oder Infektionen auftreten. Allerdings sind die Nebenwirkungen nur vorübergehend. Nach der Therapie verschwinden sie in aller Regel wieder. Bei der zielgerichteten Therapie kann es unter anderem zu Durchfall, Herz-Rhythmus-Störungen oder Blutgerinnungsproblemen kommen. Eine vollständige Heilung ist mit der zielgerichteten Behandlung aktuell nicht zu erzielen.
„Auch hier werden erfahrungsgemäß nicht alle CLL-Zellen erwischt, sodass sich nach dem Absetzen die Erkrankung wieder erneuert. Die Entwicklung geht hier aber weiter – und wir hoffen, eines Tages auch dieses Problem noch in den Griff zu bekommen“, berichtet Prof. Dreger.