Nachsorge bei Brustkrebs Neue Methode lindert Lymphödeme
Das Lymphödem ist mit 11.500 Fällen pro Jahr eine der häufigsten Folgen einer Brustkrebsbehandlung in Deutschland. „Dabei tritt ein Stau der Lymphflüssigkeit auf. Bei unseren Patient:innen ist das am häufigsten an den Armen der Fall“, sagt Dr. Mario Marx, Leiter des Brustzentrums und Chefarzt der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Brustchirurgie im Elblandklinikum in Radebeul. „Ursache dafür ist, dass im Rahmen von Operationen oder durch die Bestrahlung Lymphgefäße entfernt werden oder so vernarben, dass die Lymphflüssigkeit nicht mehr richtig transportiert werden kann.“
Zug auf Lymphgefäße
Der Hintergrund: Mit dem Tumor werden meist auch Lymphknoten und das Gewebe um sie herum aus der Achselhöhle entfernt und nach Krebszellen untersucht. Dadurch entsteht ein Hohlraum, den der Körper zunächst mit Wundflüssigkeit und später mit Narbengewebe füllt. Das schrumpft jedoch im Laufe der Zeit, wodurch der Hohlraum kleiner wird. Adern und Lymphbahnen werden dadurch nach unten gezogen.
Die Blutadern sind kräftig genug, diesem Zug standhalten. Die Lymphbahnen jedoch sind zarter und können abknicken. „Dann kann die Lymphflüssigkeit nicht oder nur sehr langsam abgeleitet werden und staut sich in den Armen“, erklärt der Experte. Dies kann zu Schwellungen, Spannungsgefühlen, aber auch zu schweren Entzündungen und verminderter Beweglichkeit führen, teils mit starken Schmerzen.
Wer nach einer Brustkrebsbehandlung ein Lymphödem bekommt und wer nicht, lässt sich nicht vorhersagen.
Warnsignale früh erkennen
Um erste Anzeichen richtig deuten zu können, sollte sich Patient:innen deshalb im Vorfeld über die Symptome eines Lymphödems informieren. Dazu gehören ein Spannungs- oder Schweregefühl im betroffenen Arm. „Weitere Anzeichen sind anschwellende Finger und Handgelenke. Dies spüren Betroffene zum Beispiel daran, dass der Ring nicht mehr richtig passt oder das Armband der Uhr weitergestellt werden muss. Blusen und Jacken, die am gesunden Arm gut sitzen, fühlen sich am erkrankten Arm zu eng und unbequem an“, so Dr. Marx. „Aber auch Schmerzen in der Achselhöhle und Hautverfärbungen sind frühe Warnzeichen für ein Lymphödem.“ Werden sie frühzeitig erkannt und behandelt, lassen sich schwerwiegende Folgen vermeiden. Wenn eines oder mehrere Symptome auf Sie zutreffen, gehen Sie zeitnah zum Arzt“, rät der leitende Chirurg.
Stau zeitnah auflösen
Betroffene bekommen meist eine Komplexe Physikalische Entstauungstherapie, kurz KPE. Diese setzt sich aus manueller Lymphdrainage, Hautpflege, Kompressionstherapie und Bewegungstherapie zusammen und ist in zwei Phasen unterteilt. In Phase eins, der Entödematisierungsphase, versucht der Therapeut, das Ödem mit den genannten Maßnahmen bestmöglich zu reduzieren. In Phase zwei, der Erhaltungsphase, ist es das Ziel, den erreichten Zustand zu halten. Nur wenn alle vier Bausteine der KPE angewendet und von Spezialisten durchgeführt werden, kann dieses Therapieziel dauerhaft erreicht werden.
„Für besonders stark Betroffene bedeutet das, dass sie das ganze Jahr über eine speziell für sie angepasste Kompressionsbekleidung benötigen und meist mehrmals pro Woche zur Physiotherapie und Lymphdrainage gehen müssen – dauerhaft“, sagt Dr. med. Marx. „Hinzu kommen Einschränkungen der Beweglichkeit der Finger, Hände und Arme sowie ein vermindertes Feingefühl, das zum Teil auch eine Folge einer Chemotherapie sein kann. Beides führt dazu das filigrane Arbeiten teilweise völlig unmöglich sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Lymphödem die Lebensqualität der Betroffenen doch deutlich einschränken kann.“
Narbengewebe entfernen
Zeigt das Lymphödem trotz intensiver und fachmännischer Behandlung über sechs Monate keine Besserung oder verschlechtert sich sogar, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. „Ziel unserer Operationsmethode ‚Turn-over-Flap‘ ist es, den Lymphfluss im Operations- und Bestrahlungsgebiet nach Brustkrebsbehandlung wieder in Gang zu setzen“, erläutert Dr. Marx. „Dafür müssen zunächst die Vernarbungen entfernt werden, damit sie die Lymphgefäße wieder begradigen können.“ Hierbei entsteht ein neuer „Hohlraum“. Um zu verhindern, dass sich hier nicht erneut Narbengewebe bildet, füllen Dr. Marx und sein Team körpereigenes Fett- und Lymphgewebe in den Hohlraum. Patientenberichte belegen, dass sich die Lebensqualität dadurch deutlich verbessert hat. „Apotheker:innen können wieder Medikamente zubereiten, Flötist:innen greifen wieder begeistert zu ihrem Instrument“, berichtet der Experte.
Die Operation dauert etwa zwei bis vier Stunden und ist eine Kassenleistung. „Inzwischen wird diese Methode nicht nur von uns in Radebeul, sondern unter anderem in Tübingen, Wien und Hannover erfolgreich angewendet und wissenschaftlich untersucht“, berichtet Dr. med. Marx. Wo genau, das erfährt man auf Nachfrage im Elblandklinikum Radebeul.
Kontaktdaten Elblandklinikum Radebeul
Heinrich-Zille-Str. 13, 01445 Radebeul
E-Mail: claudia.friedl@elblandkliniken.de
Telefon: 0351 833-3350
www.elblandkliniken.de/radebeul
Bisher beruhen die Erkenntnisse zu dieser Turn-over-Flap-Operationsmethode im Wesentlichen auf den positiven Rückmeldungen der Patienten und der Behandler. Diese ermutigen dazu, das Verfahren bekannter zu machen und Studien zur Verbesserung der Diagnostik und Therapie des Lymphödems zu initiieren. Dr. Marx: „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir noch sehr viel lernen, die Methode weiter verbessern und wissenschaftlich untermauern können.“