Brustprothesen Wie neugeboren!

Autor: Heiko Schwöbel

„Sind die Unterschiede der beiden Brüste ausgeglichen, haben die meisten Frauen wieder ein besseres Körpergefühl." © iStock/AtnoYdur

Operationen bei Brustkrebs verändern meist Form und Größe der behandelten Brust. Silikonprothesen im Büstenhalter können diese Veränderungen sehr gut ausgleichen, wenn kosmetische Eingriffe nicht möglich oder gewünscht sind.

Für alle Frauen nach einer Brustkrebsoperation gilt, dass sie Anspruch auf eine entsprechende Versorgung mit sogenannten Brustprothesen und Spezial-BHs haben. Schon in der Klinik bekommen die Patientinnen weiche Watte- oder Schaumstoffprothesen. Diese stellen sicher, dass die Narbe nicht belastet wird und die Wunde gut heilen kann. Je nachdem, wie rasch der Heilungsprozess voranschreitet und ob die Kundin es möchte, wird in den darauffolgenden Wochen eine Silikonprothese ganz individuell und nach den Wünschen der Frau angepasst. Diese wird dann in spezielle Prothesen-BHs eingelegt. Bei der Auswahl dieser Spezial-BHs ist es besonders wichtig, dass auf das Empfinden und den Geschmack der Kundin eingegangen wird.

Persönliche Beratung

Gute Ergebnisse für den optischen Ausgleich können nur dann erzielt werden, wenn die Fachberaterin viele Informationen über die Beschwerden, Bedürfnisse und Aktivitäten der Betroffenen hat. „Diese Gespräche sind sehr behutsam und mit großem Sachverstand zu führen“, betont Veronika Schulz, Bandagistin im Sanitätshaus Brillinger Orthopädie in Tübingen. Deshalb ist es ratsam, sich ein Sanitätshaus zu suchen, wo spezialisierte Fachberaterinnen in möglichst abgeschlossenen Bereichen in diskreter Atmosphäre mit viel Erfahrung arbeiten. Nur dann können die betroffenen Frauen sich öffnen und über ihre Bedürfnisse und Probleme nach der Brustoperation sprechen.

Vor der Behandlung

Nach der Diagnose und vor der Behandlung von Brustkrebs bleibt oft nicht viel Zeit zum Nachdenken und Vorbereiten für die Zeit danach. Alles, so scheint es, ist darauf gerichtet, möglichst rasch und effektiv den Krebs zu bekämpfen. „Dies ist absolut richtig, wichtig und auch verständlich“, betont Veronika Schulz. Trotzdem ist wichtig, dass Patientinnen sich schon vor ihrer OP im Sanitätsfachgeschäft über die Versorgungsmöglichkeiten informieren. „Viele Frauen sind völlig überrascht, wie gut heute mit Silikonprothesen und speziellen BHs die Operationsfolgen ausgeglichen werden können“, sagt Veronika Schulz. Auch enge T-Shirts sind bei vielen Frauen wieder möglich. Mit diesem Wissen können Patientinnen oft sicherer in den OP gehen. Hinzu kommt, dass sie dann auch gut darüber Bescheid wissen, was nach der Behandlung zu tun ist und welche Leistungen von der Krankenkasse erbracht werden.“

Was zahlt die Krankenkasse?

Die Kosten für die brustprothetische Versorgung werden in Deutschland von den Krankenkassen übernommen. Zu der Versorgung gehören das Hilfsmittel und die Beratung sowie die Anpassung vor Ort im Sanitätshaus.

Bei Spezial-BHs und Spezial-Bademode beteiligen sich die gesetzlichen Krankenkassen mit einem Zuschuss, der je nach Bundesland und Krankenkasse variiert.

Damit die Krankenkasse die Kosten (bis auf die von Patientinnen zu leistende Zuzahlung und eventuelle Mehrkosten bei Spezial-BHs oder -Bademode) für ein Hilfsmittel übernimmt, muss der Arzt es verordnen. Für einen Spezial-BH muss dazu auf der Verordnung der Zusatz „Prothesenhalterung“ vermerkt sein, für eine Voll- oder Ausgleichsprothese der Zusatz „Mamma Ca“.

Monate später

Muss ein Brustkrebs operativ behandelt werden, wollen viele Frauen eine sogenannte brusterhaltende Operation. Das heißt, die Operateure versuchen nur so viel Brustgewebe zu entfernen, dass der Krebsherd vollständig entfernt ist und das gesunde Gewebe dabei möglichst geschont wird. Ob, wann und wie brusterhaltend operiert werden kann, hängt von vielen, ganz individuellen Faktoren ab. Die wichtigsten sind dabei die Größe und Form der Brust und natürlich die Krebserkrankung selbst. „In den ersten Wochen nach einer brusterhaltenden Operation können die meisten Frauen noch keine Veränderungen von Form und Größe an der operierten Brust feststellen“, sagt Veronika Schulz. Erst nach und nach zeigen sich bei vielen Patientinnen Volumenveränderungen im Vergleich mit der anderen Brustseite.

Viele Betroffene denken, sie kriegen keine Versorgung, weil sie ja nur teiloperiert sind und ihre Brust noch haben. Sie gehen in eine Schonhaltung, schieben die Schulter der operierten Seite nach vorn und tragen weite Blusen und Pullis, um das kosmetische Ungleichgewicht zu kaschieren und sich vor unangenehmen Blicken zu schützen. Das hat jedoch oft fatale Folgen. Die dauerhaften Fehlhaltungen führen zu Beschwerden im Hals-Rücken-Bereich sowie zu Haltungsschäden. Nur wenige Frauen, die davon betroffen sind, führen diese Beschwerden direkt auf die Veränderungen der operierten Brust zurück. „Deshalb ziehen sie auch nicht in Erwägung, mit einem Sanitätshaus in Kontakt zu treten, um über einen Ausgleich der Brust zu sprechen, um damit das Problem zu beseitigen“, erläutert Veronika Schulz. „Oft kommen diese Frauen dann wegen eines anderen Anliegens in unser Haus und wir kommen eher zufällig auf die Situation zu sprechen. Aber eines ist klar: Sind die Unterschiede der beiden Brüste ausgeglichen, haben die meisten Frauen wieder ein besseres Körpergefühl und Selbstbewusstsein. Sie können sich wieder normal bewegen und anziehen. Viele fühlen sich wie neugeboren.“


Bandagistin im Sanitätshaus Brillinger Orthopädie, Tübingen © privat