Psychoonkologie Jeder Mensch ist anders

Autor: Felix Schlepps

Meist geht es darum, Ängste zu kontrollieren und Unsicherheit auszuhalten. © iStock/IvelinRadkov

Für Betroffene und Angehörige stellt die Diagnose Krebs meist eine große seelische Belastung dar. Perspektive LEBEN zeigt, wie die Psychoonkologie Erkrankten und ihren Familien hilft, damit fertig zu werden.

Die Psychoonkologie als eigene wissenschaftliche Fachrichtung erforscht die psychosozialen Auswirkungen einer Krebserkrankung auf die Betroffenen. Aus den Erkenntnissen wurde das psychoonkologische Unterstützungsangebot entwickelt, welches einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. In Krebszentren gehört es als integraler Bestandteil zu jeder Krebsbehandlung. Auch im ambulanten Bereich gibt es vielerorts Beratungsangebote, zum Beispiel in den Krebsberatungsstellen.

Die Therapie folgt den Bedürfnissen

Psychoonkologen begleiten Patienten in allen Phasen ihrer Krankheit – wenn sie dies wünschen. „Je nach Art und Schwere der Krebserkrankung sind wir bereits beim Diagnosegespräch anwesend. Andernfalls suchen wir jeden Betroffenen mit neuer Diagnose auf und bieten ihm unsere Hilfe an“, sagt die Psychoonkologin Heike Koch-Gießelmann. Sie ist Leiterin der psychoonkologischen Abteilung des Klinikums Siloah in Hannover.

So finden Sie Psychoonkologen in Ihrer Nähe

  • Bei der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onkologie gibt es ein hilfreiches Adressverzeichnis.
  • Der Krebsinformationsdienst in Heidelberg bietet telefonische Beratung an. Auch kann ein Adressverzeichnis abgefragt werden, mit Therapeuten, die eine spezifische Fortbildung absolviert haben.
  • Kassenärztliche Vereinigungen haben in der Regel eine Vermittlungsstelle für freie Psychotherapieplätze.
  • Krebsberatungsstellen oder zertifizierte onkologische Zentren können ebenfalls bei einer Vermittlung helfen.

Wie intensiv Patienten das Angebot in Anspruch nehmen, richtet sich nach dem individuellen Bedarf und ist ganz unterschiedlich. Einige nutzen es lediglich punktuell, etwa während der Therapie, die nicht nur körperlich, sondern auch psychisch belastend sein kann. „Andere hingegen sprechen regelmäßig mit uns, über alle Phasen ihrer Erkrankung hinweg: direkt nach der Diagnose, während Therapie und Nachsorge und eventuell bis hin zum Ende ihrer palliativen Behandlung“, so Heike Koch-Gießelmann.

Unterschiedliche Ziele

Die Behandlungsziele der Psychoonkologen unterscheiden sich. „Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt der Patient unsere Hilfe wünscht, arbeiten wir in der Regel an unterschiedlichen Inhalten und Zielen“, sagt Heike Koch-Gießelmann. Nach der Diagnose benötigt der Betroffene meist Unterstützung, den Schock zu verarbeiten. Häufig wird diese Situation als „Sturz aus der Normalität“ empfunden. Hier gilt es, den Patienten und häufig auch dessen Angehörige seelisch zu stabilisieren und Ressourcen zu aktivieren.

Während der Behandlung stellt sich dann die Frage, was zum Wohlbefinden beiträgt und wie der Erkrankte mit seinen Ängsten umgehen kann, etwa vor einer Operation. In der Nachsorgephase geht es zum Beispiel darum, das Vertrauen in den eigenen Körper zurückzugewinnen, Kraft zu schöpfen, nach vorne zu schauen und sich gegebenenfalls neu zu orientieren.

An die Kinder denken

Heike Koch-Gießelmann unterstreicht: „Zur Erreichung der Ziele gibt es keine standardisierte Behandlungsstrategie. Denn jeder Betroffene bewältigt seine Krankheit unterschiedlich. Insbesondere jüngere Patienten erleben es als belastend, wenn das gewohnte Selbstbild nicht mehr mit der aktuellen Selbsterfahrung übereinstimmt.“ Im Kern geht es meist darum, dem Erkrankten zu helfen, seine Ängste zu kontrollieren, mit der Ungewissheit über den Verlauf der Erkrankung zu leben und diese annehmen zu können. „Das gilt übrigens auch für die nahen Angehörigen. Sie sind zwar selbst nicht erkrankt, aber mitbetroffen. Gerade Kinder in jedwedem Alter dürfen nicht aus dem Blickfeld geraten. Sie brauchen häufig Unterstützung, wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt ist.“

Ganz individuell

Die Betreuung erfolgt immer bedarfsorientiert und individuell, denn jeder geht mit psychischen Belastungen anders um. Die psychoonkologische Behandlung richtet sich daher nach dem persönlichen Unterstützungsbedarf. „Das müssen wir berücksichtigen und gemeinsam mit den Patienten erarbeiten“, erläutert Heike Koch-Gießelmann. „Psychoonkologie ist immer ressourcenorientiert. Wir ergründen, welche Kraftquellen, Stärken und Fähigkeiten dem Betroffenen zur Verfügung stehen oder aktiviert werden können und wie er zur Ruhe kommen kann, etwa durch Entspannungsübungen.


Psychoonkologin Heike Koch-Gießelmann, Leiterin der psychoonkologischen Abteilung des Klinikums Siloah, Hannover © privat