Lungenkrebs Der Arzt als Krebspatient: Das Leben genießen – was denn sonst?
Ehrlich gesagt hatte ich mich in all den Jahren vor meiner Erkrankung nicht sonderlich viel um mich selbst gekümmert. Eigentlich arbeitete ich nur, versuchte Karriere zu machen. Der Stress war groß. Ich rauchte viel. Dumm von mir – gerade bei meinem Beruf beziehungsweise meinen Kenntnissen über die möglichen gesundheitlichen Folgen. Ich wollte immer wieder damit aufhören. Fand aber stets Gründe, es nicht zu tun: Stress im Studium, Bewerbungsdruck bei der Jobsuche, ständiger Ärger mit den Dienstplänen, Pech bei der Wohnungssuche in Hamburg und so weiter.
Mir blieb die Luft weg
Vor zwei Jahren merkte ich das erste Mal, dass ich etwas für mich tun musste. Auf einer Party mit Freunden kam ich bereits nach fünf Minuten Tanzen ganz außer Atem. Kein Wunder, hatte ich doch seit vielen Jahren keinen Sport mehr getrieben – so dachte ich. Das sollte sich ändern. Bereits am nächsten Nachmittag zog ich Sportkleidung an und fuhr an die Elbe. Es war allerdings ähnlich wie am Vorabend. Die ersten zwei Minuten liefen gut, ich fing behutsam an zu joggen, dann stellten sich sehr schnell Atemprobleme ein. Mein Puls raste. Ich war völlig fertig. Ich ahnte, dass mehr dahinter steckte als nur ein Trainingsmangel.
Fünf Tage später saß ich beim Pneumologen. Er röntgte meine Lunge, rief mich zu sich, zeigte mir das Bild und bevor er was sagen konnte, wurde mir schlecht. Ich musste mich setzen. Auf beiden Lungenflügeln erkannte ich dunkle Bereiche, die dort nicht hingehörten. Das konnte ich als Mediziner deuten. Der Kollege bestätigte es mir: Ich hatte ein fortgeschrittenes Bronchialkarzinom – Lungenkrebs! Der Schock war deshalb so groß, weil ich mich bei normaler körperlicher Belastung bisher pudelwohl fühlte. Überhaupt nicht krank. Aber genau das war ich nun. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Die Behandlungen schlugen gut an
Er überwies mich in ein renommiertes Lungenzentrum. Die dortigen Untersuchungen bestätigten die erste Diagnose. Nun lag meine ganze Hoffnung auf der Therapiestrategie. Ich wusste, dass die Onkologen mittlerweile viel mehr heilen, als noch vor einigen Jahren. Umso schlimmer traf mich die Nachricht, dass die Tumore nicht operiert werden können. Normalerweise war die Operation die einzige Chance auf eine vollständige Heilung.
Stattdessen bekam ich eine spezielle Chemotherapie. Bereits nach der ersten Behandlung konnten die Onkologen Erfolge verzeichnen. Die Geschwüre verkleinerten sich. Das Gefühl war unbeschreiblich. Ich schöpfte aus dieser Nachricht eine ungeheure Zuversicht und Energie. Ich konnte die nächsten Behandlungen gar nicht abwarten. Und am Ende der Therapie waren die Tumore mit den üblichen bildgebenden Verfahren nicht mehr zu sehen. Bereits während der Chemo trainierte ich meine Fitness. Das ließ mich nicht los. Ich wollte wieder leistungsfähiger werden. Und es funktionierte. Wenn auch nur in kleinen Schritten.
Ich hoffe auf neue Medikamente
Ein halbes Jahr später sank meine neu erworbene Leistungsfähigkeit wieder. Der Krebs war zurück. Damit musste man rechnen. Mein Arzt hatte mir das prophezeit. Meine sogenannte Zweitlinientherapie begann. Dieses Mal handelte es sich um eine zielgerichtete Therapie. Ich bekam Tabletten. Ihre Wirkstoffe richten sich nur gegen den Tumor. Sie blockieren sein Zellwachstum. Mit Erfolg: Nach einem Monat ging es mir wieder gut. Ich hatte zwar viele Pickel als Nebenwirkung. Damit konnte ich jedoch gut leben. Zumal sie nach einigen Wochen wieder verschwanden.
Ich kann mittlerweile sehr gut mit der Krankheit umgehen. Ich habe sie als einen Teil von mir akzeptiert. Das heißt aber nicht, dass ich sie nicht wieder loswerden will. Ich vertraue da der medizinischen Forschung. Permanent werden neue Medikamente getestet, gibt es vielversprechende Erfolge. Ich hoffe ganz stark auf eines, das mich von der Krankheit endgültig befreit. So lange kämpfe ich. Nicht körperlich, denn es geht mir gut. Ich kämpfe mental gegen meine Ängste an. Sie drehen sich darum, dass vielleicht eines Tages meine Medikamente nicht mehr gegen den Tumor wirken. Und dass noch keine neuen gefunden sind. Bis dahin genieße ich jeden Tag. Lebe bewusst. Nicht etwa weil ich denke, meine Tage seien gezählt. Unsinn. Ich habe durch die Krankheit lediglich gelernt, das Leben anders zu betrachten – es wirklich wertzuschätzen.