Psychoonkologie Therapien am Computer: Taugen digitale Helfer?
Ein Blick in die App-Stores von Google oder Apple genügt, um zu zeigen: Tausende Programme stehen bereit, die versprechen, dass mit ihrer Hilfe Stress abgebaut, die Stimmung verbessert, Angstzustände gemildert oder seelische Krisen besser überwunden werden können. Das kann hilfreich sein: Denn Menschen mit einer Krebsdiagnose und deren Umfeld können sich plötzlich scheinbar unlösbaren Problemen gegenüber sehen, unter Angstattacken leiden oder auch in depressive Verstimmungen fallen, die es zu behandeln gilt.
Psychoonkologie wirkt
Viele Studien beweisen, dass diesen Patienten mit den Ansätzen der Psychoonkologie gut geholfen und ihre Lebensqualität gesteigert werden kann. In den Tumorzentren stehen daher den Patienten inzwischen immer Psychoonkologen zur Seite. Ärzte und Pfleger achten genau darauf, wer seelischen Beistand und Unterstützung während der Akutbehandlung braucht. In vielen Krankenhäusern werden Patienten regelmäßig zu ihrer seelischen Verfassung befragt, um im Fall der Fälle rasch zu helfen. „Trotz aller Anstrengungen können jedoch nicht alle Patienten ausreichend psychologisch unterstützt werden“, sagt Dr. Imad Maatouk, Oberarzt in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik des Uniklinikums Heidelberg und ärztlicher Leiter der psychoonkologischen Ambulanz am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. „Besonders nach dem Krankenhausaufenthalt und der Rehabilitation müssen lange Wartezeiten und manchmal weite Anreisen zu den Therapien in Kauf genommen werden.“
Der Ausweg: Psychoonkologie online
Ob und wie Apps und Online-Therapien wirken, ist noch nicht abschließend erforscht. „Erste Studien weisen aber darauf hin, dass bestimmte Online-Therapien und Apps die Lebensqualität verbessern können“, sagt Dr. Maatouk. „Insbesondere dann, wenn eine Kombination aus online und persönlicher Therapie angeboten wird.“ Derzeit gehen Wissenschaftler daher davon aus, dass Online-Therapie die persönliche Beratung nicht ganz ersetzen kann. Aber es können Wartezeiten überbrückt und klassische Therapien begleitet werden. „Bei der Auswahl der Programme muss sehr sorgfältig vorgegangen werden“, betont Dr. Maatouk. „Ideal ist, wenn die Online-Therapie im Rahmen einer Studie durchgeführt wird oder von den behandelnden Ärzten und Therapeuten empfohlen wird. Dann können sich die Patienten sicher sein, dass die Therapie medizinischen Standards entspricht.“ Er rät dringend davon ab, „irgendeine“ App oder ein Programm auszuwählen und ohne ärztliche Hilfe anzuwenden.
Unser Experte: Dr. Imad Maatouk
Oberarzt in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Universitätsklinik Heidelberg und ärztlicher Leiter der Psychoonkologischen Ambulanz am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg
Richtige Wahl
Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient findet heute meist nur im persönlichen Gespräch statt. Gesundheits-Apps werden meist nur im Rahmen von Studien eingesetzt und erforscht. Daher sind die frei verfügbaren Apps als digitale Selbsthilfe-Programme für Patienten konzipiert. Das Angebot ist fast unüberschaubar. Suchmaschinen und App-Stores bringen unzählige Ergebnisse, die auf den ersten Blick nicht oder nur schwer zu bewerten sind. Wer Apps und Online-Programme anwenden will, sollte daher bei der Auswahl unbedingt bestimmte Regeln beachten, wie Dr. Ursula Kramer vom HealthOn e.V., Qualitätssiegel für Gesundheits-Apps in Freiburg, erklärt. „Dann können sich Patienten und Angehörige recht sicher sein, dass sie die Kontrolle über die Krankheit, Behandlungen und Daten behalten.“ Gute Programme und Apps machen klare Angaben zum Anbieter oder Absender, der Intention und Finanzierung der Anwendung. Entsprechende Informationen sind im Impressum und zum Beispiel unter dem Menüpunkt „Wir über uns“ enthalten. Seriöse Anbieter werden immer eine Datenschutzerklärung anzeigen und erklären, wie die persönlichen Daten behandelt werden.
«Die Transparenz der Anbieter ist entscheidend»
Neben diesen eher formalen Anforderungen müssen die Anwendungen auch fachliche Expertise nachweisen. „Dies geschieht in aller Regel über eine wissenschaftliche Begleitung, während der die Programme entwickelt und eingesetzt werden“, sagt Dr. Kramer. „Anwender sollen nur Programme nutzen, die von renommierten Instituten und Wissenschaftlern begleitet werden.“ Einzelne Personen oder unbekannte Institute reichen meist nicht aus. Besser sind Studiengruppen oder bekannte Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel Universitäten, medizinische Fachgesellschaften oder internationale Forschungsgruppen. Gute Programme zeigen darüber hinaus für den Fall der Fälle auf, bei welchen Anzeichen, Notfällen oder Ereignissen ein Arzt aufgesucht werden muss. „Werden diese Kriterien nicht erfüllt, sollte das Programm oder die App nicht benutzt werden“, rät Dr. Kramer. „Die Gefahr für Gesundheit, Wohlbefinden und Datenmissbrauch ist dann sehr hoch.“