Bewältigungsstrategien 5. German Cancer Survivors Day: Freizeit, Reisen und Urlaub mit Krebs
Die Diagnose Krebs und seine Behandlung sind tiefe Einschnitte in das Leben der Patienten, Angehörigen und Freunde. Meist fordert die Behandlung und Rehabilitation die ganze Kraft und Aufmerksamkeit. Alles, so scheint es, dreht sich in dieser Zeit nur um den Kampf gegen den Krebs. Viele Patienten und Angehörige sind von der Befürchtung getrieben, etwas zu verpassen oder Chancen ungenutzt zu lassen.
Urlaub vom Krebs nehmen!
Dieser unbändige Handlungswille kostet oft viel Kraft und sehr viel Geld. Bringt aber auf Dauer meist nicht den gewünschten Erfolg. Er verursacht sogar Enttäuschungen und Rückschläge, wenn zu hohe Erwartungen nicht erfüllt werden. Diese Spirale muss durchbrochen werden: „Krebskranke brauchen daher Urlaub, und zwar Urlaub vom Krebs!“ Davon ist Professor Dr. Joachim Drevs, Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie aus Sickte, überzeugt. „Der Urlaub soll nur wegen des Urlaubs gemacht werden, nicht wegen des Krebses.“ Patienten sollten sich immer bewusst darüber sein, dass ihr Kampf gegen den Krebs besser gelingt, wenn er aus der Position der Stärke geführt wird. Die kann ein Körper besonders gut entwickeln, wenn er erholt und gestärkt ist.
«Patienten brauchen eine Position der Stärke»
Dafür organisieren Prof. Drevs und sein Team Wanderreisen für Krebspatienten. Die An- und Abreise, die Unterkünfte und der Gepäcktransport zwischen den Etappen werden vollständig organisiert und die Gruppe ständig von einem Team medizinisch und psychologisch begleitet. „Auf diesen Wanderungen gewinnen die Patienten den nötigen Abstand, um sich erholen zu können, und stärken durch die Bewegung gleichzeitig ihren Körper“, erklärt Prof. Drevs. „Wir organisieren diese Reisen schon seit Jahren und bekommen durchweg positive Rückmeldungen von Patienten und Angehörigen.“
Einsamkeit durchbrechen
„Wir stellen immer häufiger fest, dass Patienten ohne jegliche familiäre oder soziale Bindung zu uns in die Behandlung kommen“, so Prof. Drevs. „Dies ist für uns als Ärzte und für das Gesundheitssystem eine echte Herausforderung.“ Die Gründe für diese Isolation sind zum Beispiel falsche Informationen: Noch immer sind manche Mitmenschen davon überzeugt, dass Krebs eine ansteckende Krankheit ist. Sie brechen daher den Kontakt zu Krebspatienten ab. Auch körperliche Beeinträchtigungen und damit verbundenes Schamgefühl kann Patienten in die soziale Isolation führen. „Die Krux an solchen Vorfällen ist, dass die Betroffenen die Probleme meist nicht erkennen können und so immer tiefer in die Isolation geraten“, sagt Prof. Drevs. „Die Patienten sind damit auf die Aufmerksamkeit des Umfelds und Ärzte angewiesen.“ Veranstaltungen wie der German Cancer Survivors Day tragen mit dazu bei, Vorurteile auszuräumen und Aufmerksamkeit zu schaffen.
Neue Rollen finden
Nach einer Krebsdiagnose und während der Behandlung werden die Rollen in einer Familie meist völlig neu verteilt. Kinder müssen oft mehr Verantwortung übernehmen. Der Beruf und die Karriere treten zugunsten der Familie und Alltagstätigkeiten in den Hintergrund. „Meist gelingt das ganz gut, weil dies eher als Übergangssituation wahrgenommen wird“, sagt Prof. Drevs. „Probleme tauchen aber auf, wenn der Zustand lange anhält oder wenn die Behandlung abgeschlossen ist und die neuen Rollen in den Alltag überführt werden müssen.“
«Professionelle Hilfe sollte eine Option sein»
Besonders kritisch sind diese Zeiten, wenn Kinder an Krebs erkrankt sind. Viele Kinder sind nämlich mit einem schlechten Gewissen gegenüber der Familie belastet. Hinzu kommt, dass sie wieder das Vertrauen in den eigenen Körper zurückgewinnen und ihren Platz neu finden müssen. „Gelingt dies nicht gut und rasch, rate ich auf jeden Fall dazu, professionelle Hilfe zu holen“, sagt Prof. Drevs. „Denn besonders bei jungen Menschen soll die verlorene Zeit möglichst schnell und reibungslos wieder eingeholt werden.“ Erfahrungen haben gezeigt, dass Kinder und Erwachsene besonders rasch zu sich und den neuen Rollen finden, wenn die Therapie von Tieren begleitet und unterstützt wird. „Ganz besonders gut scheint dies mit Delfinen zu gelingen“, sagt Prof. Drevs. „Daher erforschen wir diese Therapieform wissenschaftlich und helfen Familien, Förderer zu finden, die die Kosten für diese aufwendigen Therapien übernehmen.“
Plötzlich erwachsen!
Als Annelie Voland 14 Jahre alt ist, stirbt ihr Vater an Krebs. Nur ein Jahr später wird bei der Mutter Krebs diagnostiziert. „Nach der Diagnose und während der Behandlung musste ich schlagartig viel Verantwortung übernehmen“, sagt Annelie Voland. „Briefe lesen und beantworten, Arztbesuche mit der Mutter absolvieren, waschen, putzen, einkaufen ...“ Plötzlich ist Annelie Voland erwachsen. „Meine Mutter war in dieser Zeit immer für mich da, auch wenn sie nicht zu Hause war“, betont Annelie Voland. „Nur mit dem Rückhalt der Mutter und der Hilfe durch die Familie konnte ich das schaffen.“ Heute, zehn Jahre später, ist aus dem Schicksal eine Berufung geworden. Die 27-Jährige forscht und arbeitet auf dem Gebiet der onkologischen Bewegungstherapie und engagiert sich für Krebspatienten.
Engagement – Pilgerprojekt für krebskranke Menschen
Gemeinsam pilgern die Patienten über 7 Tage 150 Kilometer von Ort zu Ort über den Brandenburger Jakobsweg.
Mit diesem Projekt soll dem Krebs ein Gesicht gegeben werden. Es fordert Menschen auf, sich für betroffene Familien zu engagieren. Auf der diesjährigen Wanderung werden Spenden zugunsten des Berliner Krebsgesellschaft e.V. gesammelt, der mit den Geldern Kinder krebskranker Eltern unterstützt. Für die Aktion gespendet werden kann unter diesem Link.
Auf dem 5. German Cancer Survivors Day am 6. Juni 2019 wird Annelie Voland über die Auswirkungen der Krebserkrankung auf die Familie in der Gesprächsrunde Familie und Alltag berichten.