Darmkrebs Wie bekomme ich eine echte Zweitmeinung zur Therapie?

Autor: MPL-Redaktion

An der Therapieentscheidung sind stets mehrere Spezialisten beteiligt. Scheuen Sie sich nicht, nachzufragen. © eve – stock.adobe.com

Auf Basis einer sorgfältigen Untersuchung legen Ärzte ihre Therapiestrategie fest. So wird das in der Regel bei allen Krebsarten gemacht, auch beim Darmkrebs. Abhängig vom Stadium folgt man den in Leitlinien festgelegten Empfehlungen. Diese beruhen auf jahrelangen Erfahrungen bei der Behandlung des Darmkrebses und sind somit am erfolgversprechendsten.

„Ist das Tumorstadium fortgeschritten, werden die Behandlungen individualisierter. Es gibt zwar auch für diese Situation Leitlinien, die zu erwartenden Nebenwirkungen und Belastungen für den Patienten erfordern jedoch ein Vorgehen, das auch die Gesamt­situation des einzelnen Patienten mit berücksichtigt“, erklärt der Darmkrebsexperte Professor Dr. Jochen Wedemeyer. „Dazu gehören vor allem Vorerkrankungen, das Alter, aber auch die Mobilität des Betroffenen.“ Prof. Wedemeyer ist Leiter der Klinik für Innere Medizin im niedersächsischen Klinikum Robert Koch, Gehrden. „Unsere Erfahrung zeigt, dass Patienten in diesen Fällen oft nach einer Zweitmeinung fragen.“

Zweitmeinung macht sicherer

Das Erfragen einer Zweitmeinung ist bei jeder ernsten Erkrankung gut nachvollziehbar. Experten wie Prof. Wedemeyer raten unter Umständen sogar dazu. Gibt es keine standardisierten Behandlungswege mehr, kann es sinnvoll sein, die Meinung eines zweiten Experten einzuholen.

Wann Patienten nachfragen sollten

In unterschiedlichen Situationen kann beim Darmkrebs eine zweite Meinung hilfreich sein. Und es gibt weitere, nicht eindeutige Situationen. Hierzu gehören:

  • der Mastdarmkrebs, auch Rektumkarzinom genannt, vor allem wenn der Mastdarmkrebs im unteren Abschnitt, also sehr nahe am Darmausgang und Schließmuskel, auftritt
  • der Mastdarmkrebs, der bereits vollständig durch die Darmwand hindurchgewachsen und in umliegendes Gewebe eingewachsen ist
  • ein Rückfall nach abgeschlossener Therapie, ein sogenanntes Rezidiv

Neben diesen krankheitsspezifischen Gründen, die das Einholen einer qualifizierten Zweitmeinung rechtfertigen, gibt es weitere gute Argumente:

  • Der behandelnde Arzt stellt mehrere Therapiealternativen vor und der Patient ist nicht in der Lage, eine Entscheidung selbst zu treffen.
  • Der Patient ist unsicher, ob die Therapieempfehlungen des behandelnden Arztes tatsächlich die besten sind.
  • Der behandelnde Arzt ist kein Experte für Krebserkrankungen.
  • Das Verhältnis zum behandelnden Arzt ist getrübt, weil er zum Beispiel zu wenig erklärt oder sich zu wenig Zeit nimmt.

Der Arzt ist nicht beleidigt

Aus den genannten Gründen möchten Patienten eine zweite Meinung einholen, verständlicherweise. „Viele befürchten jedoch, dass ihr erstbehandelnder Arzt dann beleidigt sein könnte, weil er die Entscheidung als Misstrauen interpretiert“, weiß Prof. Wedemeyer. „Ich glaube aber, das ist unbegründet. Diese verständliche Bitte ist menschlich. Und jeder weiß, sie hat nichts mit Misstrauen zu tun.“

Zweitmeinung einholen: An was Patienten denken sollten

Der Arzt, der die Zweitmeinung erstellen soll, benötigt alle Unterlagen, die zur ersten Diagnose führten. Dazu gehören vor allem Röntgenbilder und Laborbefunde, eine Zusammenfassung der Diagnose sowie die vorgeschlagenen Behandlungsmaßnahmen beziehungsweise der Arztbrief. Nach genauer Prüfung wird die Zweitmeinung besprochen und schriftlich zusammengefasst.

In anderen Ländern, wie etwa den USA, ist es absolut üblich, sich eine zweite Meinung einzuholen. Immer mehr setzt sich dies auch in Deutschland durch. Und immer mehr Ärzte weisen gezielt auf diese Möglichkeit hin. Kein vernünftiger Arzt wird daher das Interesse an der eigenen Therapieplanung übel nehmen. Patienten sollten dies offen ansprechen. „Ein Arzt, der seinen Patienten eine bestmögliche Behandlung zukommen lassen möchte, wird den Wunsch nach einer Zweitmeinung unterstützen. Schließlich sollte er davon ausgehen, dass die Zweitmeinung seine Empfehlung bestätigt“, findet Prof. Wedemeyer.

„Zumal er auch nie alleine die Therapie festlegt, denn eine Darmkrebsbehandlung kann sehr komplex sein.“ Stets werden daran Spezialisten mehrerer Fachdisziplinen beteiligt, typischerweise ist das ein Magen-Darm-Spezialist, Gastroenterologe genannt, ein Chirurg, ein Radiologe, ein Onkologe und Pathologe. Gemeinsam entscheiden sie schließlich über die Behandlungsstrategie.

Krankenkassen unterstützen

Die Krankenkassen übernehmen die ärztlichen Beratungskosten, auch wenn Patienten mehrere Ärzte konsultieren. Sie brauchen sich also nicht zu scheuen, einen zweiten oder sogar dritten Arzt zurate zu ziehen.

Eine zweite Meinung bekommen Patienten am besten in einer Klinik, die über eine interdisziplinäre Tumorkonferenz verfügt – hier stehen Spezialisten der entsprechenden Fachrichtungen zur Verfügung. Das sind vor allem zertifizierte Darmkrebszentren. Des Weiteren können der Hausarzt oder ein Gastroenterologe gute Empfehlungen geben, da sie die Behandlungsergebnisse einer Klinik anhand der eigenen Patienten gut einschätzen können. Nach Erhalt der zweiten Meinung sollte diese dann mit dem behandelnden Arzt diskutiert werden.


Professor Dr. Jochen Wedemeyer, Leiter der Klinik für Innere Medizin im niedersächsischen Klinikum Robert Koch Gehrden © Privat