Darmkrebs im Visier Warum eine aufmerksame Nachsorge beruhigt
Die Schlüsselfrage vor Nachsorgeuntersuchungen lautet stets: Wo ist im Körper des Patienten mit einer erneuten Erkrankung zu rechnen? Die Mediziner sprechen hier von einem Rezidiv. „Neben der Betrachtung des Darmes selbst schauen wir im Rahmen der Nachsorge eines Dickdarm- beziehungsweise Kolonkarzinoms zuerst auf die Leber. Hier würden sich Metastasen am ehesten einnisten. Denn das Blut aus dem Dickdarm fließt zuerst einmal in die Leber“, erklärt Prof. Wedemeyer, Chefarzt am KRH Klinikum Robert Koch in Gehrden. Würde dort etwas gefunden, würden unverzüglich entsprechende Therapiemaßnahmen ergriffen werden – wie etwa eine Operation, eine Chemo- oder eine Bestrahlungstherapie. Diese Maßnahmen sind dann relativ erfolgversprechend, werden sie doch zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingeleitet.
Beim Rektumkarzinom gehen die Experten etwas anders vor, da die Blutversorgung hier anders verläuft. Blut aus dem Enddarmbereich kann sowohl zur Leber als auch zum Herzen und zur Lunge fließen. Hier kann es entsprechend zu Absiedlungen kommen. Die Untersuchungen konzentrieren sich somit auch auf diese Organe.
Die Nachsorge – abhängig von der Vorerkrankung
Das genaue Stadium eines Dickdarmkarzinoms können die Experten erst nach erfolgter Operation festlegen. Erst dann können sie sehen, wie fortgeschritten der Tumor bereits ist, welche Wandschichten betroffen und ob Lymphknoten befallen sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse entscheiden sich die nachfolgenden Therapieschritte.
„Das hat dann zugleich Einfluss auf die nächsten Schritte: Bei kleinen, lokal begrenzten Tumoren ohne Absiedlungen in den Lymphknoten reicht eine Nachsorge mit bestimmten Untersuchungen in festgelegten Intervallen aus. Bei fortgeschritteneren Tumorstadien erfolgt nach der Operation nicht nur die Nachsorge, sondern auch noch eine Chemotherapie.
Man spricht von einer adjuvanten Chemotherapie. Die Idee hinter dieser Therapieform ist es, winzige, mit der Bildgebung nicht erfassbare Absiedlungen des Tumors zu zerstören und so ein Rezidiv des Tumors zu verhindern“, fasst Prof. Wedemeyer zusammen.
Die Nachsorge bei weiter fortgeschrittenen Darmkrebserkrankungen mit Metastasen ist hingegen komplexer. Feste Vorsorgepläne gibt es nicht. Die Patienten werden sehr individuell und engmaschig betreut – entsprechend ihrer Vorerkrankung. Bei ihnen handelt es sich daher nicht um eine Nachsorge im eigentlichen Sinn.
Die häufigsten Nachsorgeuntersuchungen
Im Rahmen der Nachsorge sollten Patienten ihrem behandelnden Arzt unbedingt Rückmeldung über Beschwerden und Probleme geben – unabhängig davon, ob sie durch die Erkrankung oder die Therapie verursacht wurden. Die Untersuchungen erfolgen anfänglich meist in Halbjahresschritten und werden später weiter ausgedehnt.
Mit diesen Untersuchungen sollten Patienten in der Regel rechnen
- Eine allgemeine gründliche körperliche Untersuchung, unter anderem mit Begutachtung des Bauches und der Narbe.
- Die Bestimmung der Tumormarker. Das sind Substanzen, die das Vorhandensein eines Tumors im Körper anzeigen. Sie werden von den Krebszellen selbst gebildet oder sind eine Reaktion anderer Körpergewebe auf das Tumorwachstum. Sie werden oft im Blut gemessen. Der Anstieg des Markers kann auf einen Rückfall hindeuten. Er kann aber auch durch andere Auslöser steigen. Zudem geben nicht alle Darmtumoren Tumormarker ins Blut ab. Eine Veränderung ist deshalb nur ein Hinweis und muss weiter untersucht werden.
- Bei der Ultraschalluntersuchung des Bauchraums wird geschaut, ob sich Metastasen in Organen befinden – etwa in der Leber. Ultraschall wird empfohlen, weil diese Untersuchungsmethode einfach durchzuführen ist und nicht belastet. Prinzipiell möglich wären auch andere bildgebende Verfahren, etwa eine Computertomographie.
- Mit der Darmspiegelung – auch Koloskopie genannt – lassen sich Rückfälle oder Zweittumoren im Darm erkennen. Sie ist allerdings nicht bei jedem Nachsorgetermin notwendig, beim Enddarmkrebs zunächst in halbjährlichen, später dann in größeren zeitlichen Abständen – als üblich gelten fünf Jahre, wenn keine Rezidive auftreten. Für das Kolonkarzinom gelten etwas andere Intervalle.
Nachsorge heißt auch Vorsorge
Laut Prof. Wedemeyer hat die Darmkrebs-Nachsorge eine weitere wichtige Aufgabe: „Zur Nachsorge zählt zum einen das, was die Patienten direkt betrifft. Aber auch die Angehörigen ersten Grades können davon betroffen sein.“ Das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken kann nämlich auch vererbt werden. Für Angehörige von Patienten, die daran erkrankten, gelten daher unter Umständen andere Darmkrebs-Vorsorgemaßnahmen, als für die Normalbevölkerung. Denn ihr Risiko, ebenfalls an Darmkrebs zu erkranken, ist möglicherweise erhöht. „War beispielsweise ein Fünfzigjähriger an dieser Krebsart erkrankt, kann es nun sinnvoll sein, dass Angehörige ersten Grades ihre Vorsorgeuntersuchungen vorziehen“, empfiehlt Prof. Wedemeyer und ergänzt: „Eine Darmspiegelung wird generell ab dem fünfundfünfzigsten Lebensjahr empfohlen. Ist bei Verwandten ersten Grades ein Darmkrebs festgestellt worden, sollte die Vorsorgedarmspiegelung bereits zehn Jahre vor dem Erkrankungsalter des Verwandten durchgeführt werden, in dem genannten Fall also bereits ab dem vierzigsten Lebensjahr erfolgen.“
So funktioniert die Darmspiegelung
Die Darmspiegelung, auch Koloskopie genannt, ist immer noch die treffsicherste Methode zur Früherkennung von Darmkrebs. Regelmäßig angewandt, können fast alle Polypen gefunden und entfernt werden. Bei der Darmspiegelung führt der Arzt ein Endoskop durch den After in den Darm. An der Spitze des Gerätes ist eine Minikamera montiert, mit deren Hilfe das Innere des Darms inspiziert werden kann. Mit dem Endoskop können Gewebeproben entnommen oder gefährliche Darmpolypen aus dem Darm sofort unter der Koloskopie entfernt werden.
Die genetische Disposition beachten
Prof. Wedemeyer weist darauf hin, dass Angehörige ersten Grades von Dickdarmkrebspatienten, die vor ihrem fünfzigsten Lebensjahr erkrankten, sich untersuchen lassen sollten: „Hier sind bestimmte Kriterien zu beachten. Es gibt nämlich genetische Varianten, die zum einen dazu führen, dass Angehörige relativ früh an Darmkrebs erkranken können. Zum anderen entwickelt sich der Tumor schneller“, warnt Prof. Wedemeyer.
„Ob Angehörige dazu neigen, wird in einer molekular-genetischen Untersuchung festgestellt. Zeigen die Ergebnisse dies, müssen die Angehörigen und auch die Patienten viel häufiger zur Vorsorge- bzw. Nachsorgedarmspiegelung, nämlich jährlich.“ Diese besonderen Vorsorgemaßnahmen bei Angehörigen ergeben sich erst durch die vollständige Diagnosestellung. In diesem Sinne bedeutet Nachsorge also auch stets ein gutes Maß an Vorsorge.